Freitag, 2. Januar 2009

Wenn der Amtsschimmel wiehert (2): Vorsprache auf dem Sozialamt

03.01.2002

Die Neuantragsstelle hat neuerdings nur noch dreimal die Woche geöffnet. Montags und Dienstags am Vormittag und - nur für Berufstätige - Donnerstags von 15:00 bis 18:00h.

Obwohl ich ja eben nicht berufstätig und gerade deshalb sozialhilfebedürftig bin, sprach ich heute um 15:00 Uhr dort vor. Pünktlich auf die Minute am Amt eingetroffen, durfte ich mir die vorletzte von 50 Nummern ziehen. Eine Beobachtung der laufenden Vorgänge sowie das gut gefüllte Wartezimmer legten die Vermutung nahe, dass die durchschnittliche Wartezeit etwa einhundert Minuten betragen dürfte. Ergo entschied ich mich, diese lieber im Freien statt in den lichtlosen Korridoren des Amtes zu verbringen und machte mich auf den Weg zum nächsten Copy-Shop, um dort Kopien meines Abiturzeugnisses zu verfertigen. Nachdem das erledigt war, traf ich an der Ampel kurz vorm Amt meinen Ex-Mitschüler Kwang, der es sich nicht nehmen lassen wollte, mich auf'n Kaffee beim Türken einzuladen. Als ich dann kurz nach vier Uhr zum zweiten Mal auf dem Amt einlief, hatten sich - oh Wunder! - Wartesaal und Gänge bereits nahezu gänzlich geleert. Nur ein einsamer Nachzügler ohne Nummer hielt sich dort noch auf. Nachdem ich meinen ersten Schreck - Ich rechnete nämlich damit, nun nicht mehr vorgelassen zu werden - überwunden hatte, zeigte sich, dass alles weitere ziemlich locker ablaufen sollte...

Schon nach etwa fünf Minuten kam ich dran, durfte mich "vorstellen", wurde wieder rausgeschickt und prompt ins nächste Zimmer gerufen. Darinnen saß eine rotgefärbte Fünfzigerin mit strengem Blick, der wenig Gutes verhieß, was sich allerdings als Fehleinschätzung entpuppen sollte. Nach kurzer Erstansicht der vorgelegten Unterlagen und knapper Befragung meiner Person wurde die anfangs so finster anmutende Mine zusehends freundlicher. Die Dame vom Amt kopierte sich die Unterlagen die ich mithatte, gab mir eine Liste weiterer noch vorzulegender Unterlagen und einen "Termin" zur Wiedervorlage - Montag, 07:00 Uhr - KOTZ - Nein, keine unmittelbare Vorsprache möglich, wieder mit Nümmerchen ziehen - KOTZ KOTZ ...

Interessant fand übrigens ich die Tipptechnik der Dame. Sorgfältig manikürte, ziemlich lange, mit perlmuttpinkrosefarbenem Lack gefärbte Nägel der rechten Hand bemühen sich, keinen Schaden an der Tastatur zu nehmen (oder anzurichten?). - Einfingersuchsystem - so etwas hab ich echt noch nicht erlebt. Der Zeigefinger der linken Hand hält derweil tapfer die Stellung auf der Umschalttaste. Wozu bildet man eigentlich Bürokräfte im Zehnfingerblindschreiben aus (wie z.B. meine Angetraute), wenn die dann arbeitslos zu Hause herumlungern, dieweil man an entscheidender Stelle gänzlich ohne solche Fähigkeiten auszukommen scheint? Aber das alles ist ja halb so wild, gemessen an dem was noch kommen wird und wovon ich beim Passieren der überfüllten Gänge einen kleinen Vorgeschmack bekommen konnte.

Der Hammer ist, dass man zwar in Erfahrung bringen kann, wann das Amt geöffnet hat, nicht aber darüber aufgeklärt wird, dass die Teilnehmernummern bereits zwei Stunden vor der eigentlichen Öffnung rausgehängt werden und dass es schon beinahe einem Wunder gleichkommt, wenn man - pünktlich um drei Uhr eintreffend - überhaupt noch so eine Nummer ergattern kann. Einem Menschen, der kurz nach mir - also ziemlich genau um 15:00 Uhr - eingetrudelt war und vorsichtig nachgefragt hatte, ob denn noch weitere Nummern vergeben würden, hatte die zuständige Angestellte mit den Worten: "Auf gar keinen Fall, mehr können wir hier heute ganz bestimmt nicht bewältigen." abgewiesen. Auch eine Art von Humor wie ich finde; Besuchszeit für Antragsteller und damit Arbeitszeit für diese Leutchen ist ja immerhin von 15:00 - 18:00 Uhr. Und die 50 vergebenen Nummern hatten sie bereits um 16:00 Uhr abgekaspert. Hätte ich den Spruch der Dame Ernst genommen, dann hätte ich, als Inhaber der vorletzten Nummer vor - sagen wir mal halb sechs eigentlich gar nicht wieder dort aufkreuzen müssen.

Naja .. schaun wir mal wie's (am 07. 01.) weitergeht ....

6 Kommentare:

Anonym,  2. Januar 2009 um 23:03  

diese ämter machen und haben ihre eigenen gesetze. da die besucher etwas von ihnen wollen, haben sie es nicht nötig, auf irgend etwas oder auf irgend wen rücksicht zu nehmen. man ist eben nur eine nummer.

Kurt aka Roger Beathacker 2. Januar 2009 um 23:30  

"man ist eben nur eine nummer"

Ja - aber nur unter der Voraussetzung, dass man auch eine (Nummer) ergattern kann ...

;-)

ad sinistram 3. Januar 2009 um 09:45  

Man wird auf das Zettelchen mit der Nummer reduziert, nimmt die abstrakte und nichtige Existenz des Zettelchens an - eine Verkehrung dessen, was eigentlich erwünscht wäre, nämlich dass die Nummer zu einem Vermittler zwischen dem Antragsteller und der Behörde wird. Stattdessen wird die Nummer mit dem Antragsteller gleichgesetzt, weil es ja nichts zu vermitteln gibt...

Anonym,  4. Januar 2009 um 13:32  

Falls es sich nicht um einen Tippfehler handelt:

Der 7.1. ist Mittwoch! Mittwoch ist gar nicht geöffnet, und Montag ist der 5.1. ;-)

Ansonsten sind meine Erfahrungen mit der Arbeitsagentur meiner Heimatstadt ähnlich "überzeugend":

Für das "Beratungsgespräch" mussten die Unterlagen mindestens 3 Werktage vorher im Amt vorliegen (die Sachbearbeiterin sollte sich ja einlesen und Vorschläge parat haben) und wurde 1 Stunde angesetzt.

Als ich pünktlich zum Termin eintraf musste ich 5 Minuten warten, in denen sich die "Sachbearbeiterin" wohl meinen Namen einprägte - mehr nicht... Im Gespräch wurde mir eine Bewerbungsseite bei der Arbeitsagentur gezeigt, die diesen Namen nicht wert war. Auf meine Frage, ob ich diese Seite selbst bearbeiten könne, antwortete die "Sachbearbeiterin", im Prinzip ja, aber sie wüsste nicht, ob ich mit dem Computer umgehen könne - in meinen Unterlagen befand sich eine ganze Seite, die sich nur mit meinen (u. a.) sehr umfangreichen Office- und Web-Skills beschäftigte (von den anderen Fähigkeiten im Bereich Software- und Hardware-Entwicklung ganz zu schweigen)...

Nach 20 Minuten war ich wieder draußen - ohne konkreten Stellen-/Bewerbungsvorschlag. Einziger Lichtblick: Ich hatte die Zugangsdaten und konnte die Bewerbungsseite auf einen ansprechenden Stand bringen.

Vierzig Minuten später war als nächster Termin ein Kollege der gleichen (insolventen) Firma und eine weitere Stunde später noch einer dran: Same procedure with every candidate.

Die "Sachbearbeiterin" hatte weder die 40 Minuten, die sie bei mir, noch die, die sie beim zweiten Kollegen zusätzlich gewonnen hatte (auch er war nach 20 Minuten wieder draußen), für Vorbereitungen auf wenigstens den dritten verwendet.

Übrigens, wir drei haben uns selbst was gesucht und gefunden, weil wir uns selbst "vermarkten" konnten. Was solches "Fachpersonal" bei der Arbeitsagentur aber für gering qualifizierte Arbeitssuchende bedeutet, treibt mir die Zornesröte ins Gesicht!

Kurt aka Roger Beathacker 4. Januar 2009 um 13:51  

Nein - es handelt sich nicht um einen Tippfehler.

"Ladies und Gentlemen, wir befinden uns im Jahr 2002, an Hartz IV ist noch gar nicht zu denken - aber das Personal auf den Aemtern erweist sich schon jetzt als bestens auf die Zukunft vorbereitet..." oder so aehnlich. Vielleicht haette ich das noch drueber schreiben sollen?

;-)

Das mit dieser Bewerbungsseite kenne ich. Fuer mich wurde so etwas auch eingerichtet; ich ging mit Zugangsdaten versehen heim, warf den PC an und wollte die Seite "fit" machen - Pustekuchen, entgegen den Angaben der Sachbearbyterin war da leider nichts zu veraendern. Offenbar war der Dame nicht klar, dass sie die Seite zur Bearbeitung durch den "Kunden" eigens haette freischalten muessen.


Am 7.1. gibt es dann eine weitere Folge mit Abenteuern im Aemterland, in der der Wochentag natuerlich auch wieder nicht stimmen wird ..

;-)

Anonym,  5. Januar 2009 um 00:21  

Ich habe Anfang 2008 mit der Arbeisagentur mal das Vergnügen gehabt, um meinen Antrag auf Arbeitslosengeld loszuwerden. Das hat auch ganz gut geklappt. Die Vermittlung einer Stelle dort zu erwarten erscheint mir ein hoffnungsloses Unterfangen. Die Angestellten dort sind garnicht in der Lage, die Berwerbungsunter- lagen einzuschätzen und da Angebote unterbreiten zu können.
Ich habe in der Soft/Hardware - Entwicklung gearbeitet und da hatten die Leute, die damit in der Agentur befasst waren, keinerlei Ahnung.
Das einzige, was da hilft ist das Internet mit hunderten Jobforen. Dort habe ich dann knapp 8 Wochen nach der Arbeitslosmeldung eine neue Firma gefunden, bei der ich auch angefangen habe. Die Arbeitsgentur ist da nur zur Ausstellung der Bahnfahrkarten zu gebrauchen, die ich zur Wahnehmung des Vorstellungstermines benötigt habe. Selbst wenn in Ihrem Vermittlungssystem ein derartiger Job zu finden gewesen wäre, die hätten den mir nicht vorgeschlagen.
Ich erwarte das aber auch garnicht mehr. Das kostet nur Nerven.

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