Dienstag, 19. August 2008

Wasser marsch!

Ob BILD, WELT, SpOn, FTD um nur ein paar Beispiele zu nennen, keine Zeitung und kein Nachrichtenportal, das gestern nicht an zumeist vorgehobener Stelle die Meldung gebracht hätte, dass das Wasser "einer Studie zufolge" nirgends so teuer sei wie hierzulande, wobei - wenn überhaupt - nur am Rande erwähnt wird, dass sich der ganze Preisvergleich offenbar ausschließlich auf die Tarife für gewerbliche Abnehmer bezieht, also keinerlei Aussagekraft hinsichtlich der Kosten die private Verbraucher in den einzelnen Ländern zu tragen haben besitzt.
Für gewerbliche Kunden mit einer jährlichen Abnahmemenge von 10.000 Kubikmeter Wasser koste der Kubikmeter derzeit in Deutschland 1,91 Euro netto. Belgien biete die gleiche Menge für 1,85 Euro, Frankreich für 1,27 Euro und die USA sogar für nur 47 Eurocent.

Quelle (direktbroker.de)

Wer denn diese Studie in wessen Auftrag erstellt hat und in welcher Form sie durchgeführt wurde, darüber erfährt der Leser in aller Regel ebenfalls nur wenig bis gar nichts. Wozu auch - wichtig ist ja nur dass er endlich mitkriegt, warum das Wasser so verdammt teuer ist: es liegt an der fehlenden (privaten) Konkurrenz, denn die Wasserbetriebe sind hierzulande zumeist (noch) in kommunaler Hand und die Gemeinden verlangen "überhöhte" Preise um mit den erwirtschafteten Überschüssen andere mehr oder weniger luxuriöse Projekte zu subventionieren.

Kurz: der Leser soll offenbar zu dem Schluss kommen, dass er sein Wasser viel billiger bekommen könnte, wenn denn die Wasserversorgung in privater Hand und einem "echten Wettbewerb" ausgesetzt wäre. Eine Strategie die durchaus erfolgreich zu sein scheint, denn
"so eine Privatisierung muss eben nicht bedeuten, dass ein paar “Heuschrecken” oder böse räuberische Kapitalisten kommen und tun, was immer Sozialisten von ihnen erwarten mögen. In meinem Ort gibts ne Genossenschaft, in der jeder drin ist, der Wasser haben will. Das kommt einer städtischen Versorgung zwar relativ nahe, ist aber, da wir ja gleichzeitig zu einer Stadt mit einem eigenen Versorger gehören, doch noch ein bisshen was Anderes.
Wahlfreiheit und Wettbewerb wären natürlich trotzdem besser."

Filterblog

Wer wissen möchte, was er von einer (teil-)privatisierten Wasserversorgung wirklich erwarten darf, der nehme sich Berlin als Beispiel. Dort sind "[i]m Zuge der Teilprivatisierung der BWB [...] seit 2004 jährliche Preiserhöhungen vorgenommen worden - bislang [Stand: 21.11.2007] um insgesamt 30 Prozent" und sollen weiter erhöht werden.
„Berliner Wassertisch“ fordert Rekommunalisierung der Wasserbetriebe



Nebenbei bemerkt ...

... zeigt die Art und Weise wie sich die Presse mit diesem Thema "auseinandersetzt" mal wieder, dass "seriöser Journalismus" sich offenbar zunehmend damit bescheidet, irgendwelche - von wem auch immer verteilten - Pressemitteilungen unreflektiert weiterzuverbreiten. Und wo der seriöse Journalist solche Meldungen doch einmal durch "Eigenleistungen" anreichert, kommt dann solcher Nonsens raus wie z.B. bei Manfred Fischer in der Welt, wo man im Header des Artikels liest:

Nirgendwo kostet Wasser mehr als in Deutschland. Die Deutschen [!] zahlen fünfmal so viel wie die Amerikaner. Beim Trinkwasser gibt es keinen freien Wettbewerb, der Staat setzt die Preise fest, der Lieferant kann nicht frei gewählt werden.


Was zeigt, dass man den Kram, den man tagtäglich in die (der) Welt hinausposaunt, offensichtlich schon gar nicht mehr ins eigene Bewusstsein dringen lässt, heißt es doch an anderer Stelle des selben Artikels in einem der Studie offenbar entnommenen Zitat ganz richtig:
Da die Wasserpreise von den Gemeinden festgelegt werden, dienen die hohen Preise zur Subventionierung örtlicher Projekte, die sonst mit Steuergeldern bezahlt werden müssten“, stellen die NUS-Berater fest."


Immerhin erfährt man in der FTD, die offensichtlich als einzige der genannten Postillen noch in der Lage ist, mehr zu leisten als einfach irgendwelche Pressemitteilungen weiterzuleiten, dazu noch:
Dass die deutschen Wasserpreise höher seien, hänge auch damit zusammen, dass Wasser in vielen anderen Ländern staatlich subventioniert wird.


Ach!

Nachtrag: 19.08 2008. 11:55 Uhr

Mit Erlaubnis der NDS-Redaktion möchte ich diesen Artikel um einen sehr treffenden Kommentar, den ich heute auf den Nachdenkseiten fand, ergänzen:


Der Artikel zeigt m.E. in eklatanter Weise, wie gezielt Meinung gegen die öffentlich-rechtlich organisierte Wasserversorgung in Deutschland gemacht werden soll. In dem Artikel finden Sie einen eher willkürlich anmutenden Referenzpreis für den Vergleich mit anderen Ländern (gewerbliche Wasserkunden mit einer Abnahmemenge von 10 000 Kubikmeter Wasser pro Jahr), wohl deshalb, weil er sich am besten zur Stützung der “These” der “Meldung” eignet. Ein Durchschnittspreis, ggf. noch regional differenziert, wäre inhaltlich angemessener gewesen, aber dann hätte es ja die Botschaft der Autoren “verwässert”.

Zudem fehlen jegliche Verweise auf Beispiele in anderen Ländern (z.B. GB, Südafrika), welche die negativen Konsequenzen von Wasserprivatisierungen für die Menschen aufzeigen. Von einer Verbesserung zugunsten der Allgemeinheit durch Privatisierung kann doch keine Rede sein (s. z.B. auch hier ). Außerdem fehlen jegliche Vergleiche zur Qualität des Wassers, bspw. zwischen Deutschland (mit höchsten Standards ohne Chemiezusatz) und bspw. den erwähnten U.S.A. Noch ein Wort zu den quersubventionierten örtlichen Projekten: Ich denke mal, dass der Mehrheit der BürgerInnen eine Subventionierung örtlicher Projekte über den Wasserpreis zum Wohle des Gemeinwesens mit einer Wertschöpfung vor Ort lieber ist als ein entsprechender Shareholder Value für die Kapitaleigner auf Kosten der Allgemeinheit. (P.F.)

Quelle: Nachdenkseiten, Hinweise des Tages vom 19.08.2008

Weitere Informationen zum Thema:
Wasser in Bürgerhand,
Lug und Trug statt Wahrheit und Klarheit,
Berliner Wassertisch

18 Kommentare:

Anonym,  19. August 2008 um 03:10  

Ich finde an einer Wasser-Versorgungs-Genossenschaft nichts Schlechtes, das funktioniert bei uns im Ort seit über 100 Jahren ausgezeichnet - ohne dass sich da die Politik großartig einmischen würde. Private Wasserversorgung funktioniert also, man muss es nur vernünftig machen.

Und ein gewisser Wettbewerb schadet nie. Und impliziert übrigens auch nicht, dass da sofort irgendwelche Abzocker auf den Plan treten müssen, wie mein Beispiel mit der Genossenschaft jawohl zeigt.

Kurt aka Roger Beathacker 19. August 2008 um 03:24  

Jan - Deine Genossenschaft kann mal wohl nur schwerlich als "privaten Versorger" bezeichnen, denn Du schreibst ja selbst:
"In meinem Ort gibts ne Genossenschaft, in der jeder drin ist, der Wasser haben will."

Deine Genossenschaft ist also kein Markt-Akteur, sondern eine Einrichtung zur kollektiven Selbstversorgung. Das muss man schon unterscheiden, denke ich. Und dass "richtige" Privatisierung offenbar wenig Sinn macht, scheint die Entwicklung in Berlin doch ziemlich deutlich zu belegen.

Anonym,  19. August 2008 um 03:32  

Nee, wie könnte denn auch ein Marktakteur entstehen, wenns gar keinen Markt gibt? Aber natürlich ist das ne rein private Geschichte, schließlich hat unser Ort ja nichtmal ne eigene Verwaltung, die da reinreden könnte.

Ein Monopol hat die Genossenschaft natürlich trotzdem, so wie jeder andere Versorger auch. Ich halte das Modell dennoch echten Versorgungsunternehmen gegenüber für überlegen, weil es eben nicht gewinnorientiert arbeiten muss, wie städtische Versorger das offensichtlich tun (müssen).

Die Berliner haben gezeigt, wie mans nicht machen sollte. Eine "richtige" Privatisierung ist das wohl kaum. Ich wette, in Berlin wünscht man sich jetzt nichts sehnlicher als Wettbewerb.

Kurt aka Roger Beathacker 19. August 2008 um 03:39  

Die Frage ist da bloss, wer "man" ist - ich bins jedenfalls nicht. Und ich kenne auch niemanden der sich so einen "Wettbewerb' wuenschen wuerde. Der Unterschied ist schlicht, dass Dein doerfliches Modell in einer Millionenstadt eben nicht funktionieren kann.

Und natuerlich gibt es einen potentiellen Markt auch bei Euch. Jeder braucht Wasser, also gibt es potentielle Kunden. Wenn nun einer Eurer Genossenschaft den ganzen Bettel abkauft, dann hast Du "echte" Privatisierung und auch einen "Markt".

Anonym,  19. August 2008 um 03:49  

Also theoretisch kannste auch ne Millionenstadt in kleine Versorgungseinheiten aufteilen, ist nur die Frage, ob das sinnvoll ist und ob das was spart. In jedem Fall erspart eine genossenschaftliche Organisation aber Quersubvention und Selbstbedienungsmentalitäten seitens der Politik.

Eine Genossenschaft, deren einzige Existenzzweck die Wasserversorgung ist, wird dieses Geschäft sicher nicht verkaufen, mal davon abgesehen dass ihre Mitglieder das ja auch nicht wollen.

Ich weiß nicht, was du für ein merkwürdiges Verhältnis zur Marktwirtschaft hast aber wenn es nur einen Anbieter gibt, dann ist das für mich jedenfalls noch kein Markt.

Wenn es in Berlin mehr als nur ein Unternehmen gäbe, von dem man sein Wasser beziehen könnte, wären die Preise doch wohl eindeutig andere als sie es sind, oder? Ich bin mir sicher, dass das im Interesse der meisten Menschen dort wäre. Ich hab keine Ahnung, inwieweit sich das technisch realisieren ließe, das ändert aber nichts an der theoretischen Überlegung.

Anonym,  19. August 2008 um 07:53  

Hallo Roger, hallo Jan

ich möchte zur Diskussion ein paar Gedanken beitragen. Der Gedanke, dass Wettbewerb zu einem Sinken der Preise führt - so habe ich es mal in der Schule gelernt, funkioniert m.E. nur noch in einem theoretischen Modell. Ein Beipiel: Der öffentliche Nahverker ist in unserer Region schon stark privatisiert, ebenso die Energieversorgung, in beiden Sparten gibt es auch Wettbewerb, dennoch steigen die Preise im Gleichtakt. Die Lieferanten sind ihren Eignern und Aktionären verpflichtet maximalen Gewinn zu erzielen. Ein kommunaler Versorger muss "nur" eine schwarze Null schreiben. Auch wenn Absprachen der Anbieter unethisch oder gar verboten sind heißt das nicht, dass sie nicht doch stattfinden. Auch im Gesundheitswesen ist jetzt schon erkennbar, dass die Privatisierung weder zu einem Sinken der Pflegesätze noch zu einer Verbesserung der Qualität führt, diese Erfahrung habe ich aus erster Hand, was sich ändert ist dass es inzwischen private Gesundheitsversorger gibt, die Gewinne abschöpfen. Mein persönliches Fazit ist, dass Aufgabene die einen gemeinschaftlichen und sozialen Zweck haben, entweder genossenschaftlich oder eben kommunal, öffentlich erledigt werden sollten. Kostenbewusst zu wirtschaften ist in beiden Fällen notwendig, Gewinnoptimierung und Abschöpfung ist aber etwas anderes.

Kurt aka Roger Beathacker 19. August 2008 um 10:58  

@ jan,

Auf einem Markt, so habe ich es einmal gelernt, treffen Anbieter und Nachfrager aufeinander um Gueter (Waren, Geld) auszutauschen. Das ist das grundsaetzliche Charakteristikum eines Marktes.

Die Zahl der Anbieter und Nachfrager spielt dabei zunaechst keine Rolle, sondern ist nur fuer die naehere Bestimmung von Bedeutung. So kann es je nach Verteilung z. B. Monopole oder Oliogopole geben und zwar sowohl auf Seiten der Anbieter als auch auf Seiten der Nachfrager. Im Extremfall besteht so ein Markt dann u.U. aus nur je einem Anbieter und einem Nachfrager.

Es ist die Beziehung in der sie zueinander stehen, die den Markt macht und nicht die Anzahl der in solchen Beziehungen stehenden.

Anonym,  19. August 2008 um 16:20  

@ aebby

Ja, kommunale Versorger müssen eigentlich nur eine schwarze Null schreiben, in der Realität erwartet man von ihnen trotzdem oft satte Gewinne - die sich dank ihres Monopols auch gut einfahren lassen. Wenn die Politik einen so tollen Selbstbedienungsladen erstmal entdeckt hat, dann liegt doch auf der Hand, dass da Druck ausgeübt wird, der eben nicht automatisch im Sinne der Kunden ist.

Ich bin dafür, dass gewisse Dinge gerne kommunal oder genossenschaftlich organisiert werden dürfen - aber wenn dadurch Monopole entstehen, dann sind die trotzdem problematisch. Ich will wenigstens die Wahl zwischen, beispielsweise, einem privaten Krankenhaus und dem kommunalen haben dürfen.

@ Roger

Für mich ist Wettbewerb genauso elementarer Bestandteil von Marktwirtschaft. Wenns bloß einen Anbieter gibt, könnte mans im Grunde auch verstaatlichen, das hätte dann nur den Nachteil, dass so ein Monopol von dem Zeitpunkt an auch politisch mit allen Mitteln verteidigt würde (siehe Post).

Das was du beschreibst, mag man Markt nennen. Zu einem freien Markt gehören mehrere konkurrierende Teilnehmer und die Abwesenheit von gesetzlichen Zugangsbeschränkungen.

ad sinistram 19. August 2008 um 16:28  

Die Leistung des deutschen Journalismus besteht darin, vorgefertigte Zahlen und Einsichten in einigermaßen lesbare, manchmal sogar versucht literarisch verfaßte Texte umzuwandeln. Dabei gibt es auch eine puritanische Linie des deutschen Journalismus, die Vorgefertigtes in verknappter Form anbietet, den sogenannten BILD-Stil, der einfach schreibt: "Unser Wasser teuer!"

Kurt aka Roger Beathacker 19. August 2008 um 16:56  

Jan, Deine doch etwas einseitige Betrachtungsweise wirst Du wohl so schnell nicht los, wie mir scheint.

Man sollte doch fragen, wer sich - sich in dem was Du "Selbstbedienungsladen" nennst, "bedient" - bzw. bzw. zu wessen Gunsten die Ueberschuesse am Ende abgeraeumt werden. Der Leserkommentar, den ich an meinen Artikel angehaengt habe, bringt das doch auf den Punkt. Aus kommunalen Einnahmen werden kommunale Ausgaben - d.h. der gemeine kommunale Wasserkunde gibt sein Geld nicht irgendwohin, wo dann nach Belieben (andere) unkontrolliert verfahren wuerde.

Und im Prinzip ist es Wurst, ob Du eine besondere Genossenschaft der Wasserverbraucher gruendest oder ob Du die Waserversorgung allgemein der Gemeinde (und damit eben auch: der gewaehlten Vertretung aller Wasserverbraucher) uebertraegst.

Der Unterschied zur Privatisierung ist schlicht, dass die Einnahmen der Gemeinde wieder zu Zwecken der Gemeinde ausgegeben werden - die Einnahmen des Privatanbieters aber sonstwo landen, mithin der Gemeinde (und damit den Wasserverbrauchern) definitiv entzogen werden. Unter dem Strich erhaeltst Du beim Privaten, selbst wenn er Dir das Wasser er billiger anbieten sollte, also sehr wahrscheinlich weniger fuers Geld.

Es ist ueberhaupt absurd, dass jedem Beliebigen Einzelnen, das Recht Profit zu machen zugesprochen wird, einer Vereinigung von Buergern (eben in diesem Fall als Gemeinde) hingegen nicht.

Zum Abschluss noch der Hinweis, dass jeder Buerger im Hinblick auf Gemeindeangelegenheiten immerhin ein verbrieftes Mitspracherecht besitzt (so was nennt man, glaube ich, Demokratie). Ein solches Recht besteht, wie Dir bekann sein duerfte im Hinblick auf Privatunternehmen nicht.

Davon abgesehen, kannst Du ja auch jetzt schon Wasser von Privatanbietern Kaufen, in handlichen 1,5 Liter Flaschen.

Prosit!

Anonym,  19. August 2008 um 17:24  

Ich vertrete den altmodischen Standpunkt, dass Kommunen sich offen und ehrlich durch Steuern finanzieren sollten und nicht durch geschäftliche Tätigkeiten. Das ist überhaupt nicht absurd. Politik hat in der Wirtschaft einfach nichts zu suchen, weil dort Interessen vermischt werden und am Ende der Bürger stets der Leidtragende ist.

Oder worin liegt der große vorteil, wenn ich eine bestimmte kommunale Leistung über die Wasserrechnung, statt übers Finanzamt bezahle? Der Nachteil ist Intransparenz und fiskalische Mauschelei, die ich als Wähler irgendwann beim besten Willen nicht mehr überblicke. Das allerdings wäre eine Bedingung, wenn das ein Plus für die Demokratie sein sollte.

Meine verbrieften Mitspracherechte halten sich da ja auch eher in Grenzen. Gehörte der Laden wirklich mir, sähe das schon anders aus - unter dem Demokratie-Aspekt Pluspunkt für private Alternativen, würde ich sagen.

Natürlich bringt es gar nichts, den ganzen Zinnober an jemand völlig fremdes zu verkaufen, der dann ein Monopol hat und das logischerweise stärker ausnutzt, als Abwahl-gefährdete Politiker.

Anonym,  19. August 2008 um 20:08  

Eau wie schlecht. In Berlin gab es in den vergangenen wochen eine sympathiekampagne für die teilprivatisierten Berliner Wasserbetriebe. »Eau wie gut!« oder ähnliche sprüche stehen auf den plakaten. Aus gestalterischer sicht eine gelungene aktion, trotzdem ärgere ich mich jedesmal, wenn ich eines dieser plakate sehe: Ich zahle doch kein wassergeld, damit ein kollege sich drollige plakate ausdenkt!

Der staat hat eine versorgungspflicht, die er nicht aus der hand geben darf. Privatisierungen mißlingen immer und bringen grundsätzlich höhere kosten für die kunden und lohneinbußen, schlechtere arbeitsbedingungen oder gar entlassungen für die mitarbeiter.

Die einzige art der privaten wasserversorgung, die mir keine allzu großen bedenken bereitet, ist der eigene brunnen, den man für den persönlichen wasserbedarf nutzt.

Anonym,  20. August 2008 um 13:44  

Drei Fragen, Mechthild:

1. Wenn Privatisierungen immer misslingen und immer höhere Kosten bringen, wie sind dann zum Beispiel die Errungenschaften seit Privatisierung der Telekom zu bewerten (Handys für alle, Internet, eigene Telefone besitzen, deutlich gesunkene Preise usw.)

2. Wieso gehören zur "Staatlichen Versorgungspflicht" So sachen wie Gas, Strom und Schulen, aber nicht wirklich elementare Dinge wie Nahrung?

3. Bist du sicher, dass wenn du deinen eigenen Brunnen versuchen würdest zur regulären Wasserversorgung deines Haushaltes zu nutzen, dass dein Versorger dir das durchgehen lässt, statt sein Monopol auch gegen dich zu verteidigen? (Ich bin es nicht, denn ich habe sowas ähnliches schonmal mit der eigenen, privaten Klärgrube erlebt.)

Anonym,  20. August 2008 um 20:27  

Drei antworten, Jan:

1. Handys für alle? Stimmt ja gar nicht. Ich habe noch nie eines besessen. Kostet geld und ist unnötig.

Wenn man es oberflächlich betrachtet kann man sich natürlich über die gesunkenen telephongebühren freuen. Als das fernmeldewesen noch zur Bundespost gehörte, finanzierten einnahmen aus der telekommunikation die löhne der postboten mit. In sofern zahlen die unterbezahlten briefträger, die in zeitungsausträger umdeklariert werden, die zeche für gesunkenen preise - und wir auf umwegen mit, denn wir subventionieren über steuergelder diese hungerlöhne.

2. Warum zur staatlichen versorgungspflicht keine elementaren dinge wie nahrung gehören? »Heute verhungert man morgen« (Kreisler). Es scheint kein thema mehr zu sein, staatlich die versorgung der bevölkerung sicherzustellen, schließlich verhungern sowieso bloß die armen. Vor der wende gab es ein »Amt für Landwirtschaft und Ernährungssicherung«, dort wurde geplant, wie man den bedarf an grundnahrungsmitteln decken kann. Es ist höchste zeit, sich gedanken darüber zu machen, wie man die verarmenden bevölkerungsschichten ernähren kann.

3. In der DDR beispielsweise (und ich möchte jetzt nicht behaupten, ich sei überzeugt, daß dort alles gut gewesen sei) gab es ein staatliches wassermonopol, gleichzeitig war es aber auch kein problem, sich selbst mit wasser zu versorgen. Es stand eben keine profitgier hinter der wasserversorgung. Heute darfst Du zur regulären wasserversorgung keinen eigenen brunnen mehr haben, weil der markt es erfordert, daß alle haushalte angeschlossen sind.

Anonym,  20. August 2008 um 23:41  

Zum 1.: Es ist ja auch nicht Pflicht, ein Handy zu besitzen (zum Glück), da man aber bereits ab 20 Euro Geräte inklusive Guthaben bekommt, kann jeder, der eins will, auch eins kaufen. Mit der Post als zuständige Behörde wäre das vermutlich undenkbar geblieben.

Wenn ein paar tausend Menschen mehr nun ihren Lebensunterhalt ernsthaft erwirtschaften müssen und dafür 80 Millionen Menschen Vorteile haben (die zu den selben Bedingungen leben), ist das wohl alles andere als unsozial.

Zum 2.: Es verhungert niemand. Und die Versorgung armer Leute lässt sich zweifellos mit dem Geld reicherer Leute sicher stellen. Geschieht doch auch. Man könnte dieses Geld natürlich auch in eine solche Behörde stecken, erscheint mir nur wenig problemorientiert. Alles in allem funktioniert die Nahrungsversorgung auf Grundlage der Marktwirtschaft aber doch bestens. Um das zu beurteilen würde ich mir nicht unbedingt die unteren 10.000 ansehen, sondern die Masse der Menschen.

Zum 3. Es ist wohl kaum der Markt, der Gesetze erlässt, dass jeder Haushalt an Wasserleitungen angeschlossen ist.

Kurt aka Roger Beathacker 21. August 2008 um 01:01  

zu 1. Dein Vergleich hat ein paar Maengel lieber Jan. Erstens ist das telefonieren seit der Privatisierung nicht grundsaetzlich billiger geworden, denn frueher konnte man im Ortsnetz fuer eine Gebuehreneinheit (0,23 DM) zeitlich unbegrenzt telefonieren. Zweitens durfte man auch frueher schon sein eigenes Telefon kaufen, aber man musste es nicht tun, wenn einem der Leihapparat ausreichte. Drittens halten sich die Investitionen in die Modernisierung der Netze seit der Privatisierung in recht ueberschaubaren Grenzen. Das meiste was heute an modernen Netzen vorhanden ist, wurde bereits vor der Privatisierung geschaffen - auch um den Marktwert des Unternehmens zu steigern. Was die Handys angeht: Ohne da eine Grundsatzdiskussion anzetteln zu wollen, auch da darf man geteilter Meinung sein, was die Sinnhaftigkeit dieser Erfindung angeht:
"Die durchschnittliche Besitzdauer eines Mobiltelefons beträgt in Deutschland, bedingt durch Vertragslaufzeiten und Innovationszyklen, 18 bis 24 Monate. In Europa werden jährlich ca. 100 Millionen Altgeräte entsorgt. Das entspricht 10.000 Tonnen oder 400 LKW-Ladungen."
Wikipedia

Dass nicht Massen von Menschen bei jeder Gelegenheit ihren Mitbuergern mit diesen Dingern auf die Nerven gingen, noch ehe sie erfunden (Motorola 1983) entsprechend entwickelt und auf ein wirklich "handliches" Format gebracht worden waren, sollte auch nicht allzu schwer nachzuvollziehen sein. Immerhin wog das erste dieser Geraete noch beinah ein Kilo, mass 33 mal 4,5 mal 8,9 cm und kostete fast 4.000,--US-$.
Was gewisse Restriktionen im Funkbetrieb der BRD allgemein angeht, sollte man sich vielleicht mal fragen, warum diese gerade mit dem Ende des "Kalten Krieges" zunehmend gelockert wurden. Womoeglich steckten da (unmittelbar am "Eisernen Vorhang") ganz andere Interessen hinter als die unseres Ex-Monopolisten? Wenn ja- wird man das den Buergern jedenfalls nicht auf die Nase gebunden haben.

Ein privates Unternehmen, dass seine ganze Infrastruktur und sein gesammtes Know How von einem staatlichen geerbt hat, kann man jedenfalls nicht mit dem beerbten staatlichen, das dann ja nicht mehr existiert, so einfach vergleichen, wie zwei Kartoffelsorten, die auf dem gleichen Acker wachsen.

zu 2. vielleicht weil jeder ein paar Kartoffeln anbauen, Gemuese ziehen oder Karnickel zuechten (gut in Grossstaedten ist das nicht so einfach, prinzipiell aber auch moeglich), aber eben nicht jeder mal eben ein Kraftwerk bauen, eine Schule errichten, ausstatten und in Betrieb halten kann?

Mit anderen Worten - auch wenn es heute nicht mehr ueblich ist, so kann die Nahrungsmittelproduktion auch prinzipiell kleinteilig und lokal erfolgen, das gilt aber nicht fuer die Energieversorgung oder die Bildung, jedenfalls nicht wenn ein gewisses (moeglichst hohes und gleichbleibendes) Level angestrebt wird. Der richtige Mix waere hier selbstverstaendlich in Punkto Energie das, dass man also, wenn man selbst z.B. Strom erzeugen kann (was ja zunehmend moeglich wird), eventuell anfallende Ueberschuesse problemlos sollte ins Netz einspeisen koennen - keine Frage. Das wird aber bekanntlich gerade von den privaten Grossversorgern eher ungern gesehen.

zu 3. Ich habe durchaus im Laufe meines Lebens gewisse Menschen getroffen, die ihre eigene Wasserversorgung hatten und auch auf sie angewiesen waren (sind?). Und das ist z.T. nicht mal lange her. Diese Leute waren allerdings alles andere als begeistert von dieser Form der Selbstversorgung, zumal die Qualitaet des kuehlen Nasses doch zu wuenschen uebrig liess.

Ob es ein Gesetz gibt, das besagt, dass jeder Haushalt an Wasserleitungen angeschlossen sein muss weiss ich nicht. Jedenfalls ist der zusaetzliche Betrieb von Pumpen und/oder Regenwasserzisternen meines Wissens nicht verboten. Allerdings finde ich den Gedanken, dass sich z.B. die Mehrheit der Bevoelkerung in meinem Viertel dafuer entscheiden koennte, alle entsprechenden Anschluesse zu kappen, nicht gerade erfreulich. Mir reicht schon, dass hier ueberall Hundescheisse herumliegt - und wie man weiss, kuebelte man zu Zeiten, als deutsche Staedte noch nicht mit Wasserleitungen und Kanalisation ausgestattet waren, auch die menschlichen Ausscheidungen einfach auf die Strasse ...

Anonym,  21. August 2008 um 02:59  

Die Möglichkeit, ein Handy besitzen und benutzen zu können ist ein Vorteil, ob ichs nun wirklich haben will oder nicht.

23 Pfennig pro Gespräch stehen einem Festbetrag pro Monat gegenüber - wer genug telefoniert, der spart wohl zweifelsfrei. Und ich will nichtmal ausschließen, dass es so einen 23-Pfennig-Vertrag heute noch gibt.

Von daher: Natürlich ist es billiger geworden, ganz ohne Zweifel.

Als Kunde ist mir doch schnurz, wie mir die derzeitigen Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, was geht mich die Höhe von Investitionen an?

Und alte Handys können uns ja nun auch herzlich egal sein.

Mit nur einem Tarif, der auf jeden Fall deutlich über den heutigen gelegen hätte (Monopol!) hätte sicher nicht jeder ein Handy. Denn wie sollte eine Behörde auf den Gedanken kommen, dass jeder Bürger, ja jedes Kind unbedingt ein Handy braucht? Der Politik hätte zu so einer Entwicklung die Fantasie gefehlt. Es wäre nicht so einfach gewesen, Mobil zu telefonieren.

"Ein privates Unternehmen, dass seine ganze Infrastruktur und sein gesammtes Know How von einem staatlichen geerbt hat, kann man jedenfalls nicht mit dem beerbten staatlichen, das dann ja nicht mehr existiert, so einfach vergleichen, wie zwei Kartoffelsorten, die auf dem gleichen Acker wachsen."

Wenn die These aufgestellt wird, dass durch Privatisierung grundsätzlich alles scheiße wird, schon. Das ist einfach eine Lüge.

Ich kann doch meinen Strom selber erzeugen, wenn ich das will? Und nen Privatlehrer könnte ich auch anheuern, sofern Bildungspolitik ein bisschen liberaler werden würde. Und: Bei solchen Sachen kann ich mich sogar mit meinen Nachbarn zusammentun, damit das Ganze effizienter wird. Das geht schon, wenn man es denn wollte.

Und was große Versorgungsunternehmen wollen, sollte ja nun nicht zum politischen Dogma werden. Das es das wird hängt oft mit der Verquickung von Staat und eben diesen Unternehmen zusammen. Das ist ein Missstand.

Das Netze und Erzeuger beim Privatisieren nicht getrennt worden sind, ist meiner Meinung nach übrigens auch ein schwerer Fehler gewesen. Sowohl beim Telefonnetz, als auch beim Strom.

Es mag da von Ort zu Ort unterschiedliche Regeln geben. Ich weiß, dass wir unsere Klärgrube haben stilllegen müssen, wenn wir sie nicht für irrwitzig viel Geld an die neuen Regeln hätten anpassen wollen, die, eigenartiger Zufall, von der Stadt just zu dem Zeitpunkt ersonnen worden waren, unsere Straße an die Kanalisation angeschlossen worden war. Mit dem Ausbau der Kanalisation wurde entsprechend auch das Klärwerk ausgebaut, so dass die Stadt gute Gründe hatte, die bisher nicht an die Kanalisation angeschlossenen Haushalte dazu zu zwingen. Das ist staatlich organisierte Abzocke und nichts weiter.

Und ich wette, dass so Ähnliches passieren könnte, wenn nun eine relevante Zahl von Menschen sich selbst mit Wasser zu versorgen gedächte (man würde vermutlich "feststellen", dass die Qualität des Wassers "zu schlecht" ist und über den freien Willen der Kunden hinwegregulieren).

In Zeiten, in denen man normalerweise nichtmal in der Wildnis gegen einen Baum urinieren darf, brauchst du dich vor menschliche Exkremente auf der Straße vermutlich nicht fürchten.

Kurt aka Roger Beathacker 21. August 2008 um 09:42  

"Mit nur einem Tarif, der auf jeden Fall deutlich über den heutigen gelegen hätte (Monopol!) hätte sicher nicht jeder ein Handy. Denn wie sollte eine Behörde auf den Gedanken kommen, dass jeder Bürger, ja jedes Kind unbedingt ein Handy braucht?"

Du bist schon ein echter Komiker. Aber Du hast Recht: der Staat ist ja auch nicht darauf gekommen, dass jeder Buerger Wasser, Bildung, oder ein Telefon brauchen koennte und hat deshalb alles unternommen den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur zu verhindern.

btw - wenn jeder Buerger ein Handy braucht, warum will dann augenscheinlich nicht jeder auch eins?

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