Donnerstag, 15. Januar 2009

Wenn der Amtsschimmel wiehert (3): Besuch auf dem Job-Center

Pünktlich um 9:45 Uhr klopft B. Dürftich an die Tür seines "persönlichen Ansprechpartners" (PAp) im Job-Center und öffnet sie, nachdem er von drinnen ein undeutliches Grummeln vernommen hat. Der PAp ist indes noch mit einer anderen persönlichen Ansprache befasst.

  • PAp: "Herr Dürftich? - Nehmen Sie bitte noch einen Moment draußen Platz. Ich brauche hier noch 10 Minuten."


Dürftich trollt sich in die robust möblierte Wartenische (Sitze aus Stahlblech), wo schon ein anderer Wartender darauf wartet, dass seine Warterei ein Ende haben möge. Nach einer Weile wird der Leidensgenosse erlöst und der bedürftige Dürftich wechselt seinen Platz, so dass er die Tür zum Büro seines pAp im Blick hat. Die Zeit vergeht. B. Dürftich wird unfreiwilliger Ohrenzeuge der Unterhaltung zweier weiblicher Wesen. Am Ende des Gangs taucht ein älteres Pärchen auf. Vermutlich türkischer Abkunft. Der Mann studiert nacheinander die Namenschilder an den Türen und klopft dann an eben die Tür, hinter der Dürftichs PAp residiert: grummelndes Geräusch von drinnen. Der Mann öffnet die Tür, fragt etwas und wird offenbar ebenfalls vertröstet, denn das Paar begibt sich nun auch in den "Wartebereich".

Die "10 Minuten" dauern eine gute halbe Stunde, dann wird der bedürftige Dürftich endlich vorgeladen. Ehe sein PAp-Kamerad sich aber mit ihm befasst, sind - telefonisch - noch andere Angelegenheiten zu klären und so erfährt B. Dürftich so allerlei über die draußen auf das Ergebnis dieser Recherchen wartende Bittstellerin. Immerhin: an den Schaltern bei der Anmeldestelle wird stets peinlich auf das Einhalten der sog. "Diskretionszone" geachtet.

Der PAp erklärt dann kurz, dass es im Job-Center zu Umstrukturierungen gekommen sei - sortiert wird nun nicht länger nach Anfangsbuchstaben des Nachnamens, sondern nach Nummern der Bedarfsgemeinschaft, weshalb Dürftich nunmehr "das Vergnügen" habe, mit ihm verkehren zu dürfen - na toll.

  • PAp: "Sie waren bis zum 28.01 in einer MAE?"
  • "Ja."
  • PAp: "Und die ging auch bis zum 28.?"
  • "Ja."
  • PAp: "Dann sind Sie also ab dem 29. arbeitslos .." - hackt auf seiner Tastatur herum - "Was haben sie denn da gemacht in der MAE?"
  • "Wissenschaftliche Mitarbeit, Datenbankeinrichtung, Bibliotheksmanagement, Seminarplanung, Webseitenerstellung ..."
  • PAp: "Ah - dann ist doch das hier bestimmt etwas, für das sie sich eignen!" .. - Liest vor: "Mitarbeiter f. Erfassung/Sortierung Schriftstücke/Dokumente. Vollzeit 38 Stunden. 1.300 Euro brutto"
  • "Sorry - aber das hat doch mit dem, was ich vorher gemacht habe, überhaupt nichts zu tun ..."

Es folgt eine Auseinandersetzung, die hier nicht im Wortlaut wiedergegeben werden kann. Der PAp übersetzt sich Dürftichs Einwand mit "Arbeitsunwilligkeit". Dürftich kritisiert die vollkommen überflüssige "Argumentation", dass dieser Job "aufgrund" zuvor ausgeübter Tätigkeiten für ihn in Frage komme, den könne schließlich jeder machen, ebenso wie Steine zählen (oder Dönerbuden). Er wisse, dass man ihm hier jeden Mist aufdrücken könne, was da dann diese scheinheilige Bezugnahme auf seine bisherige Tätigkeit solle? Natürlich könne er - Dürftich - diesen Job machen, das könne aber auch der PAp selbst oder dessen Vorgesetzter ...

Es ist aber auch zu drollig: wer sich überhaupt für irgendetwas qualifiziert hat, der ist natürlich auch für jeden Job der keinerlei Qualifikation voraussetzt automatisch qualifiziert.

Der PAp kriegt sich wieder ein und camoufliert seine Lust am Drangsalieren notdürftig hinter einer Maske von Wohlwollen und Hilfsbereitschaft, quasselt von "Hilfsangeboten" usw., schließlich sei das eine "gutbezahlte Tätigkeit", die er Dürftich da habe anbieten wollen und damit wäre Dürftich ja immerhin raus aus der Bedürftigkeit ...

  • PAp: "Sie sind schon 52?"
  • "Ja." - denkt: 'Dass der das auch schon gemerkt hat ..'
  • PAp: "Ja - da hätte ich eine Maßnahme für über 50 jährige .. blablubb... Pilotprojekt blahuba .."

"Pilotprojekt", d.h. auf Deutsch: keiner hat'n Plan und alles weitere wird sich finden, Hauptsache der Träger kommt auf seine Kosten. Dürftig kennt das: Man unterschreibt z.B. die Verpflichtung, brav am "Unterricht nach Lehrplan" teilzunehmen und erfährt dann, dass es gar keinen Lehrplan gibt - Pilotprojekt eben. Und dann besteht so ein Projekt am Ende zu mindestens 50% aus Bewerbungstraining, selbstverständlich mit dauernd wechselnden Dozenten, die unterschiedlichste und sich teilweise komplett widersprechende Patentrezepte für die erfolgreiche Bewerbung offerieren ...

Dürftich lässt sich das Projekt aufdrücken und bekommt als Dreingabe und zum Zeichen, dass man auch wirklich gewillt ist, ihn nach besten Kräften zu "fördern", auch noch ein "Networking"-(Pilot)Projekt verordnet, bei dem er zusätzlich alle 14 Tage abends zu erscheinen hat. Das kann ja heiter werden.

t.b.c.


1 Kommentare:

Anonym,  15. Januar 2009 um 23:43  

Zunächst sei angemerkt: 1300 Brutto für Vollzeit ist eine Unverschämtheit. Josef K. hat dafür in 2002 und 2003 noch 2850.-- Euro bekommen.
Und ansonsten drückt Dein Bericht die ganze Absurdität der ARGEN aus.
Erinnert mich die Tätigkeit von Melvilles Bartleby, der schließlich infolge der Sinnlosigkeit seines Tuns immer sagte: I should prefer not to. Ich möchte lieber nicht.

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