Samstag, 23. Mai 2009

Stasi-Spitzel Kurras: Die ganze Wahrheit?

Kaum ist diese merkwürdige Kampagne "Stasi-Agent Kurras hat Benno Ohnesorg erschossen" ein paar Stunden alt, da zeigt sie auch schon die (beabsichtigte?) Wirkung. Der Polizist, der Benno Ohnesorg erschoss, ist praktisch nur noch Stasi-Spitzel und damit (selber) ein "Linker". Das zeigen ja schließlich die Akten - die so gut wie niemand außer ihren "Enthüllern" bislang gesehen hat - und die Photos von Kurras' SED-Mitgliedsausweis, die in praktisch keinem Artikel zum Thema fehlen dürfen. Es scheint nun wirklich keine Frage mehr offen zu sein. Endlich, so meint man offenbar, ist die volle Wahrheit an den Tag gekommen. Der Mann der Ohnesorg erschoss, war ein Stasi-Spitzel und zwar vor allem und zuerst, und - okay - dann auch Polizist (ein bisschen), aber das spielt ja jetzt eigentlich gar keine Rolle mehr, nicht wahr? Und da es reichlich Zeitgenossen gibt, denen diese (neue) Wahrheit, so wie sie sich jetzt darstellt (oder darstellen lässt) vortrefflich in den Kram passt, soll dies dann wohl eben auch die ganze und vollständige Wahrheit gewesen sein. Was mich angeht, so denke ich freilich, dass durch diese "neuesten Erkenntnisse" herzlich wenig klarer ist als vorher und eben keineswegs alle Fragen beantwortet, sondern - ganz im Gegenteil - die wirklich brisanten Fragen wohl gerade jetzt erst (erneut) zu stellen sind. Es ist doch schon ein wenig sehr schlicht, diese seit je ziemlich zwielichtige Gestalt namens Karl-Heinz Kurras nun einfach um 180 Grad zu drehen, und das Ergebnis dieser Wende dann für eine erschöpfende Erkenntnis zu halten. Auch wenn es manchem offensichtlich wie Oel runtergeht, dass er nun krakeelen darf, nicht etwa ein fanatischer Antikommunist, sondern im Gegenteil: ein "überzeugter Kommunist" habe Ohnesorg erschossen - ahm nein: ermordet, denn nun, wo es sich beim Täter ja nicht länger um einen "Gleichgesinnten" handelt, muss man auch nichts mehr beschönigen.

Aber was für ein Mensch war bzw. ist denn dieser Karl-Heinz Kurras überhaupt? Gibt es überhaupt Gründe, ihm dieses oder jenes Etikett zu verpassen und wenn ja - welche?

Schauen wir zunächst mal, was sich bei Wikipedia zu seiner Biographie findet:
Karl-Heinz Kurras wurde als Sohn eines Polizeibeamten in Ostpreußen geboren. Im Alter von fünf Jahren wurde er eingeschult und besuchte später die Oberschule. Als er sich 1944 als Freiwilliger zum Kriegsdienst meldete, erhielt er ein Notabitur. Nach Kriegsende kam er nach Berlin. 1946 wurde er zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Nach dreijähriger Haft in Sachsenhausen wurde er 1949 begnadigt und daraufhin in den Dienst der Westberliner Polizei gestellt. [1] Im März 1950 war er als Polizeimeister in Berlin-Charlottenburg tätig und versuchte 1955 in Ost-Berlin für die Deutsche Volkspolizei tätig zu sein. Nach einer "gründlichen Aussprache" wurde Kurras zum Verbleib bei der West-Berliner Polizei überzeugt. 1960 wechselte Kurras zur Kriminalpolizei. Seit Januar 1965 gehörte Kurras eine Sonderermittlungsgruppe an, die sich mit der "Suche nach Verrätern in den eigenen Reihen" befasste.[2] Ebenso wurde Kurras zu einem Mitglied der Abteilung I für Staatsschutz in West-Berlin. Er galt als guter Schütze seiner Einheit und als "Waffennarr". [3] Kurras lebt heute in Berlin-Spandau.

In der Welt hingegen wird behauptet, Kurras habe sich schon 1950 bei der DDR-Polente beworben, sei aber bei der Aufnahmeprüfung durchgefallen:

Nach Müller-Enbergs Recherchen bewarb sich Kurras 1950 bei der DDR-Volkspolizei, sei allerdings durch die Aufnahmeprüfung gefallen. Nur deshalb habe er dann für die West-Berliner Polizei gearbeitet. Seine Weltanschauung habe er aber nicht geändert. Rätselhaft ist am Lebenslauf von Kurras, dass er von 1946 bis 1950 im sowjetischen Speziallager Sachsenhausen eingesessen hatte. Illegaler Waffenbesitz hatte ihn dorthin gebracht. Gewöhnlich waren entlassene Häftlinge aus den Internierungslagern von jeder Begeisterung für den Sozialismus stalinistischer Prägung kuriert. Bei Kurras traf das offenbar nicht zu.
Für die Verurteilung werden unterschiedliche Gründe angegeben. Mal heißt es, (wie auch die Welt berichtet), er sei verurteilt worden, weil er nach Kriegsende eine Waffe nicht abgegeben habe, mal, man habe ihn wegen politischer Aktivitäten (als Wahlkämpfer) verurteilt und erst 1955 solle er dann versucht haben, bei der Volkspolizei in der DDR anzuheuern, wo man ihn aber als Polizisten nicht haben wollte, sondern ihn stattdessen eben als IM einsetzte.

Über "seine Weltanschauung", die Kurras angeblich "nicht geändert" hat, lässt sich ehrlicherweise nur spekulieren. Vielleicht stimmt dieser Satz (Zitat oben) sogar, und zwar insofern, als Kurras womöglich immer diejenige "Weltanschauung" beibehalten hat, die ihn motivierte, mit 17 Jahren, 1944, als der Krieg faktisch laengst verloren war, freiwillig in Hitlers Wehrmacht einzutreten. Seine Versuche sowohl in West wie in Ost in den Polizeidienst augenommen zu werden sind womöglich sehr viel weniger einer bestimmten politischen Weltanschauung geschuldet als vielmehr - in Anbetracht dessen, was über doch sein recht "inniges" Verhältnis zum "Schießsport" bekannt wurde - dem ausgeprägten Wunsch, eine tödliche Schusswaffe (legal) zu besitzen und bei sich zu führen, wenn nicht sogar dem heimlichen Verlangen diese Waffe auch einmal im "Ernstfall" einsetzen zu dürfen (bzw. sogar zu müssen). Darauf verweist m. E. recht deutlich der Umstand, dass Kurras hinsichtlich der Tötung Ohnesorgs offenbar nie ein Zeichen der Reue oder des Bedauerns zeigte, sondern vielmehr der verpassten Gelegenheit, bei der er hätte noch exzessiver "ballern" können, nachtrauerte:

"Fehler? Ich hätte hinhalten sollen, dass die Fetzen geflogen wären, nicht nur ein Mal; fünf, sechs Mal hätte ich hinhalten sollen. Wer mich angreift, wird vernichtet. Aus. Feierabend. So iss das zu sehen." (Stern)


Dass Kurras (hinsichtlich seiner vorgeblichen "Liebe" zur DDR) tatsächlich ein "Überzeugungstäter" gewesen sein sollte, scheint mir dagegen wenig plausibel zu sein. Eher würde ich eher vermuten, dass die Stasi entweder etwas über Kurras wusste, mit dem sie ihn erpressen konnte oder aber, dass Kurras womöglich im Auftrag anderer Dienste überhaupt erst als IM angeheuert hat. Ein Verdacht, den offenbar auch seine Chefs bei der Stasi hegten:

In der Akte finden sich keine Hinweise darauf, dass Kurras Ohnesorg im Auftrag der Stasi erschoss, um Westberlin zu destabilisieren. Im Gegenteil: In Kurras SED-Parteibuch wurden nach dem 2. Juni 1967 keine Marken mehr geklebt. Die Stasi habe am 8. und 9. Juni geprüft, ob Kurras ein Doppelagent sei. Offenbar konnte sich die Stasi Kurras Schuss auf Ohnesorg nur erklären, indem sie ihn als U-Boot verdächtigte.(taz)
Als weitere Möglichkeiten bleiben schlichte Geldgeilheit und /oder die Möglichkeit, sich so (nebenbei) seine Lieblingsbeschäftigung ("Ballern wie die Blöden") auf vergleichsweise angenehme Weise zu finanzieren. Vielleicht gab ihm seine Doppelrolle (und das damit verbundene Bewusstsein mehr zu sein als zu scheinen) auch einen besonderen "Kick". Was immer ihn bewogen haben mag und was immer er wirklich für eine Rolle gespielt hat - von ihm selbst wird man es ganz sicherlich nicht erfahren, denn gleichgültig was er dazu zum Besten gibt, es gibt keinen Anlass ihm (noch) irgendetwas zu glauben, das nicht zugleich auch von anderer Seite ("objektiv")zu belegen ist.

Nachdenklich stimmt mich auch, dass die Stasi-Akte des Kurras dessen Original SED-Mitgliedsbuch enthalten haben soll. Warum? Damit es seine Kollegen (West) nicht "aus Versehen" bei ihm finden können? - Oder eher, um gegebenenfalls ein zusätzliches Druckmittel gegen ihn in der Hand zu haben? Jedenfalls scheint es mir keineswegs unvorstellbar, dass man Karl-Heinz Kurras womöglich (mit "freundlichem" Nachdruck) genötigt hat in die Partei einzutreten; "Wenn Du nicht spurst 'Genosse', dann geht das Ding postwendend an Deine Dienststelle West. Also mach ja keine Zicken." Dass Kurras so blöde gewesen sein sollte, das Ding freiwillig und aus freien Stücken der Stasi zu überlassen (vorausgesetzt es ist tatsächlich "echt", immerhin sieht es - soweit ich es beurteilen kann - auf den Fotos aus, als käme es frisch aus der Druckerpresse), mag ich jedenfalls nicht so recht glauben. Vielmehr neige ich dazu, diesen Umstand als ein Indiz dafür sehen, dass die Firma "Horch und Guck" dem lieben und angeblich ach so überzeugten Kollegen 'Genossen', wohl doch nicht so recht über den Weg getraut haben wird. Auch, dass Kurras seit 1965 einer Sonderermittlungsgruppe, die sich mit der "Suche nach Verrätern in den eigenen Reihen" befasste und der Abteilung I für Staatsschutz in West-Berlin angehört haben soll, wirft doch geradezu zwingend die Frage auf, wie es denn wohl um die Kontrolle dieser Kontrolleure bestellt gewesen sein mag. Ein so hohes Tier, dass man ihn nach Gutdünken hätte schalten und walten lassen, scheint Kurras ja nun auch wieder nicht gewesen zu sein. Vielleicht sollte man sich also endlich auch mal bei BND, CIA, Verfassungsschutz usw. nach einer "Akte Kurras" umsehen?

In eher (neo-)konservativen und weiter rechten Kreisen meint man nun offensichtlich - das zeigen zahlreiche Kommentare zu Artikeln, sowie in diversen entsprechend ausgerichteten blogs und Foren zu denen ich hier "keinen Link habe" (© by feynsinn) - triumphieren zu dürfen. Allein, dazu besteht doch wenig Anlass. Nicht die (westdeutsche) Linke ist durch diese "neuen Erkenntnisse" blamiert, sondern (nun erst recht) die Berliner Polizei und der westdeutsche bzw. Westberliner Justizapparat, nebst all seinen "Abwehrdiensten". Entweder hatte man bei der Westberliner Polizei geradezu erschreckend niedrige Ansprüche an die Qualitaet des Personals - immerhin soll Kurras ja nicht einmal die Aufnahmeprüfung bei der VoPo bestanden haben - oder aber man hatte gute Gründe, den Mann nicht nur einzustellen, sondern auch noch ziemlich schnell in eine ziemlich brisante Position zu befördern.

Schlussendlich aber kann man es drehen und wenden wie man will: Benno Ohnesorg wurde nicht erschossen, weil Kurras ein IM und Mitglied der SED war (vorausgesetzt, dass das stimmt), sondern, weil er als Angehöriger der (West-)Berliner Polizei (und womöglich weiterer "Dienste"?) an jenem Tag und Ort im Einsatz war. Dafür, dass Kurras Ohnesorg im Auftrag der Stasi (als als IM) erschossen haben könnte, (eine These,an der man sich in oben erwähnten, hier nicht verlinkten Kreisen ausgiebig delektiert) spricht nach Aussage von Müller-Embergs nichts. Die Frage aber, ob Kurras (und seine Kollegen) evtl. von anderer Seite angehalten worden sein könnten, die Situation möglichst stark "anzuheizen", und Kurras diese Gelegenheit dann "nach besten Kräften" (und dazu in seinem ureigenen Sinne) beim Schopf ergriff, bleibt jedoch weiter offen.

Auch eine andere (geänderte) Wahrheit ist noch nicht die ganze Wahrheit.

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Freitag, 22. Mai 2009

Benno Ohnesorg wurde von einem Arschloch erschossen

Aber das zu berichten ist - schon, weil sich das sowieso jeder denken kann - nicht ausreichend, jedenfalls nicht für eine Meldung, mit deren Hilfe sich Auflage und Klickrate auch 42 Jahre nach der Tat noch einmal verlässlich steigern lassen soll. Und außerdem schimpft man einen deutschen Polizisten nicht ungestraft Arschloch. Da ist es dann doch höchst willkommen, wenn man das Arschloch als (ehemaligen) Stasi-Spitzel outen kann (Zumal es sich beim Zweiten mehrheitlich ohnedies bloß um eine Untermenge des Ersten handeln dürfte). - Sorry - als mutmaßlichen Mitarbeiter des MfS natürlich.

Dazu zunächst ein paar Headlines vom Tage:

Ohnesorgs Todesschütze war IM

Der frühere Polizeibeamte Karl-Heinz Kurras, der am 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschoss, soll unter dem Decknamen "Otto Bohl" jahrelang für die Stasi gearbeitet haben. (Tagesspiegel)
Benno Ohnesorg wurde von Stasi-Spitzel getötet

2. Juni 1967. Benno Ohnesorg liegt sterbend am Straßenrand in Berlin. Die Studentin Friederike Dollinger kümmert sich um den jungen Mann. Er wurde von Karl-Heinz Kurras erschossen - über den jetzt bekannt wurde, dass er Stasi-Mann gewesen sein soll... (Welt)
Ohnesorg von Stasi-Spitzel erschossen

– unbekannt war bis heute, dass der Polizist Karl-Heinz Kurras offenbar ein Stasi-Mitarbeiter war. Kurras, der Ohnesorg unter bis heute ungeklärten Umständen getötet hat, sei ein Stasi-Spion und Mitglied der SED gewesen ist [! man würdige diese geradezu revolutionäre Grammatik: der konjunktivistische Indikativ], berichten das ZDF und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ unter Berufung auf Erkenntnisse der Birthler-Behörde. (OP-online.de)

Die Süddeutsche verwendet für ihre Headline immerhin Anführungszeichen, kennzeichnet sie dergestalt also als Zitat - ohne freilich zu verraten wer hier zitiert wird - und relativiert dann auch und zwar im anspruchsvollen Zick-Zack Verfahren:

"Ohnesorg von Stasi-Spitzel erschossen"

Neue Erkenntnisse im Fall Benno Ohnesorg: Der Polizist, der den Studenten 1967 ermordete, soll nach Medienberichten Stasi-Spitzel und SED-Mitglied gewesen sein.

Der Student Benno Ohnesorg ist 1967 in Berlin offenbar von einem Stasi-Mitarbeiter erschossen worden. Der West-Berliner Polizist Karl-Heinz Kurras, der den Studenten unter bis heute ungeklärten Umständen getötet hat, sei ein Stasi-Spion und Mitglied der SED gewesen ist, berichten das ZDF und die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter Berufung auf Erkenntnisse der Birthler-Behörde.

Die FAZ, auf die sich die Süddeutsche als Quelle beruft, relativiert freilich nicht:

Stasi-Mitarbeiter erschoss Benno Ohnesorg

Der Polizist Karl-Heinz Kurras, der am 2. Juni 1967 den Studenten Benno Ohnesorg aus nächster Nähe erschoss, war Mitglied der SED und Inoffizieller Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS).


Dass BILD ebenfalls nicht relativiert, versteht sich wohl von selbst:

Stasi-Spion erschoss Benno Ohnesorg

Der Berliner Kriminalobermeister Karl-Heinz Kurras (heute 81), der den Studenten während einer Demonstration beim Schah-Besuch am 2. Juni 1967 erschossen hatte – ein Stasi-Spitzel.


Bereits vor zwei Jahren äußerte sich das mutmaßliche Arschloch Kurras gegenüber dem Stern übrigens wie folgt:
Heutige Polizisten würden viel zu selten von der Schusswaffe Gebrauch machen. Er könne vielleicht einen Schlag abbekommen, aber keinen zweiten. "Dann ist der Junge aber vom Fenster. Fehler? Ich hätte hinhalten sollen, dass die Fetzen geflogen wären, nicht nur ein Mal; fünf, sechs Mal hätte ich hinhalten sollen. Wer mich angreift, wird vernichtet. Aus. Feierabend. So iss das zu sehen."
Im selben Artikel ist zuvor noch zu lesen:
Der Rücken Ohnesorgs, das habe Kurras selbst gesehen, sei voller Striemen gewesen, und er schließt daraus noch heute: "Das muss ja ein ganz Schlimmer gewesen sein." Richter Geus hielt in seinem Kurras freisprechenden Urteil fest: "Es besteht leider der dringende Verdacht, dass auf Ohnesorg auch dann noch eingeschlagen wurde, als er tödlich getroffen bereits am Boden lag."
Was mich befürchten lässt: Ein Arschloch kommt selten allein; und: Pack verträgt sich und dann schlägt's Dich.

Nachbemerkung:

Beim Tagesspiegel findet sich unter anderem folgender Leserkommentar:

die ohnehin schmuddelige Geschichte der 68er muss neu geschrieben werden

Aber gewiss doch. Man wird - vermutlich mit großer Genugtuung - in diesem Zusammenhang nunmehr überall in den Geschichtsbüchern das Wort "Polizist" schleunigst durch "Stasi-Agent" ersetzen und selbst noch der bravste und untertänigste Leser wird bei der Lektüre dieser Schriften fortan ungestraft und ohne Gewissensbisse lauthals "So ein Arschloch!" ausrufen dürfen. Schöne heile Welt.

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Dienstag, 19. Mai 2009

Selten dämlich ...

... ist der "Kommentar" zum Armutsatlas von Nikolaus Blome in der BILD .

Blome behauptet, die Berechnung sei ein "Taschenspielertrick" und "beweist" das wie folgt:
Kommen morgen tausend neue Millionäre nach Deutschland, steigt das Durchschnittseinkommen – und wir haben rechnerisch, oh Schreck, noch „mehr Arme“, die darunter liegen. Verlassen tausend Millionäre das Land, sinkt plötzlich auch die Zahl der „Armen“.


Lieber Herr Blome,

wenn "morgen tausend neue Millionäre nach Deutschland" kommen, so steigt nicht etwa das Durchschnittseinkommen, sondern (zunächst) nur das Durchschnittsvermögen. Und wenn es richtig wäre, dass Millionäre, die das Land verlassen, die im Lande Bleibenden durch ihren Umzug "reicher" machen, müssten wir uns - angesichts zahlreicher vorbildlicher Großverdiener wie etwa den Ex-Sportskanonen Schuhmacher und Beckenbauer oder dem Milchmogul Müller - ja jetzt schon vor Reichtum kaum retten können.
Die Unterschiede in Deutschland haben viele Wurzeln, manche reichen Jahrhunderte zurück.

Daran ändert auch keine Statistik etwas, die Armut wahllos definiert, um Gleichmacherei zu rechtfertigen.
Welch grandiose Analyse. Zu dumm nur, dass es bei sich bei dem vorgelegten Armutsatlas nicht um ein Geschichtswerk, sondern um eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Lage handelt. Und immerhin: dem Atlas liegt eine hinreichend genau benannte Definition von Armut zu Grunde. Eine Definition, die Sie offensichtlich für überflüssig halten, denn eine Alternative bieten sie nicht an. Da fragt sich freilich wie Sie - ohne Definition - Ihre Bemerkung, dass Bayern "[v]or Jahrzehnten fast noch ein Agrar-Armenhaus" gewesen sei, belegen wollen. Muss man nicht definieren, meinen Sie? Das sei doch offensichtlich so gewesen? - Ah ja.

Bleibt noch anzumerken, dass man Menschen, die - wie Sie es in Ihrem Schlusssatz tun - etwa ins Haus stehende Maßnahmen zur Armutsbekämpfung implizit als "Gleichmacherei" denunzieren, eigentlich empfehlen möchte, sich am besten selbst gleich davon zu machen. Die Schweiz ist ja nicht weit. Und mit jedem Dummbeutel der dieses Land verlässt, nimmt - Ihrer Logik folgend - auf jeden Fall ja wenigstens die geistige Armut entsprechend ab.

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Sonntag, 17. Mai 2009

Ein Bild zur Krise

Von berlin by bike

und weitere Bilder vom Tage:

Von berlin by bike

Von berlin by bike


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Dienstag, 5. Mai 2009

the empire links back


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Und zwar u.a. hierher: Heuchelei des Tages: Geld macht nicht glücklich.


Mehr dazu bei Carl.

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Sonntag, 3. Mai 2009

Zeichen der Zeit

Dass das Feld für den weiteren Abbau des Sozialstaates allmählich bereitet wird, ist unübersehbar. BILD bedient sich in gewohnter Manier "nützlicher Idioten" unter den Betroffenen um zu zeigen, dass es denen schon nicht allzusehr weh tun wird, wenn sie künftig ein paar Euro weniger vom "Steuerzahler" bekommen werden; Maybritt Illner führt uns in Einspielfilmchen Milliardäre vor, die durch die Wirtschaftskrise um je eine bis X Milliarden Euro "ärmer" geworden sind, also praktisch jetzt schon kurz vor dem sozialen Kollaps stehen und nicht weiter geschröpft werden dürfen und eine weitere Steilvorlage liefert, wie rbb INFOradio heute meldete und wie es inzwischen auch hier nachzulesen ist, der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Hans-Jürgen Papier.

Neben der Dringlichkeit, dass die große Koalition angesichts der Rekordverschuldung des Bundes ein Gesetz zu einer scharfen Schuldenbegrenzung noch vor der Bundestagswahl verabschieden müsse,
sieht Papier die Notwendigkeit, den Sozialstaat an die finanziellen Gegebenheiten anzupassen. «Der Sozialstaat muss bezahlbar bleiben. Deswegen steht er nach meiner Überzeugung vor einer schwierigen Anpassung. Doch die ist nötig, wenn wir den Sozialstaat dauerhaft erhalten wollen», sagte er.
Womöglich bedauert er dabei insgeheim noch, dass eventuellen Sparpotentialen hier womöglich doch recht enge Grenzen gesetzt sein könnten, denn zum einen - so zu lesen bei BILD - sieht er zwar keine sozialen Unruhen auf Deutschland zukommen, denn
"Deutschland ist gerüstet, um Krisen zu bewältigen und die angesprochenen Bedrohungsszenarien auszuschließen."
Der (html-) Seitentitel des Artikels lautet übrigens: "Präsident des Bundesverfassungsgerichts Papier: Deutschland für soziale Unruhen gut gerüstet - Bild.de". Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Zum anderen aber
[...] warnte Papier angesichts der Wirtschaftskrise vor der Gefahr, dass bei ausbleibendem Wohlstand die Akzeptanz von Demokratie und Rechtsstaat in Deutschland schwinden könnte. "Leider ist die Akzeptanz unseres politisch-demokratischen Systems - und zwar in Ost und West - auch verbunden mit dem individuellen Wohlstand[...]. Ich hoffe aber, dass es demnächst nicht nur wirtschaftlich wieder bergauf geht, sondern dass wir auch diese Bürgertugenden wieder stärker betonen - in Ost und West."
Damit wären dann nicht nur die Kosten der wirtschaftlichen Krise, sondern zugleich auch der Schwarze Peter für eventuell noch ins Haus stehende soziale und politische Krisen vorsorglich nach unten durchgereicht.

Parallel dazu zeigt uns Martin S. Lambek, wo aber auf gar keinen Fall gespart werden darf und fordert vorsorglich mehr Unterstützung für die Polizei.
Wer einen handlungsfähigen Staat will, der die Sicherheit seiner Bürger garantieren kann, der muss jetzt trotz der Krise Geld für die Polizei ausgeben.

Sicher ist sicher.


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Freitag, 1. Mai 2009

Alles Lüge?

Gestern habe ich im Anschluss an das Halbfinale im UEFA-Cup (Ja - ich gestehe es, bei solchen Gelegenheiten schrecke selbst ich nicht vor der Berieselung durch Privatsender zurück.) kurz aufs ZDF zu Maybritt Illner umgeschaltet. Gast in der Sendung war der Bielefelder Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser, der zur Zeit ein gefragter Mann zu sein scheint - den man gerne nach eventuellen Parallelen zwischen der gegenwärtigen und der Weltwirtschaftskrise von 1929/30 befragt. So z.B. geschehen gestern auf rbb INFOradio oder am 03.03.2009 in der Süddeutschen Zeitung Da dem Mann ohnehin immer die gleichen Fragen gestellt werden auf die er naturgemäß ebenso immergleiche Antworten gibt, wäre dieses Interview eigentlich weder des Zuhörens noch der Erwähnung wert, hätte Abelshauser nicht zum Abschluss noch eine steile These vom Stapel gelassen:

Zum Umfang der Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren (5 Millionen unter rot/grün) und der Aussicht, dass diese Größenordnung in absehbarer Zeit womöglich wieder erreicht werden könnte, bemerkte der gute Professor lapidar:
"Von den 5 Millionen sind ja 3 Millionen gar nicht vermittelbar. Wir hatten also nie mehr als 2 Millionen Arbeitslose!"
Aus dem Gedächtnis zitiert

Mit anderen Worten: Die große Koalition hat es doch glatt geschafft, die Arbeitslosigkeit in Deutschland praktisch auf Null zu senken - oder wie oder was?

Es zeigt sich einmal mehr: Das Beste am Fernsehen ist der Knopf zum Ausschalten.


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Zum 1. Mai: Was ist eigentlich Arbeit?

Eine Frage, die zu wohl zu keinem Tag des Jahres besser passt, als zu diesem, dem sogenannten "Tag der Arbeit. Eine eigene Antwort auf diese Frage möchte ich an dieser Stelle indes (noch) nicht geben. Stattdessen im Folgenden ein Zitat von Bertrand Russell, das ich eigens für dieses Datum "reserviert" habe.

"Zunächst: was ist eigentlich Arbeit? es gibt zweierlei Arten: einmal, Verlagern der Materie auf oder nahe der Erdoberfläche in Bezug auf andere derartige Materien; zweitens, andere Leute anweisen es zu tun. Arbeit der ersten Art ist unangenehm und schlecht bezahlt, der zweiten angenehm und hochbezahlt. Außerdem lässt sich die zweite unbegrenzt erweitern: es gibt nicht nur Leute die befehlen, sondern auch welche die Ratschläge geben, was zu befehlen sei. Gewöhnlich werden zwei gegensätzliche Arten von Ratschlägen von zwei organisierten Gruppen von Menschen gleichzeitig erteilt; das nennt man Politik. Die Befähigung für diese Art von Arbeit braucht nicht auf Kenntnis der Personen, denen der Rat erteilt wird zu beruhen, vielmehr nur auf Beherrschung der Kunst, durch Wort und Schrift zu überzeugen, das heißt, auf Beherrschung der Werbung und Propaganda.

In ganz Europa, wenn auch nicht in Amerika, gibt es noch eine dritte Gesellschaftsklasse, die höher geachtet wird, als beide arbeitenden Klassen. Es sind Menschen, denen ihr Grundbesitz erlaubt, andere Leute für das Vorrecht, existieren und arbeiten zu dürfen zahlen zu lassen. Diese Grundbesitzer tun nichts, und man könnte daher vielleicht annehmen ich würde ihr Loblied singen. Unglücklicherweise wird ihnen ihr Nichtstun nur durch den Fleiß anderer ermöglicht; und tatsächlich ist ihr Streben nach angenehmem Müßiggang der historische Ursprung des ganzen Evangeliums der Arbeit. Und daß andere Menschen ihrem Beispiel folgen könnten, wäre das letzte, was sie sich jemals wünschen würden.
[...]
Dank der modernen Technik brauchte heute Freizeit und Muße, in gewissen Grenzen, nicht mehr das Vorrecht kleiner bevorzugter Gesellschaftsklassen zu sein, könnte vielmehr mit Recht gleichmäßig allen Mitgliedern der Gesellschaft zugute kommen. Die Moral der Arbeit ist eine Sklavenmoral und in der neuzeitlichen Welt bedarf es keiner Sklaverei mehr."

Bertrand Russell. Lob des Müßiggangs. Coron Verlag. Zürich 1970. S.72ff.(Erstveröffentlichung: 1935)


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