Donnerstag, 4. September 2008

Ammenmärchen Arbeitgeberanteil


Gerade läuft im Ersten eine seltsame Show zum Thema "Einbürgerungstest". Nach den ersten paar Fragen hab ich abgeschaltet, immerhin aber eine Inspiration mitgenommen. Gefragt wurden die Kandidaten, wer in Deutschland in die Sozialkassen einzahlt und die "richtige" Antwort lautete: Arbeitnehmer und Arbeitgeber.


Das mag die gängige Lesart sein, trifft aber auf die Fakten in überhaupt nicht zu. Denn wenn tatsächlich der Arbeitgeber in gleicher Weise einen Anteil zahlen würde wie der Arbeitnehmer, dann müsste er diesen Anteil genau genommen - wie es auch beim Arbeitnehmer der Fall ist - aus seinem (eigenen) Einkommen entrichten. Tatsächlich aber wird der sogenannte "Arbeitgeberanteil" aus dem Betriebsergebnis gezahlt und eben nicht aus dem Einkommen des Arbeitgebers. Spitzfindige Geister könnten nun einwenden, dass das egal sei, da das Einkommen des Arbeitgebers ja in jedem Fall durch diese Zahlung geschmälert werde. Dem wäre aber entgegenzusetzen, dass, wer so argumentiert, auch gleich sagen kann, dass die Löhne insgesamt das Einkommen des Arbeitgebers schmälern (wie überhaupt alle betrieblichen Kosten). Und dergestalt zugespitzt lässt sich die ganze Betrachtung noch einmal wenden: denn, wenn die Löhne das Einkommen des Arbeitgebers schmälern (wobei wir mal außer acht lassen, dass er er ohne Lohnzahlungen gar kein Einkommen aus der Arbeit anderer haben würde, es sei denn er hielte sich Sklaven, die sich "nebenbei" irgendwie selbst versorgen), dann zahlt der Arbeitgeber mit dem Lohn auch den Gesamtbetrag der Sozialversicherungsbeiträge und der Lohnabhängige zahlt im Grunde genommen gar nichts.

q.e.d

Wir wissen aber, dass - da die Sklaverei hierzulande offiziell abgeschafft ist - ein Arbeitgebereinkommen ohne Arbeitnehmereinkommen gar nicht zustande kommen kann und bequemen uns deshalb der Sichtweise an, dass sowohl Löhne als auch alle Versicherungsanteile, ebenso wie das Einkommen des Arbeitgebers, aus dem Betriebsergebnis entrichtet werden, das - solange es nicht verteilt ist - eine noch nicht "zugeeignete" Größe darstellt. Ein Teil dieses Ergebnisses fließt in den Betrieb zurück, ein Teil wird für Arbeitskosten in Form von Löhnen und Gehältern aufgewendet (die auch die Sozialversicherungsabgaben in voller Höhe einschließen) und ein Teil fließt dem Arbeitgeber als sein persönliches Einkommen zu - und hier wäre es nun an der Zeit endlich einen realen "Arbeitgeberanteil" einzufordern, was übrigens ein probater Weg sein dürfte, die Quote der - dergestalt zu "Einkommensnebenkosten" gewandelten - leidigen sog. "Lohnnebenkosten" (die eigentlich nur merkwürdig deklarierte Lohnkosten und damit: Einkommenskosten einer Minderheit sind), sehr bald drastisch senken zu können.

19 Kommentare:

Anonym,  5. September 2008 um 09:59  

richtig.

Eindeutiger wirds, wenn man es mal so betrachtet. Es gibt zwei Produktionsfaktoren - Arbeit und Kapital. Beide müssen kombiniert werden, damit man ein Produktionsergebnis erhält.

Und wir haben Kosten für Kranke und Alte, die irgendwie aufgebracht werden müssen. Doch statt beide Produktionsfaktoren gleichmäßig zu belasten, "ist uns demokratisch entschieden worden", lediglich den Faktor Arbeit zu belasten.

Jetzt könnte man wieder sagen - ist doch egal - linke Tasche, rechte Tasche. Ist es aber nicht. Denn die Kombination beider Produktionsfaktoren wird natürlich verzerrt, wenn einer von Abgaben frei ist und der andere mit 40% Abgaben belastet wird.

Viele Grüße
Rudi Blitzableiter

Kurt aka Roger Beathacker 5. September 2008 um 10:31  

Nicht ganz. Das Kapital wird so oder so "belastet" und zwar durch saemtliche "Kosten": allgem. sachliche Betriebskosten (Einrichtung, Material, bestimmte sachbezogene Steuern) und allgem. personelle Betriebskosten (Loehne, Gehaelter, Gewinnabschoepfungen) und da werden zwar Einkommen Loehnen und Gehaeltern (bis zu einem gewissen Grad) durch Sozialabgaben belastet, aber eben nicht die aus Gewinnen erzielten Einkommen. Es zeigt sich: das Sozialsystem ist ein Zweiklassen-System. Darum gings mir.

Anonym,  5. September 2008 um 11:59  

Versteh das grade nicht so wirklich. Der Arbeitgeber ist doch in vielen Fällen überhaupt kein Mensch, sondern eine Firma und hat somit auch gar kein richtiges Einkommen, sondern zahlt das Betriebsergebnis zum Teil an Angestellte, zum Teil an Gesellschafter (was sich nichtmal wiedersprechen muss) aus und investiert davon natürlich auch. Wo taucht denn so ein "Arbeitgebereinkommen" jemals auf? Wie sollte man es denn vernünftig (im Sinne von rechtlich wasserdicht und wirtschaftlich realistisch) berechnen?

Letzten Endes sind Arbeitnehmer und Arbeitgeberanteil Teil des Arbeitslohns. Ob man dazwischen trennt oder nicht und wie streng man das macht, macht die Sache doch auch nicht sozialer.

Kurt aka Roger Beathacker 5. September 2008 um 12:13  

Sieh es mal so: das, was Du "Firma" nennst ist der Einkommensgenerator. Die einen erzielen ein Einkommen aus ihren Besitzanteilen und Stehen "hinter" der Firma, die anderen erzielen ein Einkommen aus ihrer Arbeit und sind in der Firma. Und der springende Punkt ist, warum wird das erarbeitete Einkommen mit Sozialabgaben belastet, das gewonnene aber nicht?

Gerecht scheint mir das nicht zu sein.

Anonym,  5. September 2008 um 13:31  

Okay, das leuchtet ein. Und spricht meines Erachtens für eine Abschaffung der Sozialabgaben.

Anonym,  5. September 2008 um 13:32  

Ist es Deine Forderung die Abgeltungssteuer um einen Anteil für Sozialabgaben zu ergänzen. Erklärungen ohne Forderungen führen zu nix.

Kurt aka Roger Beathacker 5. September 2008 um 13:40  

Was haben Sozialabgaben mit der Abgeltungssteuer zu tun?

Und zu Jan: klar. Dann sei aber auch konsequent und fordere gleich die Abschaffung von Krankenkassen und Altersvorsorge.

Anonym,  5. September 2008 um 18:18  

@ Anonym

Also abgeschaffte Abgaben zu ergänzen, dass ist ja nun Quatschkram und garantiert nicht, was ich gemeint habe. Gegen eine Sozialkasse, die für Rente und Krankenversorgung armer Leute aufkommt, hätte ich auch gar nichts und natürlich kann und muss man die aus Steuergeld finanzieren.

Du kannst "Und spricht meines Erachtens für eine Abschaffung der Sozialabgaben." gerne als Forderung interpretieren, wenn dir das lieber ist.

@ Roger

Wieso? Ohne Krankenkassen gehts nicht und wie soll ich irgendwen daran hindern, für sein Alter vorzusorgen? Die staatlichen Kassen abzuschaffen wäre allerdings, das wird dich nicht verwundern, etwas, mit dem ich ganz gut leben könnte. Beides wird nur noch schlechter und teurer. Insofern hielte sich der Verlust für die Menschheit wohl in Grenzen.

Kurt aka Roger Beathacker 5. September 2008 um 18:44  

Sorry - als Jahrzehntelang Privatversicherter habe ich da allerdings andere Erfahrungen gemacht.

Und ich finde weder die Sozialversicherungen in der bestehenden Form noch ihre gaenzliche Abschaffung wuenschenswert. Eine Sozialversicherung (und fuer mich gehoert die KV dazu), sollte oeffentlich-rechtlich und nicht privat organisiert sein. Oeffentlich- rechtlich bedeutet nicht staatlich. Es kann aber nicht Ziel einer solchen Einrichtung sein Gewinne (zu Gunsten Dritter und nicht etwa der Beitragszahler) zu machen. Jede kommerzielle Versicherung hat aber gerade das zum Ziel. Ihr Zweck kann gar nicht darin bestehen, die optimale Versorgung zu gewaehleisten, sondern maximal wirtschaftlich zu arbeiten und moeglichst hohe Renditen zu erwirtschaften, gute bis sehr gute leistungen kommen dabei bestenfalls als "Abfallprodukt vor und das auch nur wenn sie unumgaenglich erbracht werden muessen. Eine laestige Pflicht und Belastung der Wirtschaflichkeit, die sich (Toalprivatisierung erstmal durchgesetzt) ggf. schnell beseitigen laesst. DAs aergerliche fuer die privaten Versicherer ist doch, dass sie attraktiver sein muessen als die gesetzliche "Konkurrenz" und darum muss die weg.

Anonym,  5. September 2008 um 19:27  

Wieso sollte eine private Kasse zwar die gesetzlichen als Konkurrenz wahrnehmen, ihre privaten Wettbewerber aber nicht? Das leuchtet mir nicht recht ein.

Kurt aka Roger Beathacker 5. September 2008 um 23:38  

Ich habe nicht geschrieben, dass sie ihre private Konkurrenz nicht wahrnehmen muessen - sie nehmen sie aber anders wahr - z.B. auch als ein Objekt kuenftiger Aneignung und/oder Einverleibung. Man muss sich ja nur mal die privatisierte Energiewirtschaft absehen, um ahnen zu koennen, was da auf einen zukaeme.

Anonym,  6. September 2008 um 19:35  

Das ist ein schlechter Vergleich. Der administrative Aufwand zum Betrieb eines Atomkraftwerkes ist doch schon von Haus aus eindeutig größer als der einer Versicherung.

Die Verhältnisse auf dem Energiemarkt sind ja auch nicht das Produkt von Marktwirtschaft, sondern der vorherigen, stark staatlich geprägten Strukturen. Bei der Privatisierung sind dann auch noch dumme Fehler gemacht worden.

Aber all das sind völlig andere Voraussetzungen als bei Krankenversicherungen und wenn die Folgen wirklich derart fatal wären, wie du meinst, dann verstehe ich nicht, wieso z.B. eine staatliche KFZ-Versicherung bisher auch nicht für nötig gehalten wird. Dort scheint der Markt ja zu funktionieren.

Kurt aka Roger Beathacker 6. September 2008 um 23:49  

Auch da muss man sich eigentlich fragen, warum man Menschen politisch zwingt (es handelt sich ja um eine Pflichtversicherung), sich, bzw. ihr Eigentum, bei privaten (profitorientierten Unternehmen zu versichern, findest Du nicht?


Immerhin - hier profitiert die vielgepriesene Marktwirtschaft mal (wieder) von politischen Vorgaben. Zufrieden damit?

Anonym,  7. September 2008 um 04:22  

Nö, nicht zufrieden. Der Zwang gehört selbstverständlich abgeschafft.

Anonym,  7. September 2008 um 04:37  

Klar, die armen sollen gefälligst nicht krankenversichert sein, sondern einfach abkratzen!

Anonym,  7. September 2008 um 12:00  

"Und ich finde weder die Sozialversicherungen in der bestehenden Form noch ihre gaenzliche Abschaffung wuenschenswert."

Ich letzteres schon. Was hindert eine Gesellschaft, die so unermesslich reich ist, dass sie ua millionenfach Menschen gar nicht mehr 'beschäftigen' will, eigentlich daran, diese Dienste einfach zur Verfügung zu stellen? Ist nicht schon die 'Notwendigkeit' sogenannter 'Sozialversicherungen' die offensichtlichste Bankrotterklärung dieser Wirtschaftsverfassung?

Kurt aka Roger Beathacker 7. September 2008 um 12:35  

Egal wie eine Gesellschaft strukturiert ist, was spricht denn gegen einen gemeinsamen Fond zur Risikoabsicherung? Ob man einen solchen Fond nun unbedingt "Sozialversicherung" nennen muss, sei dahingestellt - von mir aus koennte es z.B. auch "Grundsicherungssystem" genannt werden.

Klar ist aber, dass so eine Rueckversicherung, oeffentlich und demokratisch zu verwalten ist und nicht etwa in den Dienst partikulaerer, privater Profitinteressen gestellt werden darf und dass ausnahmslos alle Mitglieder einer Gesellschaft ihren Teil - nach ihren Moeglichkeiten - dazu beitragen sollten.

Anonym,  7. September 2008 um 16:45  

"Egal wie eine Gesellschaft strukturiert ist, was spricht denn gegen einen gemeinsamen Fond zur Risikoabsicherung?"

Gegen eine gemeinsame Risikoabsicherung spricht selbstverständlich gar nichts, ganz im Gegenteil. Problematisch finde ich nur, wenn dabei quasi automatisch wieder nur einen 'Fond' gedacht wird. Ich glaube, dass man das 'monetäre Denken' wo es geht und zuallererst bei sich selbst zurückdrängen und durch ein Denken in stofflichen Ressourcen ersetzen sollte.

"Klar ist aber, dass so eine Rueckversicherung, oeffentlich und demokratisch zu verwalten ist und nicht etwa in den Dienst partikulaerer, privater Profitinteressen gestellt werden darf und dass ausnahmslos alle Mitglieder einer Gesellschaft ihren Teil - nach ihren Moeglichkeiten - dazu beitragen sollten."

Warum wieder nur die Rückversicherung? Soll man dieses Prinzip nicht für die gesamte Gesellschaft einfordern, und damit auch gegen die künstlichen, aber 'aus gutem Grund' vorgenommenen Trennungen - hier 'Wirtschaft' vs 'Sozial' - eintreten? Oder anders ausgedrückt - im Rahmen des Bestehenden ist diese (deine) Forderung natürlich richtig. Aber geht es nicht immer wieder gerade darum, diesen Rahmen in Frage zu stellen?

Anonym,  10. September 2008 um 19:06  

Jan hat gesagt…
"Aber all das sind völlig andere Voraussetzungen als bei Krankenversicherungen und wenn die Folgen wirklich derart fatal wären, wie du meinst, dann verstehe ich nicht, wieso z.B. eine staatliche KFZ-Versicherung bisher auch nicht für nötig gehalten wird."

Weil Gesundheitsversorgung (anders als die Sachversicherung eines KFZs) ein öffentliches Gut ist, dessen Bereitstellung in die Zuständigkeit der öffentlichen Hand gehört. Denn nur so kann sie in ausreichendem Maß auch weniger rentable Leistungen (bspw. die Versorgung von Erkrankten einer selten Krankheit, oder teure Spezialbehandlung auch älterer Kranker, deren Wirtschaftlichkeit aufgrund der zu erwartenden (Rest-)Lebenserwartung aus ökonomischer Sicht in Frage gestellt werden könnte), zur Verfügung stellen.

Zur Kfz-Vers.: Die unterliegt nur als Haft"PFLICHT"versicherung dem Zwang und sichert damit nicht mein, sondern das Eigentum des Unfallgegners (des Geschädigten) ab, worüber ich im Übrigen sehr froh bin, denn ich hätte keine Lust einem mittellosen Unfallgegner wegen meinem Geld hinterherzulaufen, insbesondere, wenn sich der Schaden im Schwerstfall auf Abertausende für teure Krankenhausbehandlung/ Erwerbsminderung etc. belaufen würde.

Zum Gesundheitsfond:
Dagegen spricht nur, dass dies der Einstieg in den Ausstieg aus der Solidargemeinschaft gesetzlicher Krankenversicherung sein kann: Ein Zuviel an staatlichem Einfluß (und den "erwirtschaftet" man sich gerade mit dem Fond) birgt die Gefahr der Einschränkung der Kassenvielfalt bis hin zur Einheitskasse, deren Leistungen dann unter staatlichem (Finanzierungs-)druck auf ein Mindestmaß zu beschränken wären. Grundabsicherung und Mehrleistungen auf privater Basis bedeuten aber die faktische Zweiklassenmedizin...

Grüße
Jana

www.flickr.com


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