Donnerstag, 18. Dezember 2008

Hartz IV: noch ein fragwürdiges Urteil

Update: 20.12.2008, ca. 03:20h


Wie man heute bei BILD.de nachlesen kann, hat das Bundessozialgericht jüngst entschieden, dass die Zahlung von ALG II einzustellen sei, wenn Arbeitslose eine Steuerrückerstattung erhalten. Zur Begründung heißt es, die Rückerstattung sei als Einkommen zu bewerten und könne daher mit dem ALG II verrechnet werden. Erst wenn dieses Geld verbraucht sei, bestehe wieder ein Anspruch auf Hartz IV (BSG, Az.: B 4 AS 48/07 R).

Ich jedenfalls denke, dass man das auch ganz anders sehen kann und sehen sollte. Sicherlich ist eine Steuergutschrift ein Einkommensbestandteil, allerdings zu einem Einkommen gehörend, das zu einer Zeit erarbeitet wurde, in dem die Betreffenden sehr wahrscheinlich kein ALG II erhalten haben. Die zu viel gezahlte Steuer ist, wenn man so will, unfreiwillig und unverzinst angespartes Geld und damit (aktuell) kein Einkommen (mehr), sondern eher ein "Vermögen", und wäre als solches m.E. eigentlich eher einem entsprechenden Sparguthaben gleichzustellen.

Nachtrag (20.12.2008, ca. 03:20)

In einem der Kommentare zu diesem Artikel wies ein Leser darauf hin, dass in der Saarbrücker Zeitung vom 17.11.2008 zu diesem Urteil etwas ganz anderes zu lesen sei. Und tatsächlich lesen wir dort:
Der Fall eines Saarländers, dem die Arbeitsagentur nur gekürzte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gewährt hat, wird zum Musterfall in Sachen Hartz IV. Der Mann hatte gegen die Arge vor dem Sozialgericht des Saarlandes geklagt, weil ihm eine Steuerrückerstattung als Einkommen angerechnet worden war. Dies verringerte die ihm zuerkannte Sozialleistung. Das Sozialgericht war nicht einverstanden. Urteil: Im konkreten Fall sei die Steuererstattung nicht anzurechnen, die Arge müsse die Sozialleistungen ungekürzt an den Arbeitslosen zahlen (AZ.: S 12 AS 336/07).


Weitere Recherche (man beachte die Aktenzeichen) ergab jedoch, dass es sich hier leider um einen anderen Fall handelt; zwar geht es bei beiden Urteilen zwar um einen vergleichbaren Sachverhalt, aber um verschiedene Personen, Bundesländer, Gerichte und Urteile.

Zu dem Urteil des Bundessozialgerichtes, das ursprünglich Gegenstand dieses Beitrags war lässt sich beim Fachportal Sozialrecht folgendes nachlesen.

2. B 4 AS 48/07 R
SG Aachen - S 11 AS 58/06
LSG Nordrhein-Westfalen - L 20 AS 99/06

Auf die Revision der Klägers hat der Senat das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die dem Rechtsstreit zu Grunde liegende materiell-rechtliche Frage der Behandlung einer Einkommensteuerstattung ist geklärt. Bei einer nach Antragstellung im Bedarfszeitraum zugeflossenen Einkommensteuererstattung handelt es sich um berücksichtigungsfähiges Einkommen i.S.d. § 11 SGB II und nicht um Vermögen i.S.d. § 12 SGB II. Die Steuererstattung verändert ihre rechtliche Qualität auch nicht ab dem Folgemonat des Zuflusses und ist auf die bewilligte Leistung umzulegen. Dies hat der 4. Senat in einem Urteil vom 30.9.2008 im Anschluss an die Rechtsprechung des 14. Senats des BSG und des Bundesverwaltungsgerichts zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen entschieden. Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Die Beklagte durfte somit im Grundsatz die Einkommensteuererstattung leistungsmindernd berücksichtigen. Allerdings musste sie dabei die Vorschriften des SGB X beachten und prüfen, ob der Kläger verfahrensrechtlichen Vertrauensschutz genießt. Hierzu fehlen hinreichende Tatsachenfeststellungen. Die vom SG und LSG in Bezug genommenen Verwaltungsakten geben weder hierüber noch über den Zeitpunkt der Absendung oder Bekanntgabe des Bescheides Aufschluss. Nach Zurückverweisung ist daher zu klären, ob der Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes vor, am oder nach dem 6.2.2006, dem Tag der Gutschrift der Steuererstattung, erfolgt ist. Hiervon hängt ab, ob sich die Aufhebung der Bewilligung nach § 48 SGB X oder den strengeren Aufhebungsvoraussetzungen des § 45 SGB X richtet. Hierauf käme es nur dann nicht an, wenn es bei § 45 SGB X ausnahmsweise (wie bei § 48 SGB X) einer Ermessensentscheidung nicht bedurft hätte, weil die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorlagen (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II und § 330 Abs. 2 II SGB III). Das LSG hat bisher keine Tatsachen festgestellt, die den Tatbestand des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X erfüllen könnten, wird aber etwaigem Vorbringen des Klägers hierzu nach Zurückverweisung der Sache nachgehen müssen.

Im Übrigen haben in der Vergangenheit untere Instanzen in solchen Fällen offenbar des öfteren zu Gunsten der Arbeitslosen entschieden, es ist aber wohl zu befürchten, dass es, nach diesem vom Bundessozialgericht gesprochenen Urteil, damit nun ein Ende hat.



5 Kommentare:

Anonym,  18. Dezember 2008 um 14:46  

Ich stimme Dir voll und ganz zu. Als es die Arbeitslosenhilfe noch gab, war das auch so. Steuerrückzahlungen wurden nicht angerechnet. Aber dieses BSG hat nichts mehr mit Logik, Vernunft, Gerechtigkeit zu tun. Es wirkt massiv mit, an der Verwirrungen der Bedeutungen von Begriffen und Sachverhalten. BSG - das ist Klassenjustiz.

Anonym,  20. Dezember 2008 um 02:27  

Steht hier aber ganz anders:

http://www.saarbruecker-zeitung.de/sz-berichte/saarland/aktuell/Saarland-aktuell;art26716,2612505

Anonym,  15. Januar 2009 um 18:56  

Der BGH hat in seinem Urteil vom 21.07.2005 entschieden, dass Einkommensteuererstattungen Vermögen und nicht Einkommen darstellt.

BGH Urteil IX ZR 115/04 vom 21.07.2005
"(...) Im Fall einer Rückerstattung wird aus dem Steueranspruch des Staates der Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen (§ 37 Abs. 2 AO), ohne dabei seinen öffentlich-rechtlichen Charakter zu verlieren. Der an den Steuerpflichtigen zu erstattende Betrag erlangt, auch wenn er wirtschaftlich betrachtet das auf den Veranlagungszeitraum entfallende Einkommen erhöht, nicht wieder den Charakter eines Einkommens (...)"

Kurt aka Roger Beathacker 16. Januar 2009 um 00:25  

Vielen Dank fuer den Hinweis. Soweit ich das recherchieren konnte, ging es in dem Fall freilich um Schuldentilgung/Pfaendung und nicht um eine Verrechnung mit Hartz IV Bezuegen.

Dennoch sollte man annehmen, dass die Lesart "Der an den Steuerpflichtigen zu erstattende Betrag erlangt, auch wenn er wirtschaftlich betrachtet das auf den Veranlagungszeitraum entfallende Einkommen erhöht, nicht wieder den Charakter eines Einkommens (...)" eigentlich allgemeinverbindlichen Charakter haben sollte.

Oder?

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