Jetzt neu bei ALDI: Kommunismus vom Feinsten!
Einen selten dämlichen Artikel mit dem Titel
von Bettina Röhl habe ich vor kurzem bei "Welt Online" gefunden.
Die vollständige "These" von Frau Röhl lautet:
Aber lesen wir weiter:
Zu dumm nur, dass "ALDI" und Konsorten das alles nicht auch auf nachweislich "menschenwürdigem Niveau" produzieren lässt und vertreibt.
Im "sozialistischen Osten" gab es keinen Kommunismus? Folglich kann "der Kommunismus" dort auch keine Versprechungen gebrochen haben - oder?.
Bekanntlich hat Marx überhaupt keine "Rezepturen" geliefert, sondern lediglich Analysen. Dabei hat er auch ziemlich genau beschrieben - wie in der Volkswirtschaft (nach dem Stand der Dinge und der Geschichte) Güter produziert werden.
Zu gerne wüsste ich auch, was die Autorin denn unter dem Mehrwert versteht - bzw. ob sie denn überhaupt einen Begriff dieses doch ziemlich zentralen Begriffes hat. Schon der Bau des Satzes lässt darauf schließen, dass die gute Frau nicht den geringsten Schimmer hat, wovon sie redet. Es ist freilich leicht jemandem Scheitern vorzuwerfen, wenn man meint, seinen Vorwurf nicht weiter begründen zu müssen und damit durchzukommen. Ah - das Scheitern erklärt sich natürlich aus dem Scheitern des sog. "real existierenden Sozialismus" - klar. Die haben sich auf Marx berufen und das ist Beweis genug.
Jeder der etwas produziert, verbraucht zunächst etwas. Und zwar:
1. Roh- und Hilfsstoffe und
2. Arbeitszeit und -kraft.
Und diesen "Verbrauch" erhält er in Form seines "Produktes" zurück. Das Produkt kann dann zunächst hinsichtlich zweier Wertaspekte, aus denen sich dann weitere ergeben, betrachtet werden.
1.Gebrauchswert.
Hat das Produkt einen Gebrauchswert - und wenn ja für wen? Der Gebrauchswert ist rein qualitativer Natur und lässt sich als solcher nicht objektiv messen.
a) Es hat einen Gebrauchswert (ausschließlich) für den Produzenten
b) Es hat einen Gebrauchswert für den Produzenten aber auch für andere, es kann als Ware zum Austausch gegen andere Waren dienen.
c) es hat keinen Gebrauchswert für den Produzenten aber für einen (oder mehrere) andere, es wird von vornherein als Ware produziert.
Im zweiten und dritten Fall hat das Produkt auch einen Tauschwert - ohne aber, dass es einen potentiellen Gebrauchswert hat, hat ein Produkt auch keinen Tauschwert, denn niemand würde es eintauschen wollen. Zwar schreibt Marx:
2.Tauschwert.
Dieses Gemeinsame, die Arbeit ist gewissermaßen das fundierende Element einer jeden Kette von Tauschakten. Durch sie wird das Produkt im eigentlichen Sinne "bezahlt" und erworben. Und aus dieser (grundlegenden) "Zahlung" resultiert dann auch sein ganzer (Tausch-)Wert, soweit sich dieser objektiv (als reelle Äquivalenz) bestimmen lässt. Als Pro-duct, also soweit es Hervorgebrachtes ist, hat es gerade soviel Tauschwert, wie gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit in ihm steckt. Der Mensch tauscht sich in der produktiven Arbeit mit seinem Gegenstand aus - "vergegenständlicht" sich durch seine Arbeit, indem er seine Arbeitskraft auf das Produkt überträgt. In dieser Übertragung liegt dessen "Wert", soweit man einen Wert überhaupt reell messen kann. Die jeweils durchschnittlich erforderliche Arbeitszeit ist zwar vom Stand der Produktionsverhältnisse abhängig und damit eine variable, aber innerhalb bestimmter, gegebener Produktionsverhältnisse eine durchaus feste Größe. Wenn der Schuster den Schuh repariert, dann hat dieser Schuh effektiv einen Wertzuwachs erfahren, da ihm Arbeit zugesetzt wurde. Das Problem ist, dass die durchschnittliche gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit fuer die Fertigung eines Schuhs unter der für die Reparatur erforderlichen liegt. Damit ist der Schuster arbeitsmäßig nicht mehr "gesellschaftsfähig". Das Problem hat aber auch Marx schon erkannt:
Und eben das geschieht mit der Arbeit des von Frau Röhl bemühten Schusters.
Das fundierende und im Grunde ganz einfache Verhältnis geleisteter Arbeit zum durch sie erzeugten Produkt bleibt auch innerhalb komplexer werdender Produktionsverhältnisse bestehen - es ist aber nicht länger ohne weiteres exakt bestimmbar. Ich will versuchen ein Beispiel zu geben: Wenn jemand auf einem niedrigeren Niveau arbeitsteiliger Produktion etwas anfertigt, dann ist das Verhältnis der von ihm geleisteten Arbeit zum Resultat ganz deutlich zu sehen. Nehmen wir an, wir hätten zwei Produzenten die aus selbstgewonnenen Rohstoffen etwas anfertigen, so dass in ihren Produkten am Ende nur ihre je eigene Arbeit sich vergegenständlicht hat; und der eine produziert in 8 Stunden 4 Gegenstände der Kategorie A, während der andere in der gleichen Zeit 16 Gegenstände der Kategorie B herstellt, wobei wir davon ausgehen, dass beide dabei den gesellschaftlich erforderlichen Durchschnitt an Arbeit geleistet haben, dann haben vier Gegenstände der Kategorie B den gleichen Wert wie ein Gegenstand der Kategorie A, denn in beiden steckt das gleiche Quantum an gesellschaftlich notwendiger Arbeit. Sie sind in dieser Beziehung (und nur in dieser) wertäquivalent.
3. Mehrwert.
Der Mehrwert, so wie Marx ihn definiert, entsteht in der Produktion, realisiert sich aber in der Zirkulation. Wie das prinzipiell vor sich geht, will ich an einer Weiterentwicklung des vorstehend gegebenen Beispiels zu zeigen versuchen.
Nehmen wir also an A und B tauschen ihre Waren aus, wobei A 2 seiner 4 Gegenstände liefert und B dafür 4 von seinen hergibt. Dann tauscht sich die in ihnen enthaltene Arbeit im Verhältnis 4 Stunden zu 2 Stunden. Mit anderen Worten: A erhält kein Äquivalent für zwei Arbeitsstunden - er hat diese Arbeit mithin "unbezahlt" verrichtet. B hingegen gewinnt das Äquivalent zweier Arbeitsstunden - er wird mithin zum Eigentümer des Gegenwertes von 8-2+4=10 Arbeitsstunden. Er hat sich 2 Stunden fremder Arbeit angeeignet. Am Gesamtwert der ausgetauschten Produkte hat sich nichts dabei nichts geändert.
Dazu Marx:
4. Profit:
Nehmen wir weiter an, dass B die von A erhaltenen Produkte an C weitergibt, wobei ihm C im Gegenzug den Gegenwert von 3 Arbeitsstunden aushändigt. Dann hat sich bei B der gewonnene Mehrwert zu 50% realisiert, die anderen 50% des Mehrwertes gehen auf C über. (Nur) Das, was vom Mehrwert bei B verbleibt ist dessen Profit. Mehrwert und Profit sind also nicht unbedingt identisch, obwohl Profit immer als Teil des Mehrwerts abfällt und was wichtig ist: der Mehrwert ist von vornherein ein Teil des in der Ware befindlichen Wertes, er wird nicht aus dem Nichts generiert, er entsteht auch nicht durch Übervorteilung des Käufers. Der Käufer einer Ware erhält immer den vollen Wert der Ware, unabhängig davon welchen Preis er zahlt. Offen ist allerdings, ob er dabei für seine eigene Ware den vollen Gegenwert erhält. Das zeigt sich, wenn wir unser Beispiel etwas erweitern.
A und B tauschen äquivalent. D.h. A liefert 2 Gegenstände der Kategorie A und B im Gegenzug 8 Gegenstände der Kategorie B. Es werden also je vier Arbeitsstunden gegeneinander ausgetauscht. Dabei fallen weder Mehrwert noch Profit an. Wenn nun C wieder einen Gegenwert von 3 Arbeitsstunden anbietet, dann fällt C ein Mehrwert von 1 Arbeitsstunde zu. C besitzt jetzt das Produkt von 4 Stunden Arbeit und B das Produkt von 3 Stunden. In diesem Fall hat also B eine Stunde unbezahlter Arbeit verrichtet. B ist aber nicht doof und wendet sich an D, von dem er den Gegenwert von 6 Arbeitsstunden verlangt und diesen auch erhält. Damit hat dann D zwei Stunden unbezahlter Arbeit geleistet und B einen Mehrwert von 2 Arbeitsstunden "erwirtschaftet". D ist also im Besitz des Gegenwertes von 4 Arbeitsstunden obwohl er 6 Stunden "investiert" hat. Und B besitzt nun den Gegenwert von 6 Arbeitsstunden obgleich er dafür nur 4 Stunden Arbeit aufwenden musste. Marx beschreibt das wie folgt:
Solange die Handelspartner Produkte gegen Produkte austauschen sind zwei Aspekte offenbar: beide tauschen ihre in den jeweiligen Produkten "geronnene" menschliche Arbeit gegeneinander aus und beide agieren sowohl als Käufer, wie auch als Verkäufer. Ein Mehrwert bildet sich immer dann, wenn eine Seite an sich einen Überschuss aus fremder Arbeit aneignen kann. Sobald Geld als Tauschmittel ins Spiel kommt verschwindet diese Klarheit, weil das Geld ja nur vermittelnde Funktion hat und somit im Grunde genommen der Tausch Ware <-> Geld nur eine "halbe" Transaktion sichtbar werden lässt, aber gemeinhin für eine ganze genommen wird. Ein vollständiger Austausch endigt aber beidseitig immer in Arbeit. Diese Arbeit muss weder vom Geldbesitzer noch vom Warenbesitzer ganz oder auch nur teilweise selbst geleistet worden sein, u.U. ist auch gar nicht mehr exakt feststellbar, wer sie geleistet hat - aber: sie muss geleistet worden sein oder geleistet werden.
Marx stellt die Tauschverhältnisse in der Geldwirtschaft bekanntlich in der Form W-G-W (Ware-Geld-Ware respektive: G-W-G (Geld-Ware-Geld) dar. Dabei verschwindet leider die Besonderheit des fundierenden Tauschaktes A-P (Arbeit-Produkt), in dem jeder Tauschakt auf jeder Seite irgendwann enden bzw. seinen Ausgang nehmen muss. Ein vollständiger Zyklus würde unter Berücksichtung, dass Arbeit - auch wenn sie als Ware gehandelt wird - eben nicht eine x-beliebige Ware ist, etwa wie folgt aussehen: A-P-W-G-W-P-A, wo bei zwischen A-P und P-A die Beziehung W-G-W n-fach vorkommen kann, also z.B: A-P-W-G-W-G-W-G-W-G-W-P-A. In Wirklichkeit ist das Ganze noch etwas verwickelter, da hier davon abgesehen wurde, den Tauschakt ebenfalls als Arbeit zu kennzeichnen. Sofern der Tauschakt selbst "in Arbeit ausartet", wird dem Produkt durch diese Arbeit selbstverständlich Wert zugesetzt. Man könnte auch sagen: das Produkt verwandelt sich im Zuge des Austausches in ein anderes (neues), insofern als es der materiellen Substanz nach zwar das selbe, aber bezogen auf Raum und Zeit nicht identisch bleibt. Es erfährt mithin eine (wertbildende) Veränderung, die ihm nicht ohne weiteres anzusehen ist, z.B. durch Transport (Raum) und/oder Lagerung, Pflege, Konservierung (Zeit).
Damit sollte klar sein: "die Kommunisten" sind sich durchaus bewusst, dass in einer arbeitsteiligen Gesellschaft ein Austausch von Produkten stattfinden muss und dass einer Ware im Zuge dieses Austausches u.U. Wert zugesetzt wird, der grundsätzlich einen höheren Verkaufspreis rechtfertigt. Da liegt auch gar nicht das Problem. Die Frage ist eben, ob im Zuge der Transaktionen ein Mehrwert abfällt und wenn ja, wie dann mit diesem zu verfahren ist, wem er zufällt bzw. zufallen soll, mit welchem Recht usw. Der Mehrwert fällt nicht wie Manna vom Himmel. sondern erwächst wie gezeigt aus unbezahlter Arbeit. Es ist derjenige Anteil von auf ein Produkt aufgewendeter Tätigkeit, der dem Tätigen nicht ersetzt wird. Unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen wird diese unvergütete Tätigkeit von vornherein verschleiert, denn der Kapitalist kauft ja die gesamte Arbeitskraft des Beschäftigten - zahlt ihm dafür aber nur die zur Fortsetzung seiner Tätigkeit gesellschaftlich notwendigen Reproduktionskosten. Wäre es anders, dann müsste ein Arbeiter von seinem Lohn soviel Produkte kaufen können, wie er seinem Arbeitsanteil nach produziert hat. Auf dieser Basis würde aber kein Händler Gewinne machen - wenngleich selbstverständlich auch die Arbeitszeit der Fabrikanten/Händler usw. wertbildend in das Produkt eingeht und somit auch diese ein Recht auf ein entsprechendes Einkommen aus ihren Tätigkeiten besitzen. Es ist also nicht die Forderung, dass dem Arbeiter das ganze Produkt seiner Tätigkeit gehören müsse, sondern, dass er ein Recht auf seinen vollen Anteil am Gesamtprodukt besitzt. Klar ist auch, dass unter hochkomplexen, arbeitsteiligen Produktionsbedingungen, kaum nocht exakt bestimmbar ist wem jeweils wieviel Mehrwert entzogen wurde, daraus folgt aber nicht automatisch ein ewiges Recht, auf individuelle Aneignung dieses Mehrwerts durch beliebige Dritte. Wenn "gerechte" individuelle Zuweisungen nicht möglich sind, dann ist die gemeinsame Verwaltung der akkumulierten Ueberschüsse zumindest eine diskutable Alternative.
Bezeichnend, dass die Autorin auf jeden Nachweis für ihre "Thesen" Verzicht leistet. Es sollte ihr eigentlich ein leichtes sein, das "schwelgerisch-schwülstig-ideologisch[e]" mit wenigstens einem Zitat zu belegen. Aber dazu müsste sie ja womöglich Marx auch noch lesen - pfui Spinne.
Es würde sich aber auch zeigen, dass zumindest in Bezug auf Marx jede Feindbildthese unzutreffend ist. Er sah klar und deutlich, dass auch der Kapitalist nur in Abhängigkeit der gegebenen Produktionsverhältnisse erscheinen kann - mehr sogar: erscheinen muss. Für Marx ist der Kapitalismus notwendige Bedingung für die Entwicklung einer sozialistischen Gesellschaft. Ob die postkapitalistische Gesellschaft wirklich eine sozialistische oder kommunistische sein wird, mag dahingestellt bleiben, vielleicht wird sie es faktisch sogar auch und dabei einen anderen Namen tragen (müssen), denn die Bezeichnungen Sozialismus/Kommunismus sind als Folge des sogenannten "real existierenden Sozialismus" vermutlich auf lange Sicht "verbrannt". Wer aber glaubt, dass der Kapitalismus nun "das Ende der Geschichte" - das Ziel gesellschaftlichen Wandels schlechthin - sei, der hat in Geschichte ganz offensichtlich gepennt. Auf eine bestimmte Erscheinung folgt immer eine andere, sonst koennte von "folgen" keine Rede sein. Doch in einem möchte ich Frau Röhl zustimmen: die Belege dafür, dass "Aldi, Lidl und co" halten, was Marx versprach, häufen sich. Um das festzustellen muss man nur mal das Personal befragen.
Dazu lesen wir im Kapital: "
Wunderbar! Eigentlich erübrigt sich hier jeder Kommentar. Der Kapitalismus schafft die Arbeit (siehe oben) ab, bzw. reduziert sie und verewigt sie zugleich. Da fehlt nur noch, dass die Heiligen der INSM über das Wasser wandeln. Der Rest ist ähnlich konfus. Ich beschränke mich daher darauf, die markantesten Stellen zu erwähnen:
Wir stellen fest: je radikaler, desto besser ...
... man muss den vollentfalteten Kapitalismus dann nur mit sozialen Forderungen quälen -soso und was, wenn der Kapitalismus das höhere Quälpotential aufweist? Schade auch, dass dem Leser hier vorenthalten wird, wie die erwähnten "Spielregeln" denn konkret beschaffen sein sollen und warum die Autorin glaubt, dass sie beidseitig akzeptiert würden. Zu der restlos überflüssigen und sinnbefreiten Phrase "Das ist das Austarieren des Antagonismus zwischen Kapital und Arbeit oder sagen wir etwas moderner, zwischen Arbeit und Kapital", erübrigt sich von vornherein jeder Kommentar.
Welch wunderbares Konstrukt: "die freie[!] soziale Marktwirtschaft mit menschlichem Antlitz". Dabei versteht sich die "Soziale Marktwirtschaft" im Kern gerade als ein Gegenentwurf zur "freien Marktwirtschaft" - Naja - ich sagte es bereits:
Alles ist Eins!
Anmerkung: Der Autor dieses Beitrags nimmt nicht für sich in Anspruch ein profunder Kenner des Marxschen Oeuvres zu sein. Er hofft dennoch, dass ihm sein in diesem Rahmen - bei aller Länge des Artikels - doch sehr knapp gehaltener Versuch einer Erläuterung Marxscher Grundbegriffe halbwegs gelungen ist und den einen oder anderen Leser vielleicht zu weiterer vertiefender Lektuere animiert. Auch sieht er sich selbst weder als "Marxisten", "Kommunisten, "Sozialisten" oder sonst ein (myst)-istisches Schubladenwesen - schon garnicht, wenngleich er im Laufe seines Lebens auch als solcher zeitweilig (an)gesehen wurde, als Kapitalisten.
;-)
Anmerkung II: Der Artikel wurde mal wieder naechtens verfasst und wird ggf. in einzelnen Punkten noch ueberarbeitet, korrigiert und/oder erweitert.
Anmerkung III: Vielen wird es so gehen wie Carluv, der in seinem Kommentar schrieb: "Außerdem liegen MEW bei mir auch nicht griffbereit." Dem kann abgeholfen werden: MEW-Online. (Ab sofort auch unter "Sonstiges" in der Linkliste zu finden.)
Armut und Kapitalismus - Der bedeutendste deutsche Kommunist heißt Aldi"
von Bettina Röhl habe ich vor kurzem bei "Welt Online" gefunden.
Die vollständige "These" von Frau Röhl lautet:
"Der größte und bedeutendste Kommunist der Bundesrepublik Deutschland ist Aldi. (bitte die anderen Discounter Lidl, Plus, Penny, Kik, Ikea u.a. auf keinen Fall vergessen)."Ja wer, denn nun? Nur ALDI - oder doch alle zusammen?
"Und der größte Kapitalist des Landes sind ebenfalls Aldi und die anderen Billiganbieter."Aha - alles ist Eins!
Aber lesen wir weiter:
"Aldi und co. liefern auf menschenwürdigem Niveau die Grundversorgung, die der Kommunismus immer versprochen hat: Lebensmittel, Kleidung, Einrichtung, Urlaub, Babybedarf, technische Geräte, Bad-Küche-Baumaterial usw. und dabei geht es längst nicht mehr um Brot und Wasser, sondern schon lange auch um ehedem Königliches, Kaiserliches und Zaristisches: Lachs und Garnelen und Champagner, Orangen und Bananen und eben auch alles andere aus allen Bereichen, was früher Luxus war, wenn auch in abgeflachter Qualität, für jedermann."
Zu dumm nur, dass "ALDI" und Konsorten das alles nicht auch auf nachweislich "menschenwürdigem Niveau" produzieren lässt und vertreibt.
"Im früheren sozialistischen Osten [...] gab's weder freien Kapitalismus noch Kommunismus."
Im "sozialistischen Osten" gab es keinen Kommunismus? Folglich kann "der Kommunismus" dort auch keine Versprechungen gebrochen haben - oder?.
"Marx und die reine Lehre liefern viele Rezepturen, wie man Güter - von Dienstleistungen hatte er noch weniger Ahnung - gerecht verteilt, was immer gerecht sein mag. Ein Rezept, wie eine Volkswirtschaft Güter produziert, ist Marx allerdings schuldig geblieben. Wie denn der Mehrwert produziert werde, den Marx immer verteilen will und den man zum Leben braucht, das ist die Domäne des Kapitalisten und des Kapitalismus. Dazu hat Marx nichts Entscheidendes beizutragen und deswegen ist seine Idee auch nicht in die Praxis umsetzbar. Marx scheitert eben gerade theoretisch und nicht nur praktisch, wie es entschuldigend immer heißt."
Bekanntlich hat Marx überhaupt keine "Rezepturen" geliefert, sondern lediglich Analysen. Dabei hat er auch ziemlich genau beschrieben - wie in der Volkswirtschaft (nach dem Stand der Dinge und der Geschichte) Güter produziert werden.
Zu gerne wüsste ich auch, was die Autorin denn unter dem Mehrwert versteht - bzw. ob sie denn überhaupt einen Begriff dieses doch ziemlich zentralen Begriffes hat. Schon der Bau des Satzes lässt darauf schließen, dass die gute Frau nicht den geringsten Schimmer hat, wovon sie redet. Es ist freilich leicht jemandem Scheitern vorzuwerfen, wenn man meint, seinen Vorwurf nicht weiter begründen zu müssen und damit durchzukommen. Ah - das Scheitern erklärt sich natürlich aus dem Scheitern des sog. "real existierenden Sozialismus" - klar. Die haben sich auf Marx berufen und das ist Beweis genug.
"Was nützt es, wenn der arme Schuster einen kaputten Schuh in seiner Werkstatt repariert, wenn nebenan, also am selben Ort zur selben Zeit ein fabrikneuer Schuh billiger zur Verfügung steht? Der Schuster hätte in so einem Fall einen Minderwert produziert, also volkswirtschaftlich in der Bilanz etwas verbraucht. Auch das, was man den Handel nennt, also der Wirtschaftszweig, der sich mit Güterverteilung beschäftigt, ist den Kommunisten der reinen Lehre ein Dorn im Auge: kein Wunder, dass sie ihn nie gebacken bekommen."
Jeder der etwas produziert, verbraucht zunächst etwas. Und zwar:
1. Roh- und Hilfsstoffe und
2. Arbeitszeit und -kraft.
Und diesen "Verbrauch" erhält er in Form seines "Produktes" zurück. Das Produkt kann dann zunächst hinsichtlich zweier Wertaspekte, aus denen sich dann weitere ergeben, betrachtet werden.
1.Gebrauchswert.
Hat das Produkt einen Gebrauchswert - und wenn ja für wen? Der Gebrauchswert ist rein qualitativer Natur und lässt sich als solcher nicht objektiv messen.
a) Es hat einen Gebrauchswert (ausschließlich) für den Produzenten
b) Es hat einen Gebrauchswert für den Produzenten aber auch für andere, es kann als Ware zum Austausch gegen andere Waren dienen.
c) es hat keinen Gebrauchswert für den Produzenten aber für einen (oder mehrere) andere, es wird von vornherein als Ware produziert.
Im zweiten und dritten Fall hat das Produkt auch einen Tauschwert - ohne aber, dass es einen potentiellen Gebrauchswert hat, hat ein Produkt auch keinen Tauschwert, denn niemand würde es eintauschen wollen. Zwar schreibt Marx:
"Als Gebrauchswerte sind die Waren vor allem verschiedner Qualität, als Tauschwerte können sie nur verschiedner Quantität sein, enthalten also kein Atom Gebrauchswert."Das gilt aber nur soweit die Produkte sich in der Zirkulation, in der sie sich ausschließlich als Tauschobjekte aufeinander beziehen, befinden, denn
Marx Engels Werke 23. Das Kapital 1. Bd. Karl Dietz Verlag. Berlin 2001. S.52
"Der Gebrauchswert verwirklicht sich nur im Gebrauch oder der Konsumtion. Gebrauchswerte bilden den stofflichen Inhalt des Reichtums, welches immer seine gesellschaftliche Form sei. In der von uns zu betrachtenden Gesellschaftsform bilden sie zugleich die stofflichen Träger des - Tauschwerts."
Marx Engels Werke 23. Das Kapital 1. Bd. Karl Dietz Verlag. Berlin 2001. S.50
2.Tauschwert.
"Sieht man nun vom Gebrauchswert der Warenkörper ab, so bleibt ihnen nur noch eine Eigenschaft, die von Arbeitsprodukten."und
Marx Engels Werke 23. Das Kapital 1. Bd. Karl Dietz Verlag. Berlin 2001. S.52
"Abstrahiert man nun wirklich vom Gebrauchswert der Arbeitsprodukte, so erhält man ihren Wert, wie er eben bestimmt ward. Das Gemeinsame, was sich im Austauschverhältnis oder Tauschwert der Ware darstellt, ist also ihr Wert."
Marx Engels Werke 23. Das Kapital 1. Bd. Karl Dietz Verlag. Berlin 2001. S.53
Dieses Gemeinsame, die Arbeit ist gewissermaßen das fundierende Element einer jeden Kette von Tauschakten. Durch sie wird das Produkt im eigentlichen Sinne "bezahlt" und erworben. Und aus dieser (grundlegenden) "Zahlung" resultiert dann auch sein ganzer (Tausch-)Wert, soweit sich dieser objektiv (als reelle Äquivalenz) bestimmen lässt. Als Pro-duct, also soweit es Hervorgebrachtes ist, hat es gerade soviel Tauschwert, wie gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit in ihm steckt. Der Mensch tauscht sich in der produktiven Arbeit mit seinem Gegenstand aus - "vergegenständlicht" sich durch seine Arbeit, indem er seine Arbeitskraft auf das Produkt überträgt. In dieser Übertragung liegt dessen "Wert", soweit man einen Wert überhaupt reell messen kann. Die jeweils durchschnittlich erforderliche Arbeitszeit ist zwar vom Stand der Produktionsverhältnisse abhängig und damit eine variable, aber innerhalb bestimmter, gegebener Produktionsverhältnisse eine durchaus feste Größe. Wenn der Schuster den Schuh repariert, dann hat dieser Schuh effektiv einen Wertzuwachs erfahren, da ihm Arbeit zugesetzt wurde. Das Problem ist, dass die durchschnittliche gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit fuer die Fertigung eines Schuhs unter der für die Reparatur erforderlichen liegt. Damit ist der Schuster arbeitsmäßig nicht mehr "gesellschaftsfähig". Das Problem hat aber auch Marx schon erkannt:
"Gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit ist Arbeitszeit, erheischt, um irgendeinen Gebrauchswert mit den vorhandenen gesellschaftlich-normalen Produktionsbedingungen und dem gesellschaftlichen Durchschnittsgrad von Geschick und Intensität der Arbeit darzustellen. Nach der Einführung des Dampfwebstuhls in England z.B. genügte vielleicht halb so viel Arbeit als vorher, um ein gegebenes Quantum Garn in Gewebe zu verwandeln. Der englische Handweber brauchte zu dieser Verwandlung in der Tat nach wie vor dieselbe Arbeitszeit, aber das Produkt seiner individuellen Arbeitsstunde stellte jetzt nur noch eine halbe gesellschaftliche Arbeitsstunde dar und fiel daher auf die Hälfte seines frühern Werts."
Marx Engels Werke 23. Das Kapital 1. Bd. Karl Dietz Verlag. Berlin 2001. S.53
Und eben das geschieht mit der Arbeit des von Frau Röhl bemühten Schusters.
Das fundierende und im Grunde ganz einfache Verhältnis geleisteter Arbeit zum durch sie erzeugten Produkt bleibt auch innerhalb komplexer werdender Produktionsverhältnisse bestehen - es ist aber nicht länger ohne weiteres exakt bestimmbar. Ich will versuchen ein Beispiel zu geben: Wenn jemand auf einem niedrigeren Niveau arbeitsteiliger Produktion etwas anfertigt, dann ist das Verhältnis der von ihm geleisteten Arbeit zum Resultat ganz deutlich zu sehen. Nehmen wir an, wir hätten zwei Produzenten die aus selbstgewonnenen Rohstoffen etwas anfertigen, so dass in ihren Produkten am Ende nur ihre je eigene Arbeit sich vergegenständlicht hat; und der eine produziert in 8 Stunden 4 Gegenstände der Kategorie A, während der andere in der gleichen Zeit 16 Gegenstände der Kategorie B herstellt, wobei wir davon ausgehen, dass beide dabei den gesellschaftlich erforderlichen Durchschnitt an Arbeit geleistet haben, dann haben vier Gegenstände der Kategorie B den gleichen Wert wie ein Gegenstand der Kategorie A, denn in beiden steckt das gleiche Quantum an gesellschaftlich notwendiger Arbeit. Sie sind in dieser Beziehung (und nur in dieser) wertäquivalent.
3. Mehrwert.
Der Mehrwert, so wie Marx ihn definiert, entsteht in der Produktion, realisiert sich aber in der Zirkulation. Wie das prinzipiell vor sich geht, will ich an einer Weiterentwicklung des vorstehend gegebenen Beispiels zu zeigen versuchen.
Nehmen wir also an A und B tauschen ihre Waren aus, wobei A 2 seiner 4 Gegenstände liefert und B dafür 4 von seinen hergibt. Dann tauscht sich die in ihnen enthaltene Arbeit im Verhältnis 4 Stunden zu 2 Stunden. Mit anderen Worten: A erhält kein Äquivalent für zwei Arbeitsstunden - er hat diese Arbeit mithin "unbezahlt" verrichtet. B hingegen gewinnt das Äquivalent zweier Arbeitsstunden - er wird mithin zum Eigentümer des Gegenwertes von 8-2+4=10 Arbeitsstunden. Er hat sich 2 Stunden fremder Arbeit angeeignet. Am Gesamtwert der ausgetauschten Produkte hat sich nichts dabei nichts geändert.
Dazu Marx:
"Was die Ware dem Kapitalisten kostet, und was die Produktion der Ware selbst kostet, sind allerdings zwei ganz verschiedne Größen. Der aus Mehrwert bestehende Teil des Warenwerts kostet dem Kapitalisten nichts, eben weil er dem Arbeiter unbezahlte Arbeit kostet."
Karl Marx. Das Kapital 3. Bd. Karl Dietz Verlag. Berlin 2003. S.34
4. Profit:
Nehmen wir weiter an, dass B die von A erhaltenen Produkte an C weitergibt, wobei ihm C im Gegenzug den Gegenwert von 3 Arbeitsstunden aushändigt. Dann hat sich bei B der gewonnene Mehrwert zu 50% realisiert, die anderen 50% des Mehrwertes gehen auf C über. (Nur) Das, was vom Mehrwert bei B verbleibt ist dessen Profit. Mehrwert und Profit sind also nicht unbedingt identisch, obwohl Profit immer als Teil des Mehrwerts abfällt und was wichtig ist: der Mehrwert ist von vornherein ein Teil des in der Ware befindlichen Wertes, er wird nicht aus dem Nichts generiert, er entsteht auch nicht durch Übervorteilung des Käufers. Der Käufer einer Ware erhält immer den vollen Wert der Ware, unabhängig davon welchen Preis er zahlt. Offen ist allerdings, ob er dabei für seine eigene Ware den vollen Gegenwert erhält. Das zeigt sich, wenn wir unser Beispiel etwas erweitern.
A und B tauschen äquivalent. D.h. A liefert 2 Gegenstände der Kategorie A und B im Gegenzug 8 Gegenstände der Kategorie B. Es werden also je vier Arbeitsstunden gegeneinander ausgetauscht. Dabei fallen weder Mehrwert noch Profit an. Wenn nun C wieder einen Gegenwert von 3 Arbeitsstunden anbietet, dann fällt C ein Mehrwert von 1 Arbeitsstunde zu. C besitzt jetzt das Produkt von 4 Stunden Arbeit und B das Produkt von 3 Stunden. In diesem Fall hat also B eine Stunde unbezahlter Arbeit verrichtet. B ist aber nicht doof und wendet sich an D, von dem er den Gegenwert von 6 Arbeitsstunden verlangt und diesen auch erhält. Damit hat dann D zwei Stunden unbezahlter Arbeit geleistet und B einen Mehrwert von 2 Arbeitsstunden "erwirtschaftet". D ist also im Besitz des Gegenwertes von 4 Arbeitsstunden obwohl er 6 Stunden "investiert" hat. Und B besitzt nun den Gegenwert von 6 Arbeitsstunden obgleich er dafür nur 4 Stunden Arbeit aufwenden musste. Marx beschreibt das wie folgt:
"Wird die Ware daher zu ihrem Wert verkauft, so wird ein Profit realisiert, der gleich dem Überschuß ihres Werts über ihren Kostpreis ist, also gleich dem ganzen im Warenwert steckenden Mehrwert. Aber der Kapitalist kann die Ware mit Profit verkaufen, obgleich er sie unter ihrem Wert verkauft. Solange ihr Verkaufspreis über ihrem Kostpreis, wenn auch unter ihrem Wert steht, wird stets ein Teil des in ihr enthaltenen Mehrwerts realisiert, also stets ein Profit gemacht. [...] Zwischen dem Wert der Ware und ihrem Kostpreis ist offenbar eine unbestimmte Reihe von Verkaufspreisen möglich."
Karl Marx. Das Kapital 3. Bd. Karl Dietz Verlag. Berlin 2003. S.47
Solange die Handelspartner Produkte gegen Produkte austauschen sind zwei Aspekte offenbar: beide tauschen ihre in den jeweiligen Produkten "geronnene" menschliche Arbeit gegeneinander aus und beide agieren sowohl als Käufer, wie auch als Verkäufer. Ein Mehrwert bildet sich immer dann, wenn eine Seite an sich einen Überschuss aus fremder Arbeit aneignen kann. Sobald Geld als Tauschmittel ins Spiel kommt verschwindet diese Klarheit, weil das Geld ja nur vermittelnde Funktion hat und somit im Grunde genommen der Tausch Ware <-> Geld nur eine "halbe" Transaktion sichtbar werden lässt, aber gemeinhin für eine ganze genommen wird. Ein vollständiger Austausch endigt aber beidseitig immer in Arbeit. Diese Arbeit muss weder vom Geldbesitzer noch vom Warenbesitzer ganz oder auch nur teilweise selbst geleistet worden sein, u.U. ist auch gar nicht mehr exakt feststellbar, wer sie geleistet hat - aber: sie muss geleistet worden sein oder geleistet werden.
Marx stellt die Tauschverhältnisse in der Geldwirtschaft bekanntlich in der Form W-G-W (Ware-Geld-Ware respektive: G-W-G (Geld-Ware-Geld) dar. Dabei verschwindet leider die Besonderheit des fundierenden Tauschaktes A-P (Arbeit-Produkt), in dem jeder Tauschakt auf jeder Seite irgendwann enden bzw. seinen Ausgang nehmen muss. Ein vollständiger Zyklus würde unter Berücksichtung, dass Arbeit - auch wenn sie als Ware gehandelt wird - eben nicht eine x-beliebige Ware ist, etwa wie folgt aussehen: A-P-W-G-W-P-A, wo bei zwischen A-P und P-A die Beziehung W-G-W n-fach vorkommen kann, also z.B: A-P-W-G-W-G-W-G-W-G-W-P-A. In Wirklichkeit ist das Ganze noch etwas verwickelter, da hier davon abgesehen wurde, den Tauschakt ebenfalls als Arbeit zu kennzeichnen. Sofern der Tauschakt selbst "in Arbeit ausartet", wird dem Produkt durch diese Arbeit selbstverständlich Wert zugesetzt. Man könnte auch sagen: das Produkt verwandelt sich im Zuge des Austausches in ein anderes (neues), insofern als es der materiellen Substanz nach zwar das selbe, aber bezogen auf Raum und Zeit nicht identisch bleibt. Es erfährt mithin eine (wertbildende) Veränderung, die ihm nicht ohne weiteres anzusehen ist, z.B. durch Transport (Raum) und/oder Lagerung, Pflege, Konservierung (Zeit).
Damit sollte klar sein: "die Kommunisten" sind sich durchaus bewusst, dass in einer arbeitsteiligen Gesellschaft ein Austausch von Produkten stattfinden muss und dass einer Ware im Zuge dieses Austausches u.U. Wert zugesetzt wird, der grundsätzlich einen höheren Verkaufspreis rechtfertigt. Da liegt auch gar nicht das Problem. Die Frage ist eben, ob im Zuge der Transaktionen ein Mehrwert abfällt und wenn ja, wie dann mit diesem zu verfahren ist, wem er zufällt bzw. zufallen soll, mit welchem Recht usw. Der Mehrwert fällt nicht wie Manna vom Himmel. sondern erwächst wie gezeigt aus unbezahlter Arbeit. Es ist derjenige Anteil von auf ein Produkt aufgewendeter Tätigkeit, der dem Tätigen nicht ersetzt wird. Unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen wird diese unvergütete Tätigkeit von vornherein verschleiert, denn der Kapitalist kauft ja die gesamte Arbeitskraft des Beschäftigten - zahlt ihm dafür aber nur die zur Fortsetzung seiner Tätigkeit gesellschaftlich notwendigen Reproduktionskosten. Wäre es anders, dann müsste ein Arbeiter von seinem Lohn soviel Produkte kaufen können, wie er seinem Arbeitsanteil nach produziert hat. Auf dieser Basis würde aber kein Händler Gewinne machen - wenngleich selbstverständlich auch die Arbeitszeit der Fabrikanten/Händler usw. wertbildend in das Produkt eingeht und somit auch diese ein Recht auf ein entsprechendes Einkommen aus ihren Tätigkeiten besitzen. Es ist also nicht die Forderung, dass dem Arbeiter das ganze Produkt seiner Tätigkeit gehören müsse, sondern, dass er ein Recht auf seinen vollen Anteil am Gesamtprodukt besitzt. Klar ist auch, dass unter hochkomplexen, arbeitsteiligen Produktionsbedingungen, kaum nocht exakt bestimmbar ist wem jeweils wieviel Mehrwert entzogen wurde, daraus folgt aber nicht automatisch ein ewiges Recht, auf individuelle Aneignung dieses Mehrwerts durch beliebige Dritte. Wenn "gerechte" individuelle Zuweisungen nicht möglich sind, dann ist die gemeinsame Verwaltung der akkumulierten Ueberschüsse zumindest eine diskutable Alternative.
"Händler, Makler, (die großen Industriebarone waren ja sowieso Feindbild) galten als diejenigen, die sich an der ehrlichen Arbeit des Proletariers nur bereicherten. Und dies obwohl die Güterverteilung doch der Kern ihrer ganzen Idee, Philosophie und Moral ist, allerdings nie praktisch, sondern schwelgerisch-schwülstig-ideologisch. Es ist also nicht unverständlich, dass in den kommunistischen Diktaturen die Güter bei den Armen nie angekommen sind. Dieser Mangel war allerdings kommunistisch auf alle Proletarier gerecht verteilt. Verteilungsgerechtigkeit auf niedrigstem Niveau! Dabei ist gleiche wirtschaftliche Teilhabe hinter allen Tonnen gedruckter Theorie letzen Endes schon der moralische Clou der Konsumreligion Kommunismus. Anders Aldi, Lidl und co., die halten was Marx versprach. Und als gute Kapitalisten schaffen sie auch noch Arbeit und investieren, was auch Arbeit schafft."
Bezeichnend, dass die Autorin auf jeden Nachweis für ihre "Thesen" Verzicht leistet. Es sollte ihr eigentlich ein leichtes sein, das "schwelgerisch-schwülstig-ideologisch[e]" mit wenigstens einem Zitat zu belegen. Aber dazu müsste sie ja womöglich Marx auch noch lesen - pfui Spinne.
Es würde sich aber auch zeigen, dass zumindest in Bezug auf Marx jede Feindbildthese unzutreffend ist. Er sah klar und deutlich, dass auch der Kapitalist nur in Abhängigkeit der gegebenen Produktionsverhältnisse erscheinen kann - mehr sogar: erscheinen muss. Für Marx ist der Kapitalismus notwendige Bedingung für die Entwicklung einer sozialistischen Gesellschaft. Ob die postkapitalistische Gesellschaft wirklich eine sozialistische oder kommunistische sein wird, mag dahingestellt bleiben, vielleicht wird sie es faktisch sogar auch und dabei einen anderen Namen tragen (müssen), denn die Bezeichnungen Sozialismus/Kommunismus sind als Folge des sogenannten "real existierenden Sozialismus" vermutlich auf lange Sicht "verbrannt". Wer aber glaubt, dass der Kapitalismus nun "das Ende der Geschichte" - das Ziel gesellschaftlichen Wandels schlechthin - sei, der hat in Geschichte ganz offensichtlich gepennt. Auf eine bestimmte Erscheinung folgt immer eine andere, sonst koennte von "folgen" keine Rede sein. Doch in einem möchte ich Frau Röhl zustimmen: die Belege dafür, dass "Aldi, Lidl und co" halten, was Marx versprach, häufen sich. Um das festzustellen muss man nur mal das Personal befragen.
"Als gute Kapitalisten schaffen sie vor allem Kapital und mit je weniger Arbiet das zu schaffen ist, desto besser."
Dazu lesen wir im Kapital: "
John Stuart Mill sagt in seinen "Prinzipien der politischen Ökonomie":
"Es ist fraglich, ob alle bisher gemachten mechanischen Erfindungen die Tagesmühe irgendeines menschlichen Wesens erleichtert haben."
Solches ist jedoch auch keineswegs der Zweck der kapitalistisch verwandten Maschinerie. Gleich jeder andren Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit soll sie Waren verwohlfeilern und den Teil des Arbeitstags, den der Arbeiter für sich selbst braucht, verkürzen, um den andren Teil seines Arbeitstags, den er dem Kapitalisten umsonst gibt, zu verlängern. Sie ist Mittel zur Produktion von Mehrwert."
Marx Engels Werke 23. Das Kapital 1. Bd. Karl Dietz Verlag. Berlin 2001. S.391
"Sozial ist, was Arbeit schafft" und das ist der Kapitalismus, ist und bleibt richtig."
Wunderbar! Eigentlich erübrigt sich hier jeder Kommentar. Der Kapitalismus schafft die Arbeit (siehe oben) ab, bzw. reduziert sie und verewigt sie zugleich. Da fehlt nur noch, dass die Heiligen der INSM über das Wasser wandeln. Der Rest ist ähnlich konfus. Ich beschränke mich daher darauf, die markantesten Stellen zu erwähnen:
"Je ärmer desto kapitalistischer müsste man wählen, um aus der Armutsfalle heraus zu kommen. Sozial ist nicht die Abschaffung des Kapitalismus, wie die Kommunisten es wollen: das ist unsozial. Sozial ist den Kapitalismus hegen und pflegen und die Reichen und Leistungsstarken zu noch mehr Leistung und Risikofreude und Ideenreichtum heraus zu fordern."
Wir stellen fest: je radikaler, desto besser ...
"Ein guter Kapitalist ist gierig und listenreich - das ist die gesunde Definition. Und ebenso gesund ist eine Gesellschaft, wenn sie diesen Kapitalisten mit sozialen Forderungen immer wieder neu in Anspruch nimmt und "quält". Das ist das Austarieren des Antagonismus zwischen Kapital und Arbeit oder sagen wir etwas moderner, zwischen Arbeit und Kapital. Da gibt es keine Patentlösung ein für alle mal, sondern nur ein permanentes Austarieren nach Spielregeln."
... man muss den vollentfalteten Kapitalismus dann nur mit sozialen Forderungen quälen -soso und was, wenn der Kapitalismus das höhere Quälpotential aufweist? Schade auch, dass dem Leser hier vorenthalten wird, wie die erwähnten "Spielregeln" denn konkret beschaffen sein sollen und warum die Autorin glaubt, dass sie beidseitig akzeptiert würden. Zu der restlos überflüssigen und sinnbefreiten Phrase "Das ist das Austarieren des Antagonismus zwischen Kapital und Arbeit oder sagen wir etwas moderner, zwischen Arbeit und Kapital", erübrigt sich von vornherein jeder Kommentar.
"In den fragilen globalisierten Zeiten ist es an der Zeit, dass die bürgerlichen Kräfte und die Kräfte, die für die freie soziale Marktwirtschaft mit menschlichem Antlitz eintreten, das Heft in die Hand nehmen und selber den Diskurs bestimmen."
Welch wunderbares Konstrukt: "die freie[!] soziale Marktwirtschaft mit menschlichem Antlitz". Dabei versteht sich die "Soziale Marktwirtschaft" im Kern gerade als ein Gegenentwurf zur "freien Marktwirtschaft" - Naja - ich sagte es bereits:
Alles ist Eins!
Anmerkung: Der Autor dieses Beitrags nimmt nicht für sich in Anspruch ein profunder Kenner des Marxschen Oeuvres zu sein. Er hofft dennoch, dass ihm sein in diesem Rahmen - bei aller Länge des Artikels - doch sehr knapp gehaltener Versuch einer Erläuterung Marxscher Grundbegriffe halbwegs gelungen ist und den einen oder anderen Leser vielleicht zu weiterer vertiefender Lektuere animiert. Auch sieht er sich selbst weder als "Marxisten", "Kommunisten, "Sozialisten" oder sonst ein (myst)-istisches Schubladenwesen - schon garnicht, wenngleich er im Laufe seines Lebens auch als solcher zeitweilig (an)gesehen wurde, als Kapitalisten.
;-)
Anmerkung II: Der Artikel wurde mal wieder naechtens verfasst und wird ggf. in einzelnen Punkten noch ueberarbeitet, korrigiert und/oder erweitert.
Anmerkung III: Vielen wird es so gehen wie Carluv, der in seinem Kommentar schrieb: "Außerdem liegen MEW bei mir auch nicht griffbereit." Dem kann abgeholfen werden: MEW-Online. (Ab sofort auch unter "Sonstiges" in der Linkliste zu finden.)
15 Kommentare:
Ehrlichgesagt wirkt das auf mich eher abschreckend, Marx zu lesen. Alles ziemlich theoretisch und es wirkt für mich doch sehr realitätsfern.
Der Kern ist doch wohl das hier:
"Klar ist auch, dass unter hochkomplexen, arbeitsteiligen Produktionsbedingungen, kaum nocht exakt bestimmbar ist wem jeweils wieviel Mehrwert entzogen wurde, daraus folgt aber nicht automatisch ein ewiges Recht, auf individuelle Aneignung dieses Mehrwerts durch beliebige Dritte."
Zum einen steht doch jedem in einer freien Marktwirtschaft zu, für seine Arbeitskraft zu verlangen, was er will. Natürlich hängt das in der Praxis von deutlich mehr Faktoren als seinem freien Willen ab - aber wenn er nicht den Preis für seine Arbeit erzielt, den er haben will oder muss, dann besteht ein (gesellschaftlich ja eindeutig sinnvoller) Druck andere Arbeit zu leisten und zu verkaufen. Das sollte das Problem, dass Dritte sich beliebig an seiner Arbeit bereichern, eigentlich lösen.
Wenn ich es nicht gerechtfertigt halte, was mein Chef oder mein Zwischenhändler oder sonstwer sich für einen Anteil des von mir geschaffenen Wertes nimmt, dann verhandle ich neu (oder ich beauftrage meine Gewerkschaft damit) oder suche mir einen anderen Kunden, bzw. Abnehmer. Wo ist das Problem?
Und zum nächsten Satz:
"Wenn "gerechte" individuelle Zuweisungen nicht möglich sind, dann ist die gemeinsame Verwaltung der akkumulierten Ueberschüsse zumindest eine diskutable Alternative."
Nicht nur eine diskutable, sondern sogar eine in der freien Marktwirtschaft angewandte. Zum Beispiel in Form einer Genossenschaft oder einer GmbH, an der die Mitarbeiter sich beteiligen. Kommunismus oder eine Abschaffung des Kapitalismus ist dazu jedenfalls nicht nötig.
Zum ursprünglichen Artikel fällt mir grade nichts ein - außer, dass ich derzeit bei meinem prekären Einkommen ohne Aldi ziemlich aufgeschmissen wäre...
Bettina Röhl ist die Tochter einer berühmten Mutter. Dies macht wohl das Interesse aus, welches die Öffentlichkeit ihr dann und wann zukommen läßt. Ihre "Botschaften" können es nicht sein. Wie sie "sozial" definiert ist abenteuerlich und was sie letztendlich propagiert ist feinster Sozialdarwinismus, in dem sich der listenreiche Kapitalist einer gesunden Grundeinstellung hingibt.
Dem Kommentator Jan möchte ich zwei seiner Sätze nochmal vor Augen führen. Daher sei zitiert:
- Erster Satz"Alles ziemlich theoretisch und es wirkt für mich doch sehr realitätsfern."
- Zweiter Satz: "Wenn ich es nicht gerechtfertigt halte, was mein Chef oder mein Zwischenhändler oder sonstwer sich für einen Anteil des von mir geschaffenen Wertes nimmt, dann verhandle ich neu (oder ich beauftrage meine Gewerkschaft damit) oder suche mir einen anderen Kunden, bzw. Abnehmer. Wo ist das Problem?"
Ich überlasse es den folgenden Kommentatoren oder dem stillen Leser, beide Sätze in eine Einheit zu bringen.
Jedenfalls hätte es wohl nicht so viel nächtens aufgebrachter Akribie bedurft, um den lächerlichen Artikel über den "ALDI-Kommunismus" zu widerlegen.
Da hast Du nicht unrecht, Markus. Das war aber auch nicht der Sinn der Uebung. Dieser Artikel war gewissermassen der Tropfen, der das Fass zum Ueberlaufen brachte. Er ist ein exemplarischer Fall fuer die "Argumentation" derer man sich allenthalben bedient um alles was links von der CDU steht in Bausch und Bogen zu diskreditieren. Davon abgesehen ist es eigentlich voellig unerheblich zu welchem spezifischen Thema er von wem verfasst wurde.
Es war mir also nicht so sehr daran gelegen, das Geblubber von B. Röhl zu widerlegen, als zu zeigen, dass solche "Journalisten und Publizisten" wie sie sich stolz nennen, schlicht nicht wissen (wollen?), wovon sie reden. Sie werfen der Gegenseite Vernebelung, Ideologisierung, Populismus und - wie man weiss - ganz boese: Demagogie vor, haben aber selbst nichts anzubieten als eben Vernebelung, Ideologisierung, Populismus und Demagogie. Im Grunde beten sie nur eine und die selbe Leier runter, die gleiche Leier, fuer die in frueheren Zeiten die Pfaffen zustaendig waren: "Ihr Armen (eigentlich ja nur: "Aermeren") im Lande, denen es hinieden nicht so toll geht. Troestet Euch, denn unter allen anderen Umstaenden wuerde es Euch noch sehr viel schlechter gehen. Unser Glaube aber hat selbst Euch noch etwas zu bieten: eine Perspektive - dereinst wird der freie Markt sich vollkommen entfaltet haben und dann werden wir alle glueckliche Kapitalisten sein - damit aber dieses Reich der Herrlichkeit ueber uns komme, muessen wir uns einmuetig zu ihm bekennen- .. blablub und
Amen".
Ich meine es war Ernst Bloch, bei dem ich kuerzlich las, dass es selbstverstaendlich eine kommunistische (linke/sozialistische) Ideologie gaebe - dass sie aber, und das sei eben der entscheidende Unterschied, im Gegensatz zur buergerlichen Ideologie unverhuellt als Ideologie auftrete und sich nicht - wie die buergerliche Ideologie -in den Schein der Ideologiefreiheit huelle.
Fuer diese These - insbesondere was den Schein der Ideologiefreiheit (oder das Bemuehen darum, diesen Schein aufrechtzuerhalten) angeht - sind solche Artikel wie der hier von mir kommentierte (nur) ein Beleg mehr.
Im grunde mag ich mich mit derartigem schmierantentum (damit meine ich ausdrücklich B. Röhl und nicht das hier gelesene!) kaum auseinandersetzen, dieser quark funktioniert nicht einmal als satire. Vielleicht sollte man frau Röhl einmal auf dem gesagten festnageln und die vergesellschaftung der gewinne der Albrechtbrüder fordern.
Würde sich für bedeutende kommunisten gehören, oder nicht? Wenn ausgerechnet lachs und garnelen bei denen schon für »arme« erschwinglich sind. Im grunde sind die aber keineswegs »ehedem königlich, kaiserlich und zaristisch« - lachs galt »ehedem« als billigstfisch und diese ekelerregenden krabbeltiere aß nur, wer sich nichts anständiges leisten konnte.
@ Jan,
ich verstehe Dich nicht.
Du schreibst, daß es kein problem darstelle, wenn Dein chef, Dein zwischenhändler oder sonstwer Dir Deinen anteil des von Dir geschaffenen wertes vorenthalte, weil Du mit denen neu verhandeln könntest oder Du Dir andere vertragspartner suchen könntest.
Am schluß erzählst Du, quasi nebenbei, daß Du ohne Aldi ein problem hättest, Deiner PREKÄREN einkommensverhältnisse wegen. Was bedeutet denn »prekär«? Das wort kommt von »precor«, das heißt »bitten«.
Wieso lebst Du unter bettlerbedingungen, wenn Du »einfach nur« Deinen anteil einfordern müßtest?
@ Jan: Schön wär's, hättest du Recht.
@ Roberto: Die Reduktion von B. R. auf ihre Mutter ist unfair und falsch. Ihr Vater ist nur wenig unberühmter. Und normalerweise kann sie, womit sie ihr Geld verdient: Schreiben. Was ihr bei diesem Artikel nicht eingefallen ist, kann ich nicht nachvollziehen.
@ Markus: Das war mein erster Gedanke.
@ Roger: Du hast Recht. Man muss solche Polemik bloßstellen. Ich hätte aber ohne deinen den Artikel von B. R. nur bis zum zweiten Absatz gelesen und dann die Lektüre gelangweilt abgebrochen. Außerdem liegen MEW bei mir auch nicht griffbereit. Trotzdem bist du in eine Falle getappt, die B. R. gar nicht gestellt hatte: Du beschreibst vor allem die Verteilung. Also das, wozu laut B. R. Marx vor allem taugt.
Zum Artikel von B. R.: Der ist ziemlich billige Polemik, ein Rundumschlag gegen Die Linke (die Partei) und die Linke, falls es die gibt, der Fakten mit Fiktionen falsch zusammenstellt und deshalb insgesamt unglaubwürdig ist. Das Beste daran: Der provokante Titel. Frau Röhl schreibt zum Glück nur selten so dämlich.
@Roberto
Mir ist bewusst, dass ich da den Idealfall geschildert habe aber ganz im Ernst: Wenn ich meinen Arbeitgeber nicht mag und keinen finde, der mir zahlt, was ich meiner Ansicht nach verdiene, dann kann ich immer noch in die Selbständigkeit gehen.
Oder, wie ich schon sagte, eine Genossenschaft gründen. Davon gibt es doch unzählige in Deutschland und das ist ein Modell, dass sehr erfolgreich funktioniert. Was ist denn dagegen einzuwenden?
Wie schon von Roger im Artikel bemerkt, ist es quasi unmöglich, die Höhe eines Mehrwertes zu ermitteln. Wenn man aber nicht weiß, wieviel, kann man da ja auch nichts irgendwie verteilen.
Ich sehe auch keinen Grund für einen Arbeitgeber, irgendwem nur deswegen mehr Geld zu bezahlen, weil irgendeine Formel das nahelegt. Warum sollte er das freiwillig tun? Und zwingen kann ja auch nicht die Lösung sein.
@Mechthild Mühlstein
Weil ich ein Praktikum mache, dass ich für meine Ausbildung machen muss. Und alles, was man machen muss, wird entsprechend mies bezahlt, weil man ne etwas fiese Verhandlungsposition hat (weshalb ich übrigens ganz allgemein wenig von solchen Zwängen halte, ist aber ein anderes Thema). Es ist für mich halt schlicht nicht möglich, da mehr rauszuholen - allerdings jammere ich darüber auch nicht. Ich finde nur, dass für solche Fälle Aldi & Co einfach unerlässliche Geschäftspartner sind, auch wenn das nicht jedem gefallen muss.
@ jan
"Ich sehe auch keinen Grund für einen Arbeitgeber, irgendwem nur deswegen mehr Geld zu bezahlen, weil irgendeine Formel das nahelegt. Warum sollte er das freiwillig tun? Und zwingen kann ja auch nicht die Lösung sein."
Du solltest es vielleicht mal mit einem Perspektivwechsel versuchen. Nicht ohne Grund schrieb ich im Artikel Folgendes:
"Dieses Gemeinsame, die Arbeit ist gewissermaßen das fundierende Element einer jeden Kette von Tauschakten. Durch sie wird das Produkt im eigentlichen Sinne "bezahlt" und erworben."
Aus dieser Perspektive ist es naemlich nicht Dein Chef, der Dich bezahlt, sondern gerade umgekehrt: Du zahlst fuer "Dein" Geld und fuer einen Teil des Geldes, das Dein Chef einstreicht und Du "zahlst" dieses Geld mit Deiner Arbeit. Falls Du diese Perspektive irgendwie "realitaetsfremd" finden solltest: Stell Dir mal eine Welt vor, in der es Geld gibt, ohne dass es je Arbeit gegeben haette und dann mach den umgekehrten Versuch und stell Dir eine Welt vor, in der es zwar Arbeit gibt aber kein Geld und pruefe beide auf ihre Realisierungschancen.
;-)
@ carluv
Ich kann Dein Lob fuer Frau Roehl leider nicht teilen. Ich habe mehr als nur einen Artikel in ihrem blog gelesen und alle zeichnen sich samt und sonders durch gleichbleibende Bescheidenheit aus. Mit anderen Worten: einer ist daemlicher als der andere. Wer das nicht glauben mag, dem seien weitere Proben ihres Schaffens empfohlen, wie z.B. diese: Friedbert Pflüger: Held der Demokratie! oder Wer rettet die SPD?
Unter all der reaktionaeren Polemik findet man allerdings auch wundervolle Stilblueten die jegliches Vorstellungsvermoegen zu sprengen geeignet sind, wie z.B. "Das feiste Geschwafel, mit der ein paar Hauptstadt-Journalisten derzeit gespreizt umher rasen" oder "Gewerkschaften, die ihrerseits mit völlig antiquierten Traditionen ohne Innovationskraft im Sinkflug vor sich hin dümpeln." sowie verharmlosende Phrasen a la "Was bleibt ist, dass Finanzhasadeure und auch Politiker von CDU und SPD in Berlin nach der Wende nicht immer nur eine gute Figur gemacht haben" usw.
Und wer andere (mehr als einmal) als "Dilletanten" bezeichnet, der deutet damit eigentlich schon an, dass er womoeglich selbst ein Dilettant ist.
;-)
Mein Arbeitgeber ist nicht unbedingt auch mein Chef, vielleicht ist er einfach mein Kunde - halt der, der mir etwas dafür gibt dass ich ihm etwas gebe.
Aber egal aus welcher Perspektive, es scheint mir trotzdem darauf hinauszulaufen, dass sich Anbieter und Abnehmer halt irgendwie auf irgendwas einigen müssen - oder etwa nicht? Das habe ich eigentlich nur gemeint. Und wie anders sollte so eine Einigung denn aussehen, als sie es im Augenblick tut?
@Roger
Nur kurz noch dies: Ideologiekritik ist richtig und absolut notwendig, besonders wenn sie sich auf die "Ideologie der Ideologielosigkeit" des Neoliberalismus bezieht. Nur muß es mit der schwerverständlichen marxistischen Terminologie sein?
Dies ist durchaus doppelsinnig gemeint. Zum einen sind diese Schriften für einen heute an Gesellschaftskritik Interessierten in der Tat schwierig zu lesen, und zum anderen an weniger Eingeweihte kaum vermittelbar. (Das hat natürlich auch etwas mit Ideologie zu tun, und zwar mit der herrschenden.)
"Nur muß es mit der schwerverständlichen marxistischen Terminologie sein?"
Ich hatte das Gefuehl es muss. Und zwar, um sie vielleicht etwas verstaendlich werden zu lassen - wenn mir das nicht gelungen ist - Pech gehabt, dann werde ich mir kuenftig wohl mehr Muehe geben und klarer schreiben muessen.
Ich persoenlich finde eigentlich die Terminologie als solche nicht sonderlich schwer verstaendlich. Das sind lauter Woerter ueber die man an jeder Ecke stolpert.
Das Schwierige ist - oder war fuer mich anfangs jedenfalls - die Perspektive aus der die Verhaeltnisse betrachtet werden - und natuerlich der zum Teil hohe Abstraktionsgrad. Der ist aber erforderlich umd die Verhaeltnisse um die es geht - und die sind nun mal per se "abstrakt" - gleichsam "konkret" werden zu lassen.
Es war mir aber auch darum zu tun zu zeigen auf was reaktionaere Ideologen eigentlich immer einpruegeln - Die schreiben einfach "Marx scheitert eben gerade theoretisch und nicht nur praktisch" oder aehnliche Plattheiten, und der Leser hat das gefaelligst fuer ein "Argument" zu halten, es zu glauben, "Gottseibeiuns" zu seufzen und keine weiteren Fragen zu stellen.
Kurzum: wenn die Argumente ausgehen, kommt man mit 'ner Tuete Marx und hofft, dass alle gleich so erschrocken sind, dass keiner wagt sie aufzumachen und auf ihren Inhalt zu pruefen - selber kennt der "Antimarxist" den in der Regel freilich auch nicht, weshalb er fuerchten muss, die Buechse der Pandora in der Hand zu halten; eine Furcht, die ihn ueberhaupt erst ueberzeugend erscheinen laesst.
;-)
Nach meinem Dafürhalten sind die Besucher von kritischen Webseiten nicht so sehr an langen theoretischen Exkursen interessiert, sondern mehr an aktuellen News und Hintergrundinfos, die man so in den Mainstreammedien nicht geboten bekommt. "Etwas" Theorie muß natürlich auch an dieser Stelle sein.
Hallo, Roger,
auf deine Empfehlung habe ich ein bisschen weitergelesen. Mein Urteil gründete sich vor allem auf das Buch "So macht Kommunismus Spaß", das ich für sehr lesenswert halte, und diverse gedruckte Artikel, die ich irgendwann irgendwo gelesen habe. Jetzt sage ich: Du hast größtenteils Recht, was das Welt-Blog angeht. Auch, wenn ich mich nicht an Orthographie, die ich für eine Sekundärtugend halte, festhalten würde. Und reaktionäre Polemik und guter Stil schließen sich keineswegs aus. Vielleicht liegt es am Medium, da gibt man sich nicht so viel Mühe.
Gruß, Carl
P. S. Fast vergessen: B. R. hatte auch einen sehr berühmten Patenonkel.
@ Markus
Mag sein, dass Du damit recht hast und womoeglich hat dieses blog deswegen vergleichsweise wenig Leser. Allerdings sehe ich mich ausserstande, (staendig) "news" und "Hintergrundinfos" zu liefern und das duerfte den meisten privaten bloggern nicht anders gehen. Woher sollen sie denn kommen, die "news" und "Hintergruende", wenn nicht zum groessten Teil aus anderen (meist sogar: "Mainstream") Medien? Heute z.B. findest Du fast kein "kritisches" blog, das nicht darueber berichtet, dass die Biberacher CDU Oswald Metzger nicht als Kandidaten moechte. Genau dieses Thema ist aber auch der Aufmacher eines grossen Teils der "Mainstream-Medien".
Andererseits finde ich es schon bemerkenswert, dass ausgerechnet dieser "theorielastige" Beitrag der bis dato meistkommentierte ist (auch wenn man meine eigenen Kommentare abzieht).
;-)
@ carluv
"Vielleicht liegt es am Medium, da gibt man sich nicht so viel Mühe."
Ich sehe das anders: In ihrem blog zeigt die gute Frau, was sie ohne weitere Unterstuetzung (Redakteuere, Lektorat etc.) zuwege bringt. Nicht mehr und nicht weniger. Immerhin ist so ein blog auch eine Art Visitenkarte und - mal ehrlich: haette ich einen Schreibauftrag zu vergeben und wuerde einen der im Roehlschen blog veroeffentlichten Artikel als "Referenz" vorgelegt bekommen - ich wuesste, wem ich den Auftrag sicherlich nicht geben wuerde.
Wenn irgendein Hobbyblogger meint, sich keine Muehe geben zu muessen, dann ist das eine Sache, wenn das gleiche aber jemand meint, der fuer sich in Anspruch nimmt "Journalist" zu sein, eine ganz andere.
Abgesehen davon: auch der Gelegenheitsschreiber sollte - schon aus Achtung gegenueber seinen Lesern - bemueht sein, so klar, deutlich und "korrekt" zu schreiben, wie es ihm nur irgend moeglich ist. Wo dieses Bemuehen nicht erkennbar ist, fuehle ich mich als Leser nicht wirklich ernstgenommen und verzichte in der Regel auf weitere Lektuere.
"Eine große Menge schlechter Schriftsteller lebt allein von der Narrheit des Publikums, nichts lesen zu wollen, als was heute gedruckt ist: - die Journalisten. Treffend benannt! Verdeutscht würde es heißen: 'Tagelöhner.'"
Arthur Schopenhauer. Parerga und Paralipomena II/2. Diogenes Verlag AG. Zürich 1977. S 549.
;-)
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