Die Lobredner der Arbeit. - Bei der Verherrlichung der "Arbeit", bei dem unermüdlichen Reden vom "Segen der Arbeit" sehe ich den selben Hintergedanken, wie bei dem Lobe der gemeinnützigen unpersönlichen Handlungen: den der Furcht vor allem Individuellen. Im Grunde fühlt man jetzt, beim Anblick der Arbeit - man meint immer dabei jene harte Arbeitsamkeit von früh bis spät -, daß eine solche Arbeit die beste Polizei ist, daß sie jeden im Zaume hält und die Entwickelung der Vernunft, der Begehrlichkeit, des Unabhängigkeitsgelüstes kräftig zu hindern versteht. Denn sie verbraucht außerordentlich viel Nervenkraft und entzieht dieselbe dem Nachdenken, Grübeln, Träumen, Sorgen, Lieben, Hassen, sie stellt ein kleines Ziel immer ins Auge und gewährt leichte und regelmässige Befriedigungen. So wird eine Gesellschaft, in welcher fortwährend hart gearbeitet wird, mehr Sicherheit haben: und die Sicherheit betet man jetzt als die oberste Gottheit an. - Und nun! Entsetzen! Gerade der "Arbeiter" ist gefährlich geworden! Es wimmelt von "gefährlichen Individuen"! Und hinter ihnen die Gefahr der Gefahren - das Individuum!
Friedrich Nietzsche. Morgenröte. Werke II. Hrsg. Karl Schlechta. Verlag Ullstein GmbH. FfM - Berlin - Wien 1976. S. 129 (1129)f.
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2 Kommentare:
Freilich werden auch die Verächter der Arbeit nicht in Sack und Asche gehen wollen und lieber ein Dach über dem Kopf haben wollen, als unter dem Himmelszelt nächtigen wollen. Diese und andere durch menschliche Arbeit ermöglichten zivilisatorischen Errungenschaften kommen übrigens auch dem Individuum und seinen je eigenen kulturellen Höhenflügen zugute.
Das beim heutigen Stand der technologischen Entwicklung vernünftigerweise angemessene Leitmotiv der Arbeit sollte man sich jedoch nicht von den Leistungsfetischisten und den Arbeitsverherrlichern vorschreiben lassen, sondern stattdessen weniger statt mehr arbeiten, aber auch nicht nicht arbeiten.
Es gibt solche und solche. Das gilt fuer die Arbeiter nicht weniger, als fuer die Arbeit.
;-)
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