Freitag, 27. Februar 2009

Abwrackprämie für Fahrräder: Aktion des VCD zeigt Wirkung

Wie hier bereits am Montag zu lesen war, hat der Verkehrsclub Deutschland auf seiner Homepage ein vorformuliertes Anschreiben veröffentlicht, mit dessen Hilfe man auf einfache Weise den Wunsch, eine Prämie für die Verschrottung seines alten Fahrrades zu erhalten, an die zuständigen Behörden übermitteln und die Zusendung entsprechender Antragsunterlagen beantragen kann.

Offenbar wurde von dieser Möglichkeit bereits reger Gebrauch gemacht, denn das Greenpeace-Magazin berichtet heute, dass beim "Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle" mittlerweile rund 2.300 Mails eingegangen seien und die Behörde dem VCD nun mit einer Klage drohe.

Mit den Mails [...] werde der «ordnungsgemäße Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Beantragung einer Umweltprämie (...) erheblich gestört», schrieb die Rechtsabteilung des Bundesamtes dem VCD-Vorstand. Der Musterbrief müsse «umgehend» aus dem Internet entfernt werden, andernfalls behalte man sich rechtliche Schritte zur Unterlassung und Schadensersatzansprüche vor.

Der Verband will vorerst standhaft bleiben und auch vor einer juristischen Auseinandersetzung nicht zurückschrecken. «Wir lassen uns nicht einschüchtern», sagte Sprecherin Almut Gaude, die Aktion sei vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.


Was ich bisher noch nicht wusste: Es gibt auch eine zweite Fassung des Anschreibens: für Noch-Autobesitzer, die ihr Auto verschrotten, aber kein neues, sondern stattdessen ebenfalls ein Fahrrad erwerben möchten:
Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich finde es ungerecht, dass der Staat mit der Abwrackprämie Steuergelder in Milliardenhöhe ausgibt und davon nur Autofahrer profitieren. Mein Auto ist älter als neun Jahre, es ist eine Dreckschleuder und ich will es verschrotten lassen, mir dafür aber KEIN neues Auto kaufen sondern auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umsteigen. Deshalb will ich eine Umweltprämie für ein neues Fahrrad und Fahrausweise für den öffentlichen Verkehr in Höhe von 2500 Euro beantragen. Bitte schicken Sie mir die dafür notwendigen Unterlagen zu.

Ihr Kommentar

Vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen

Vorname Nachname




Nachtrag (28.02.2009, ca 17:30h)
Auch in der taz gibt es dazu heute eine Meldung und einen Kommentar.


Weiterlesen...

Donnerstag, 26. Februar 2009

Fall "Emmely": Antwaltsverein fordert Thierses Rücktritt

Als "ein barbarisches Urteil von asozialer Qualität" (SpOn) hat Wolfgang Thierse das Urteil des Berliner Arbeitsgerichtes im Fall Barbara E. vs. Kaiser's bezeichnet.

Nun tritt, wie die B.Z. heute meldet, der Berliner Anwaltsverein (BAV) auf den Plan und fordert, dass Thierse sich für diese "nicht hinnehmbare Entgleisung" entschuldigen müsse.

Weiter sagte der BAV-Vorsitzende Ulrich Schellenberg laut B.Z.:

zuletzt habe Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) im Zusammenhang mit dem Selbstmordanschlag vor der deutschen Botschaft in Kabul von einem "Akt der Barbarei" gesprochen. Wenn der Bundestagsvizepräsident nun die gleiche Wortwahl in Bezug auf eine Entscheidung eines deutschen Gerichtes verwende, sei er als einer der führenden Repräsentanten des Landes nicht tragbar.


Nun - wenn man weiß, dass "Barbar" (βάρβαρος, bárbaros) ursprünglich die Bezeichnung der Griechen für jene war, die nicht "Rrecht zu sprechen" wussten, dann scheint Thierses Aussage eigentlich doch recht treffend formuliert.

Im Übrigen fällt mir dazu echt nichts ein - außer, dass der folgende Song (wenigstens) einen äußerst passenden Vers zum Thema enthält:



Weiterlesen...

Mittwoch, 25. Februar 2009

Unterschlagung des Tages

Die Supermarkt-Kassiererin Barbara E. soll angeblich - was ihr freilich nicht nachzuweisen war - während ihrer Tätigkeit in den Diensten der Firma "Kaiser's" zwei Pfandbons im Wert von insgesamt 1,30 Euro unterschlagen und für sich eingelöst haben. Ihr Arbeitgeber hatte ihr auf diesen Verdacht hin nach immerhin einunddreißigjähriger Betriebszugehörigkeit fristlos gekündigt. Frau E. ist seither arbeitslos und lebt gegenwärtig von ALG2. Ihre Klage gegen die Entlassung wurde gestern erneut abgelehnt und die Kündigung nun bereits in zweiter Instanz vom Berliner Landesarbeitsgericht für rechtmäßig erklärt.

Ausgerechnet Franz Josef Wagner stimmt darob in der BILD einmal mehr das Hohelied der unbedingten Ehrlichkeit an und äußert sich heute zum Fall der Barbara E. wie folgt:

Kaiser’s hat Sie entlassen. In zweiter Instanz haben die Richter gestern Kaiser’s recht gegeben. Und ich gebe den Richtern auch recht.

Worum es geht, ist die Besitzbewahrung. Die Bons gehörten der Kassiererin nicht. Egal, wie die Bons in ihre Finger gerieten, sie waren nicht ihr Eigentum.
[...]
Was ich denke, ist: Man darf nicht im Kleinen und im Großen bescheißen.

Man darf nicht bescheißen!

Das sollten Sie sich mal selbst zu Herzen nehmen, werter Herr Wagner. Sie schreiben: "Egal, wie die Bons in ihre Finger gerieten," und dabei ist nicht einmal erwiesen, dass Frau E. diese Bons überhaupt jemals in den Fingern gehalten hat.

Ich weiß - man wird Sie für diese Unterschlagung nicht vor Gericht stellen und so bleibt mir nur - entgegen meiner eigentlichen Überzeugung - zu hoffen, dass der Gott, an den Sie ja zu glauben vorgeben, mit Ihnen einst ebenso ungnädig verfahren wird, wie die Firma Kaiser's und die Gerichte mit Frau E., und dass ER Sie für allein für diesen Beschiss ausgiebig wird in der Hölle schmoren lassen.

Mit heftigen Flüchen

Roger Beathacker

Nachtrag (25.02.2009, ca. 12:25h)
Hier noch einen Hinweis auf einen lesenswerten Artikel von Heribert Prantl zu diesem und anderen Fällen in der Süddeutschen Zeitung vom 25.02.2009.

Prantls Fazit:
Die Strafmaßunterschiede bei U-Bahn-Schwarzfahrern einerseits und bei Steuerhinterziehung oder Korruption andererseits sind krass: Massenfälle hier, Sonderfälle dort. Strafrecht gilt deshalb in besseren Kreisen immer noch als Spezialrechtsgebiet gegen das Prekariat und den unteren Mittelstand.

Das Recht ist auch für die Schwachen da. Das ist ein selbstverständlicher Satz. Aber das Selbstverständliche ist leider nicht selbstverständlich.


Hier noch ein Hinweis auf einen weiteren lesenswerten Artikel, in dem auch die Hintergründe des Falles ausfürlich darstellt werden.

Weiterlesen...

Dienstag, 24. Februar 2009

Jahrestag: Berlin Alexanderplatz

Wie die rbb Abendschau vom Tage meldete, wurde heute vor 80 Jahren, also am 24. Februar 1929, Alfred Döblins Roman "Berlin Alexanderplatz" erstmals veröffentlicht.

Er stand vor dem Tor des Tegeler Gefängnisses und war frei. Gestern hatte er noch hinten auf den Äckern Kartoffeln geharkt mit den andern, in Sträflingskleidung, jetzt ging er im gelben Sommermantel, sie harkten hinten, er war frei. Er ließ Elektrische auf Elektrische vorbeifahren, drückte den Rücken an die rote Mauer und ging nicht. Der Aufseher am Tor spazierte einige Male an ihm vorbei, zeigte ihm seine Bahn, er ging nicht. Der schreckliche Augenblick war gekommen (schrecklich Franze, warum schrecklich?), die vier Jahre waren um. Die schwarzen eisernen Torflügel, die er seit einem Jahre mit wachsendem Widerwillen betrachtet hatte (Widerwillen, warum Widerwillen), waren hinter ihm geschlossen. Man setzte ihn wieder aus. Drin saßen die andern, tischlerten, lackierten, sortierten, klebten, hatten noch zwei Jahre, fünf Jahre.
Er stand an der Haltestelle.
Die Strafe beginnt.
Alfred Döblin. Berlin Alexanderplatz. Aufbau Verlag. Berlin und Weimar 1982. S.9.





Weiterlesen...

"false friends"

Die Nachdenkseiten verweisen heute im Zusammenhang mit der Debatte um die jüngsten Entgleisungen des Vorsitzenden der jungen Union, Phillipp Mißfelder, unter anderem auf einen Artikel der gestern in der Süddeutschen Zeitung erschienen ist.

Dort werden Mißfelders Äußerungen zwar als "dumm und unerträglich" bezeichnet, insgeheim aber scheint man ihm jedoch - wenigstens im Kern - beizupflichten. Denn nachdem man eher beilaeifig die "Proteste von Wohlfahrtsorganisationen" als "rituell" abgekanzelt und damit klar gestellt hat, dass es bei denen mit dem Denken offenbar (auch) nicht weit her ist, und wir es bei diesen Protesten nicht mit Kritik, sondern mit einer Art von blindem Aktionismus zu tun haben, wird behauptet:
Im Hartz-IV-System liegen die Missbrauchsquoten offiziell bei zwei bis drei Prozent - das sind diejenigen, die die Ermittler der Jobcenter bei Schummeleien ertappen, wenn sie in Schränke gucken oder Kontodaten prüfen. Tatsächlich dürfte die Missbrauchsquote größer sein. Praktiker wie der Bürgermeister des Berliner Problemviertels Neukölln taxieren sie "zwischen 15 und x Prozent", auch wegen der Schwarzarbeit.
Dabei wird natürlich darauf verzichtet auch anzugeben, auf was sich denn die Vermutung des Neuköllner Bürgermeisters stützt. - Natürlich ist es möglich, dass eine Quote von mehr als 15% "Missbrauch" Buschkowskys "praktischen Erfahrungen", die er in seinem Stadtteil gemacht hat, entspricht oder nahekommt. Nun ist Neukölln aber nicht gerade ein Stadtteil, den man als repräsentativ für die gesamte Bundesrepublik ansehen könnte. Wer solche Zahlen aber als annehmbare, wenngleich verborgene "Fakten" in die Diskussion bringt ohne nachzuweisen worauf sie sich stützen, der schlägt sich insgeheim auf die Seite derer, die nichts besseres zu tun haben, als das Gespenst des massenhaften sog. "Sozialmissbrauchs" Tag für Tag neu an die Wand zu malen, u.a. indem lokale Quoten unhinterfragt zu globalen hochgejazzt werden.

Weiter ist zu lesen:
Und in einem System, das jährlich 50 Milliarden Euro verteilt, werden bedürftige Menschen immer versuchen, jede Lücke und Möglichkeit zu nutzen, um möglichst viel Geld zu ergattern.
Man beachte: "bedürftige Menschen" sind es, die "immer versuchen, jede Lücke und Möglichkeit zu nutzen, um möglichst viel Geld zu ergattern." "Die andren Kinder tun das nicht, weiß auch nicht genau warum". (Heiner Pudelko. Kinderlied). Die anderen Kinder: die Zumwinkels, Hartzens und Ackermänner dieser Republik

Natürlich - auch bei der Süddeutschen weiß man: es gibt Ausnahmen, denn
Hunderttausende Langzeitarbeitslose tun alles für eine feste Stelle. Aber es gibt auch welche, die lieber Hartz IV beziehen, als einen Job anzunehmen, weil sich das Arbeiten für sie kaum lohnt.
Man achte auf die Relationen: unter Millionen Betroffenen finden sich (immerhin!) "hunderttausende Langzeitarbeitslose", die "alles tun für eine feste Stelle".

Abgesehen davon, dass die Hunderttausende vermutlich eben so untertrieben sind, wie die Missbrauchsquote von mehr als 15% vermutlich übertrieben ist, bedeutet dieses, dass man immer noch Millionen getrost auf die andere - die "schlechte" - Seite packen darf - ja muss. Ferner ist hier wohl die Frage erlaubt, was denn unter "tun alles" im Näheren zu verstehen ist und ob man dieses "alles" überhaupt verlangen darf, zumal wenn es darauf hinaus läuft, dass von den Betroffenen zunehmend miese Bezahlung und unzureichende Arbeitsbedingungen in Kauf genommen werden (müssen) um überhaupt ein Einkommen jenseits von Hartz-IV erzielen zu können - was oft genug nicht einmal gelingt, weil immer mehr Menschen in Tätigkeiten vermittelt werden, die nicht geeignet sind ohne weitere Zuschüsse der öffentlichen Hand das eigene (Ueber-)Leben zu sichern.

Zu guter letzt wird dann noch bestätigt, dass es sie ja auch tatsächlich gibt, die Säufer, von denen bei Mißfelder die Rede war:
Besonders hilflos zeigt sich die Gesellschaft bei denjenigen, die ganz unten sind. Sie sind Hartz-IV-Dauerkunden, oft ohne Abschlüsse, unvermittelbar und ohne Aussicht, wieder hochzukommen. Sie glauben nicht mehr an sich selbst und haben sich in dem System eingerichtet. Ihre Kinder sagen auf die Frage, was sie einmal werden wollten: "Hartz IV". Und manche dieser Kinder haben tatsächlich nichts von höherem Sozialgeld, weil der Vater die paar Euro versäuft.
Doch man gibt sich einsichtig:
Deswegen alle Hartz-IV-Empfänger zu diskriminieren und ihnen nur noch Essensgutscheine auszuhändigen, ist aber falsch.
Man sieht: nicht etwa was Mißfelder behauptet wird als falsch angesehen, sondern wie er seine Verbalattacken vorgetragen hat. Man darf nicht "alle Hartz-IV-Empfänger diskriminieren", die Mehrzahl aber offenbar schon. Und man hat sich, damit dies nicht auffällt, dabei geschickt anzustellen genug anzustellen und nicht "dumm" daherzureden, denn das ist "unerträglich" für die scheinheilige, arbeitsame und gesittete Mittelschicht oder was sich dafür zu halten beliebt.

Selbstverständlich - das sei unbestritten - gibt es Alkoholismus, Drogenabhängigkeit und Verwahrlosung in diesem Land - und zwar zuviel davon. Und natürlich gibt es auch Massen- und Langzeitarbeitslosigkeit und zwar ebenfalls in einem Ausmaß, das alles andere als wünschenswert ist. Dabei handelt es sich aber um grundverschiedene Tatbestände, die sich zwar partiell überlappen, nicht aber deckungsgleich sind. Und gegen dieses Trugbild falsch konstruierter vermeintlicher Kausalitäten gilt es anzudenken und anzugehen.




Weiterlesen...

Montag, 23. Februar 2009

Aktion: Abwrackprämie für Fahrräder

Erst kürzlich bemerkte ich - halb im Scherz - in einer Unterhaltung mit der besten aller Lebensgefährtinnen, dass doch eigentlich gar nicht einzusehen sei, warum ausgerechnet die Verschrottung und der Neuerwerb von Automobilen mit einer satten Gutschrift von 2.500 Euro prämiert, uns Radfahrern aber kein vergleichbares Angebot gemacht werde.



Sehr zu meiner Freude sehe ich nun, dass wir nicht allein auf diesen Gedanken gekommen sind. Wie nämlich der taz heute zu entnehmen ist, hat der Verkehrsclub Deutschland sogar schon eine entsprechende Aktion initiiert und überdies bereits ein Online-Formular ins Netz gestellt, mit dessen Hilfe man auf einfache Weise seinen Wunsch an die zuständigen Behörden übermitteln und die Zusendung entsprechender Antragsunterlagen beantragen kann.

Mein Antrag ist bereits auf dem Weg:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich finde es ungerecht, dass der Staat mit der Abwrackprämie Steuergelder in Milliardenhöhe ausgibt und davon nur Autofahrer profitieren. Ich besitze kein eigenes Auto, sondern nutze das Rad und den öffentlichen Verkehr. Ich will mein altes Fahrrad verschrotten lassen und mir ein neues kaufen. Deshalb will ich eine Umweltprämie für den Kauf eines neuen Fahrrades und Fahrausweise für den öffentlichen Verkehr in Höhe von 2500 Euro beantragen. Bitte schicken Sie mir die dafür notwendigen Unterlagen zu.

Kommentar
Wir alle wissen, der Verbrennungsmotor hat keine Zukunft. Und auch das "umweltfreundlichste" Auto bleibt eine Dreckschleuder. Tun sie etwas für ein besseres Klima und eine gesündere Bevölkerung. Fördern Sie die wirkliche "auto-Mobilität".

Davon abgesehen: Auch in der deutschen Fahrradindustrie stehen nicht erst seit heute zahlreiche Arbeitsplätze auf dem Spiel, die es zu "retten" gilt.

Vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen

Vorname Nachname


;-)


Weiterlesen...

Sonntag, 22. Februar 2009

Viel Lärm um nichts?

Die Erhöhung der Hartz IV Sätze sei "ein Anschub für die Tabak und Spirituosenindustrie", soll er gesagt haben, der Mißfelder - Wie viele andere, habe auch ich das vernommen und mich kurz gefragt ob ich dazu etwas schreiben soll, was ich dann aber vorerst bleiben ließ. An derartige Dumpfbacken ist im Grunde jedes Wort verschwendet. Und Mißfelder hat ja auch nichts gesagt, das man von ihm nicht hätte erwarten dürfen. Im Gegenteil, verglichen mit dem was er vor sechs Jahren von sich gegeben hat, war diese Äußerung geradezu harmlos. Und warum sollte man von einem Vertreter der eher als "rechts" angesehenen CDU mehr erwarten, als von Mitgliedern der angeblich "linken" SPD, wie etwa Wolfgang Clement oder Thilo Sarrazin?

Andere haben das anders gesehen und so wurde der "Fall Mißfelder" schnell zum beherrschenden (blog-)Thema der letzten Tage. Dabei ist nicht eigentlich Mißfelder das Problem, der sagt einfach nur was er denkt (oder was er für Denken hält) und was eine nicht gerade geringe Zahl unserer geschätzten Mitbürger offenbar ebenfalls unter "vernünftigem" Denken versteht. Das zeigt sich an dem Beifall, der seinen Worten - insbesondere nach dem er sie "relativiert" hat - inzwischen gezollt wird.

Anzumerken ist hier, dass Mißfelder eigentlich gar nichts relativiert, sondern einfach das Thema gewechselt hat. Plötzlich ging es gar nicht mehr um den Tabak- und Zigarettenkonsum von ALG2 Empfängern (der ihn, mit Verlaub, ohnehin einen Scheißdreck angeht), sondern um die armen, unschuldigen Kinder des gesellschaftlichen Abschaums:
Mißfelder relativierte am Freitag seine Äußerungen:
"Es geht nicht um eine Herabsetzung von Hartz-IV-Empfängern, die häufig unverschuldet in ihre Lebenssituation geraten sind", sagte Mißfelder der Nachrichtenagentur AP. "Mir geht es darum, dass das Geld bei den Kindern ankommt. Und da habe ich große Zweifel, ob die Unterstützung zielgenau ist", sagte Mißfelder.
Okay - er sagt nicht "Abschaum", sondern spricht von "armen und manchmal auch überforderten Menschen", insofern relativiert er seine Aussage doch. Und "armen und manchmal auch überforderten Menschen" hilft man offenbar am Besten, indem man sie schrittweise entmündigt:
Mißfelder: [in BILD] Dieser Missbrauch wird ja nicht von bösen, sondern von armen und manchmal auch überforderten Menschen betrieben. Denen muss man helfen. Ich bin dafür, Gutscheine zur Verfügung zu stellen, z. B. zur Finanzierung der Schulspeisung, von Nachhilfeunterricht und für Sport. Bisher ist es ja in Missbrauchsfällen so, dass die Kinder ohne Frühstück in die Schule oder in den Kindergarten kommen und das Jugendamt sagt: Da können wir leider nichts machen. Da kann man was machen!
Das brachte nicht nur Applaus von den Bildzeitungsvorzeigemoralaposteln Hahne und Lambeck, sondern auch - man glaubt es kaum - von einem eher obskuren Verein, der sich "Deutsche Kinderhilfe e.V." nennt:
"Es ist gut, dass eine solche Aussage gemacht wird, damit eine Debatte angeregt wird", sagte ihr Vorsitzender Georg Ehrmann der Nachrichtenagentur AP. Tatsächlich gehe nach Beobachtungen der Kinderhilfe die "beinahe schon reflexartige" Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze "genau in die falsche Richtung". So sei insbesondere im Hartz-IV-Milieu ein besonders hoher Anstieg des Verkaufs elektronischer Medien zu beobachten, sagte Ehrmann. [FTD]
Ja, klar kann man da "was machen" Herr Mißfelder! - aber wenn schon, dann doch bitte konsequent. Immerhin dürfte es auch reichlich Kinder von Nicht-ALG2-Abhängigen geben, von Leuten also, die irgendeinem Job nachgehen und der Gesellschaft "nicht auf der Tasche liegen". Wenn also das eigentliche Problem dieses ist: dass das Geld (egal aus welcher Quelle es sprudelt), den Kindern nicht zugute kommt, dann plädiere ich dringend dafür, alle Kinder beim Betreten der Schulen künftig daraufhin zu kontrollieren, ob sie auch ein "ordentliches Frühstück" dabei haben oder etwa übergewichtig daherkommen. Eltern von Kindern die mehr als einmal ohne ordnungsgemäß zubereitetes Frühstückspaket oder nur mit einer Kinder-Milchschnitte versehen ihre Bildungsstätte aufsuchen, ist zum Wohle ihrer Nachkommenschaft fortan ein Teil ihrer Einkünfte - und zwar ganz abgesehen von der Frage, ob diese aus ALG2 oder Erwerbseinkommen stammen - in Gutscheinen auszuhändigen. Für die Eltern übergewichtiger Kinder gilt das gleiche; was als Übergewicht anzusehen ist, bemisst sich dabei nach dem je aktuellen Sozialhilfebedarf deutscher Banken und in Deutschland ansässiger, von der Pleite bedrohter Großunternehmen.

Man sieht: das Problem sind nicht die einzelnen Dumpfbacken wie Mißfelder, Thilo Sarrazin, Wolfgang Clement, Gottfried Ludewig, Roman Herzog, Franz Müntefering, Heinrich Alt usw usf. Das Problem ist der Un-Geist der sie und all die, die ähnlich "denken" wie sie selbst, beherrscht und den sie selbst als den schlechthin "guten Geist" oder "Geist der Guten" verehren. Und es ist eben dieser Ungeist, dem sich Hartz IV verdankt, als die "unterste Schublade der Gesellschaft, in der man mit Fug und Recht nichts als Abschaum vermuten darf.

Hartz IV erlaubt es der braven Mittelschicht, eine Auszeit zu nehmen von jeglicher Form differenzierten oder differenzierenden Denkens. Hartz IV das ist gleichbedeutend mit Faulheit, Laster und Schmarotzertum; mit Alkoholismus, Kettenrauchen und Flachbildschirmen. Obwohl die Zusammensetzung der Menschengruppe, die man in dieser untersten Schublade abgelegt hat, nicht weniger heterogen ist als die der übrigen Gesellschaft und obwohl die einzige Gemeinsamkeit, die tatsächlich alle ALG2 Empfänger teilen, eben die ist, dass sie über kein oder kein ausreichendes Erwerbseinkommen verfügen und die einzige Gemeinsamkeit der Übrigen, dass sie kein ALG2 beziehen, werden alle anderen Differenzierungen gegenstandslos, sobald jemand länger als ein Jahr arbeitslos seiend in dieser Schublade verschwindet. Da helfen weder Facharbeiterbriefe, noch Diplome, noch Dissertationen: ALG2- Bezug: das ist die eine große Diskriminierung, die in sich keiner weiteren Diskriminierungen (Unterscheidungen) bedarf; der große Wurf, der es erlaubt alle sozialen Probleme ggf. zu einem einzigen zu verschmelzen: gibt es ein soziales Problem, dann wird man es ganz sicher auch (!) in der Hartz IV Klientel finden, auf die es sich sodann beschränken und zu guter letzt totalisieren lässt, nach dem Muster:
  • : "Es gibt vernachlässigte Kinder."
  • -> "Es gibt vernachlässigte Kinder in "Hartz-IV-Familien."
  • -> "Nur in Hartz-IV-Familien gibt es vernachlässigte Kinder."
  • => "Kinder in Hartz-IV-Familen werden grundsätzlich vernachlässigt."
Je nach Bedarf können die "vernachlässigten Kinder" ggf. durch "Alkoholiker", "Kettenraucher", "Simulanten", "Flachbildschirm-Fetischisten", "Arbeitsscheue" usw. zu ersetzt werden. Die Formel stimmt immer.

Und damit ist klar: wer keine sozialen Probleme hat oder verursacht, der hat auch Arbeit und braucht kein ALG2. Und umgekehrt gilt, dass der arbeitslose ALG2-Empfänger nicht die Folge, sondern der Verursacher der sozialen Misere schlechthin ist. Sicherlich, es gibt Ausnahmen, das wird gemeinhin nicht in Abrede gestellt, aber diese Ausnahmen bestätigen - einmal mehr - nur die Regel, denn mehrheitlich - das steht fest - trifft es doch bloß diejenigen, die nichts besseres verdient haben, weil sie (sich) eben nichts "verdienen". Und "wer nicht arbeitet, braucht nichts essen." (Franz Müntefering 2006).

Was dabei offenbar vergessen gemacht werden soll: dieser Sumpf wurde von eben denen, die jetzt bei jeder sich bietenden Gelegenheit lauthals die Verhältnisse, die dort (angeblich) herrschen, beklagen im Wesentlichen einmütig und mit Bedacht angelegt, von jenen "Vertretern und Anwälten der Mitte" also, die sich - zunehmend zu Unrecht - "Volksvertreter" nennen und die in gelegentlich wechselnder Konstellation seit 60 Jahren dieses Land regieren; und dieser Sumpf wird unverdrossen und stetig weiter mit Schlamm befüllt von deren Helfershelfern, den unbeugsamen Verteidigern der privilegierten Meinungsfreiheit, die diese ihre freie Meinung Tag für Tag in Presse, Funk und Fernsehen tapfer als die herrschende durchzusetzen trachten. Phillipp Mißfelders jüngste Äußerung ist nur ein weiterer Misston in der Kakophonie laut quakend ihren Pfuhl verteidigender Frösche, und gäbe es nicht bereits Zeitgenossen wie Mißfelder und Konsorten, man würde sie wohl erfinden müssen.



Weiterlesen...

Donnerstag, 19. Februar 2009

Petition zum Bedingungslosen Grundeinkommen: Einer geht noch

Auch nachdem die Frist für die Mitzeichnung der Online-Petition abgelaufen ist, kann man die Petition zum Bedingungslosen Grundeinkommen noch etwa drei Wochen lang unterstützen und zwar per Brief oder Fax.

Und wie das recht einfach zu bewerkstelligen ist, zeigt blogger maru64 auf "Meine Meinung", wo ich diese Info gefunden habe.

Wie es dann weitergeht, ist freilich ungewiss:
In den Medienberichten der letzten Tage hieß es, die Initiatorin der Petition müsse vom Ausschuss zu einer Anhörung eingeladen werden, wenn mehr als 50 000 Bürger die Petition unterzeichneten. Stimmt das ?
Prinzipiell gibt es die Möglichkeit, aber die Richtlinien besagen auch, dass eine Petition innerhalb von drei Wochen die 50 000 Unterschriften erhalten müsste, um eine solche öffentliche Anhörung zu erzwingen. Das ist bei der Petition zum Grundeinkommen nicht der Fall. Die Mitzeichnungsfrist betrug hier sechs Wochen. Aufgrund eines technischen Problems wurde die sechswöchige Zeitspanne zusätzlich um eine Woche verlängert. Die 50 000 Unterschriften sind also nicht in der vorgesehenen Zeit zusammen gekommen.

Das heißt, Frau Wiest wird vom Petitionsausschuss gar nicht angehört?

Davon gehe ich jetzt aus. Wir werden als LINKE trotzdem eine Anhörung beantragen. Aber dagegen sperren sich sowohl die Koalitionsparteien als auch die anderen beiden Oppositionsfraktionen.
Wer die Petition für ein bedingungsloses Grundeinkommen (Wortlaut siehe ND vom 17. 2. 2009, S. 3) unterstützen möchte, wende sich an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, Platz der Republik 1, 11011 Berlin (Tel.: 030/227 35257).

Aus einem Interwiew mit Kersten Naumann Bundestagsabgeordnete der LINKEN und seit 2005 Vorsitzende des Petitionsausschusses; Neues Deutschland, 19.02.2009

Weiterlesen...

Fords Problem

In seinem letzten Artikel (Managergehälter - wo liegt eigentlich das Problem?) erwähnt der Oeffinger Freidenker eine Anekdote, die über Henry Ford im Umlauf ist und die von diversen Autoren schon recht häufig bemüht wurde, um zu zeigen, wie ein (kluger) Unternehmer verfahren sollte, wenn er will, dass "der Laden läuft". Der Oeffinger schreibt also:
Ford war kein Idiot und sicherlich kein Menschenfreund. Er hatte schlicht erkannt, dass das Bezahlen höherer Gehälter für alle Angestellten letztlich auch zu seinem Vorteil sein würde, weil es Kunden schafft - Kunden, die seine Produkte kaufen können.

Was ist nun Fords Problem?

Fords Problem ist: er kann seinen eigenen Angestellten und Arbeitern nie soviel bezahlen, dass sie alle seine Produkte kaufen können. Ein kapitalistischer Betrieb benötigt stets mehr Kunden als er Betriebsangehörige hat, bzw. mehr Kaufkraft als er selbst auszuschütten bereit ist, denn um bestehen zu können, müssen seine Einnahmen dauerhaft seine Ausgaben übersteigen. Mit anderen Worten: er braucht einen Markt außerhalb des eigenen Produktionssystems, auf dem er die eigentlichen Gewinne erwirtschaften kann.

Doch aufs Ganze gesehen funktioniert das System - jedenfalls solange auf diesem Markt ausschließlich verschiedene, nach dem gleichen Muster operierende Systeme miteinander im Austausch stehen - selbst dann nicht dauerhaft. Es muss also außerdem noch einen Bereich (ein "Reservat") geben, der/das sich in besonderer Weise ausbeuten lässt, sei es dass sich dort (besondere) Einnahmen generieren lassen oder dass Kosten dorthin abgewälzt werden können.

In einem "vervollkommneten" (ab-)geschlossenen kapitalistischen System (z.B. bei vervollständigter ökonomischer Globalisierung) müsste dieses Problem jedoch auf höherer Ebene als ein allgemeines wiederkehren. Eine Stärkung der Kaufkraft durch höhere Bezahlung der Arbeiter könnte es nur verzögern, nicht aber verhindern. Wenn die Bezüge nicht weiter erhöht werden können, ohne dass die Substanz der Betriebe angegriffen würde, kann man den Arbeitern natürlich auch Kredite geben, damit sie sich (noch) ein bisschen mehr "leisten" können, von dem, was sie im Übermaß produzieren ...

An was erinnert mich das bloß?


Weiterlesen...

Mittwoch, 18. Februar 2009

Ungleiche Gleichbehandlung

Gerade vernahm ich im Radio eine Meldung, in der verkündet wurde, dass die Beiträge zur Krankenversicherung ab dem 1. Januar 2010 steuerlich absetzbar sein sollen. Das werde, so hieß es weiter, "die Bürger" um jährlich rund 9 Milliarden Euro entlasten.

Nun werden gewisse Kreise ja nicht müde immer wieder zu betonen, dass doch nur rund 50% der Einkommensbezieher überhaupt (nennenswerte) Einkommensteuerbeträge zahlen und die reichsten 10% allein mehr als die Hälfte des Gesamtaufkommens tragen würden. Demnach kann mit "die Bürger" eigentlich nur die Einkommenssteuer zahlende Hälfte der Bevölkerung gemeint sein. Was aber sind dann die übrigen?


Auf jeden Fall: einmal mehr die Dummen, denn wer keine oder kaum Einkommenssteuern zahlt, der kann auch nichts oder fast nichts absetzen. Immerhin aber könnte bei diesem Entlastungspaket am Ende herauskommen, dass infolge dieser Regelung die Zahl derjenigen, die keine oder fast keine Einkommenssteuer zahlen müssen weiter zunimmt, weil sich das eine oder andere bescheidene Einkommen durch die Absetzbarkeit soweit mindern lässt, dass eben nichts mehr zu versteuern bleibt. Und so wird es dann 2011 womöglich heißen, dass ja nur 40 oder 45% aller Einkommensbezieher die gesamte Steuerlast tragen müssten. Und die arme Mittelschicht, (bzw. deren selbsternannte Anwaltschaft, siehe Bild unten) darf noch lauter jammern, als es ohnehin schon der Fall ist.



Eine etwas differenziertere Meldung zu diesem grandiosen "Bürgerentlastungsgesetz" findet sich heute im Berliner Tagesspiegel:

Ab Januar 2010 müssen insbesondere gut verdienende Familien mit Kindern weniger Steuern zahlen. Die Bundesregierung will dazu an diesem Mittwoch im Kabinett das sogenannte Bürgerentlastungsgesetz verabschieden. Danach können mehr Menschen die Beiträge, die sie für ihre Krankenversicherung bezahlen, steuerlich geltend machen. Betroffen davon werden rund 60 Prozent aller Steuerzahler sein. Insgesamt sollen sie ab 2010 jährlich rund 9,3 Milliarden Euro weniger Steuern zahlen.
[..]
Weil Steuerzahler die Vorsorgeaufwendungen zum Teil auch heute schon steuerlich geltend machen können, werden gesetzlich Versicherte von dem neuen Gesetz wahrscheinlich kaum Vorteile haben. Privat Versicherte, die Ehepartner und vor allem Kinder extra zu versichern haben, werden hingegen einige hundert Euro Steuern im Jahr sparen können.


Wie sehr die absoluten Spitzenverdiener gegenwärtig durch den Fiskus gebeutelt werden, erhellt indes diese Notiz im Hamburger Abendblatt vom 26. Februar 2008:

Spitzenverdiener zahlen in Deutschland offenbar nur selten den höchsten Steuersatz. Die 450 Deutschen mit dem höchsten Einkommen entrichteten dank Freibeträgen im Schnitt nur 34 Prozent Einkommenssteuer.




Weiterlesen...
www.flickr.com


Twingly BlogRank Blog Button blog-o-rama.de Bloggeramt.de Blog Top Liste - by TopBlogs.de blogoscoop Blogverzeichnis Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de RSS Newsfeeds Verzeichnis RSS-Scout - suchen und finden BlogPingR.de - Blog Ping-Dienst, Blogmonitor Directory of Politics Blogs frisch gebloggt Blogkatalog Bloggernetz - der deutschsprachige Pingdienst RSS Verzeichnis Blogverzeichnis Listiger Bloganzeiger Politics Blogs - Blog Top Sites Suchmaschinenoptimierung mit Ranking-Hits Verzeichnis für Blogs
Diese Seite ist dabei: Spamfrei suchen...

  © Blogger template Newspaper III by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP