Kennzeichen einer jeden Marktwirtschaft ist schlicht und einfach, dass Arbeitsprodukte nicht im Hinblick auf ihre Verwendbarkeit durch den Hersteller selbst, sondern als Waren mit dem einzigen Zweck, sie gegen andere Produkte, die der Erzeuger nicht selbst verfertigen kann oder will, einzutauschen. Ein Markt ist demnach gegeben, wenn mindestens zwei Menschen in eine marktförmige soziale Beziehung zueinander treten und dabei den Zweck verfolgen, ihre je eigenen Arbeitsprodukte gegen die Arbeitsprodukte eines anderen einzutauschen. Die "Gewinnabsicht" kann dabei darauf beschränkt bleiben, etwas anderes zu bekommen. Eine Bereicherungsabsicht - im Sinne von: mehr bekommen, als man zu geben gewillt ist, gehört also keineswegs schon zu den Grundbedingungen des Marktes. Das gilt auch dann noch, wenn die Transaktionen komplexer werden und zwischen den reinen Warentausch das Geld geschaltet wird, so dass der Austausch nun nicht mehr nach dem simplen Schema W<=>W, sondern nach dem Schema W<=>G<=>W abläuft. Man gibt eine Ware her und erwartet, dafür eine gleichwertige Ware oder deren Äquivalent in Geld zu erhalten. Soviel also zunächst zu den eigentlich recht banalen Mindestvoraussetzungen.
Mit dieser Beschreibung ist aber auch schon gesagt, dass im Grunde genommen jede Marktwirtschaft von vornherein auch eine "soziale" ist, denn die marktförmige Austauschbeziehung ist zugleich stets eine zwischenmenschliche, ergo: eine soziale Beziehung.
Interessant wird es, wenn die Marktwirtschaft zur kapitalistischen Marktwirtschaft wird, was der Fall ist, sobald das Ziel des Austausches nicht mehr darin besteht, Waren gegen andere Waren, sondern Geld gegen anderes Geld (und zwar: mehr Geld!) einzutauschen, was sich (bei Marx) darstellt als: G->W->G' oder im "Klartext": Geld -> Ware -> Mehr Geld -> Ware -> noch mehr Geld usw. und sich im lupenreinen Kapital- oder Finanzmarkt verkürzt zu: G->G'->G''->G''' usw. usf.
Wenn wir uns nun die Wirtschaftsform die in diesem Land praktiziert wird betrachten, dann werden wir unschwer feststellen, dass das Attribut "Soziale Marktwirtschaft", mit dem manche sie als eine besondere Form der Marktwirtschaft kennzeichnen wollen, nichts ist als eine tautologische Leerformel, denn, wie gezeigt ist "der Markt" immer schon eine soziale Institution, einfach weil es dabei zentral um die Interaktion mehrerer menschlicher Akteure geht. Dabei ist selbstverständlich das sog. "asoziale" als eine Form des Sozialen - in der hier deskriptiven Verwendung des Begriffes - von vornherein mit eingeschlossen.
Im Gegensatz dazu ist aber nicht jede Form der Marktwirtschaft auch kapitalistisch, denn wie ich oben darzustellen versucht habe, ist ja keineswegs jede Austauschbeziehung auch mit einer Gewinnabsicht behaftet. Das allerdings, was hierzulande unter dem Label "Soziale Marktwirtschaft" verkauft wird, ist jedoch im Besonderen und zu allererst eine kapitalistische Marktwirtschaft, denn Gewinnstreben ist hier unverkennbar ein nicht wegzudenkendes Element. Es erweist sich also als völliger Humbug, wenn - wie es mitunter geschieht - etwa zu behaupten versucht wird, dass es sich bei der sogenannten "Sozialen Marktwirtschaft" (auf die Spitze getrieben: "Neue soziale Marktwirtschaft") nicht um "Kapitalismus" handele.
Während das Wort "sozial" - wie oben - im umfassenden Sinne noch rein deskriptiv (beschreibend) gebraucht werden kann, wird es als Dichotomie sozial/asozial zu einem normativen Begriff. Wenn die "Soziale Marktwirtschaft" eine normative Vorgabe ist, dann müsste es demzufolge auch eine "Asoziale Marktwirtschaft" geben. Nach allem was uns aber die sogenannte "Soziale Marktwirtschaft" gegenwärtig beschert, möchte ich die lieber gar nicht erst kennenlernen.
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