Freitag, 28. August 2009

Sprachforschung im Wahlkampf (2): "Die Rhetorik der klaren Kritik" (FDP)


Zu der kürzlich hier bereits besprochenen Analyse des Sprachgebrauchs der Parteien im Wahlkampf ("Die Linke nutzt Schimpfvokabular") haben sich inzwischen ein paar weitere Untersuchungen gesellt. Eine von ihnen befasst sich mit der Rhetorik der FDP (im Vergleich zu SPD und CDU):

Die FDP versteht es in ihrer Rhetorik, direkter, klarer und emphatischer als SPD und CDU aufzutreten und so ihre Ansichten in der Rolle der Oppositionspartei besonders deutlich zu präsentieren. Was das Themenspektrum angeht, so lässt sich trotz gewisser rhetorischer Überschneidungen mit der SPD in den Bereichen Bildung und Entwicklung jedoch eine gewisse Konzentration bzw. Engführung in den Bereichen Steuer- und Finanzpolitik erkennen im Vergleich zu den beiden Volksparteien, die einhergeht mit einem überdurchschnittlichen Gebrauch von technischen und bürokratischen Ausdrücken.
Quelle

So lautet das Fazit, das die Autoren dieser Analyse ziehen. Mein eigenes Résumé weicht davon freilich doch ein wenig ab; zunächst jedoch noch einige Beispiele.

Das mit Abstand häufigste sprachliche Muster bei der FDP im Vergleich zu CDU und SPD sind Sätze, die Modalverben enthalten. [...] Bei der FDP dominieren jene Modalverben, die eine Aufforderung oder Notwendigkeit ausdrücken. Dazu gehören müssen, (nicht) dürfen und sollen.

Besonders typisch bei der FDP sind Modalverben in Verbzweitsätzen. Verbzweitsätze stellen innerhalb der Satztypen des Deutschen den einfachsten, da unmarkierten Fall dar. Entsprechend sind sie unmissverständlich und direkt. Darum geht es der FDP:

Das Umweltministertreffen muss die Weichen ?
Die Bundesregierung muss die Präsidentschaft ?
Der Staat muss den Spielraum ?
[...]
Sehr häufig kommen Modalverben auch in Verbindung mit einem Temporaladverb vor, etwa am Satzanfang ? Jetzt muss / Nun muss / Dann muss ? oder im Satzinnern:
[...]
Das Programm muss jetzt
Der Staat muss endlich
Die Bundesregierung sollte endlich
Die Koalition muss nun

Neben den Modalverben finden sich deutlich häufiger als bei der SPD und der CDU auch performative Verben, also Verben, durch die bestimmte Handlungen vollzogen werden. Dazu gehören beispielsweise ablehnen, auffordern, versprechen und zustimmen.

Die Wortwolke mit den häufigsten Verben bei der FDP zeigt dies auf.

In der Tat zeigt die Wolke das und unter den besonders häufigen Verben findet sich auch "fordern". Ein Verb das an anderer Stelle übrigens als besonderes Merkmal der LINKEn bezeichnet wurde.

Autoren von Texten verfügen über verschiedene Mittel, ihre kritische Haltung einem Wort oder Begriff gegenüber zu kennzeichnen. Sie können dies beispielsweise explizit tun oder aber implizit, indem sie den Wörtern oder Begriffen ein "sogenannt" voranstellen oder sie in Anführungszeichen setzen.

Solche Sprachthematisierungen setzt die FDP mit Abstand am wenigsten ein,[...].
Neben den bereits genannten Sätzen, die eine kritische Haltung explizit machen, sind für die FDP auch Evaluationen "ex positivo" typisch. Dazu gehören Sätze, die mit Es ist oder Das ist beginnen. Beispiele sind:

Es ist gut, dass
Es ist erfreulich, dass
[...]
Das ist ein klarer Fall
Das ist ein echtes Alltagsproblem
Das ist ein gefährliches Spiel
[...]

Der Wolf hat die Kreide vielleicht fressen wollen, sie aber wohl nicht gefunden. Ein solcher Sprachduktus verweist m.E. mitnichten auf eine "Rhetorik der klaren Kritik" (und schon gar nicht auf eine Rhetorik der Freiheit), sondern erinnert viel eher an den Jargon des Kasernenhofes. Vorsichtig ausgedrückt: diese Rhetorik ist autoritär und etwas schärfer: totalitär - zumindest aber totalisierend. Wo die Autoren der Studie von "Aufforderung" und "Notwendigkeit" reden, kann man ebensogut von Imperativ und Zwang sprechen. Die Sprache der Freiheit kann jedenfalls nicht eine Sprache sein, bei der das Müssen, Sollen, (nicht) Dürfen derart im Vordergrund steht.

Die Häufigkeit von "es ist" Sätzen lässt überdies darauf schließen, dass wir es hier womöglich mit Zeitgenossen zu tun haben, die in dem unerschütterlichen Glauben stehen, die "Wahrheit" für sich gepachtet zu haben; mit bornierten "Realisten", die vor lauter eindimensionaler "Realität" offenbar gar keinen Blick mehr für die vielfältigen Realitäten, denen verschiedene Menschen sich nun einmal ausgesetzt sehen, haben. Die Realität eines Josef Ackermann, eines Guido Westerwelle oder auch eines Franz Müntefering ist z.B. eine ganz andere, als die eines Kleinunternehmers, einer Friseuse oder eines Arbeitslosen. Und auch die Realität des Arbeitslosen unterscheidet sich von der des Kleinunternehmers noch einmal ebenso, wie sich die Realität eines Westerwelle von der eines Ackermann unterscheidet. Die Differenzen mögen unterschiedlich groß sein, vorhanden sind sie aber immer. Dass Müntefering - der in einer Scheinwelt lebt, in der die SPD noch immer eine "Volkspartei" ist - ohnehin an komplettem Realitätsverlust leidet, dürfte mittlerweile unübersehbar geworden sein. Das aber nur am Rande. Jedenfalls werden Meinungen und Ansichten nicht schon dadurch zu Tatsachen, dass man sie in "es ist"-Sätze verpackt unters Volk streut.

Am Besten an diesen Hardcore-Realos gefällt mir - obwohl unvollständig - noch der Spruch auf ihren Wahlplakaten, der erstaunlicherweise ganz ohne "muss", "soll" und "darf (nicht)" auskommt:

"Deutschland kann (sic!) es besser!"

Mein Vervollständigungsvborschlag wäre folgender:

Jeder andere in Deutschland kann es besser - als diese Pfeifen!

3 Kommentare:

Wahlprogramm 28. August 2009 um 06:10  

Hier eine Zusammenfassung aktueller Wahlprogramme:
http://www.frogged.de/superwahljahr-2009-parteiprogramme.html

lebowski,  31. August 2009 um 08:31  

"Deutschland kann es besser!"

gibt es bei uns in der Gegend noch in einigen lokalen Abwandlungen: Drensteinfurt kann es besser.

Das ist ganz fiese gönnerhafte Oberlehrerrhetorik.
"Junge, das kannst Du besser. Da hätte ich Dir mehr zugetraut.Streng Dich beim nächsten Mal mehr an."

Wenn man solche Sätze früher an der Schule gehört hat, dann von Lehrern, die es darin zur Meisterschaft gebracht hatten, sich an ihrem Institut ein schlaues Leben zu machen.

wölkschen 1. September 2009 um 18:40  

Interessant neben der Verbanalyse fände ich noch, wie häufig das Wort Kanzlerin von den Parteien verwendet wird. Mein Eindruck ist, dass dies nicht nur die CDU tut - aber wird mit der weiblichen Form nicht Angela Merkel und das Amt bereits verschmolzen? Sie ist was sie ist...

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