Montag, 27. April 2009

Doppelte Klatsche für "pro-reli"

Gleich doppelt abgewatscht wurden die Initiatoren des Volksentscheides zur Frage, ob das Fach "Religion" in Berlin zum Wahlpflichtfach (alternierend zum Pflichtfach "Ethik") gemacht werden soll. Zum einen wurde das erforderliche Quorum von 25% aller Wahlberechtigten mit einer Zustimmungsquote von lediglich 14% weit verfehlt, zum anderen wurde (anders als etwa beim Volksentscheid pro/kontra Flughafen Tempelhof) obendrein nicht einmal die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen erreicht. Nur etwa 48% derjenigen, die überhaupt zur Wahl gingen, stimmten für das Begehren, Religion per Gesetz als Wahlpflichtfach an Berliner Schulen einzuführen. Hinzu kommt noch, dass mit einer Wahlbeteiligung von 29% offenbar nicht einmal jeder Angehörige einer der "großen" christlichen Konfessionen zur Wahl gegangen ist, denn deren Anteil liegt in Berlin bei rund 32% der Wahlberechtigten. Insgesamt gehören weniger als die Hälfte aller Berliner überhaupt einer (anerkannten) Glaubensgemeinschaft an.

Religion ist keine ethische Grundlage, sondern (im besten Falle) ein ethisches Produkt

Selbst wenn man einzuräumen bereit ist, dass Religion moralische Werte vermittelt (oder wenigstens vermitteln kann), so bleibt doch festzustellen: irgendeine "moralische Idee" liegt jeder Religion immer schon im voraus zu Grunde, man kann nichts institutionalisieren, was es nicht schon vor der Institutionalisierung gibt; und: Moral ist inhaltlich keine feste Größe. Eine moralische Praxis, die heute für noch gut befunden wird, kann morgen in Zweifel gezogen und übermorgen gänzlich über Bord geworfen werden. Das gilt selbst für die Moralen der verschiedenen christlichen Kirchen, die ja längst nicht mehr alle moralischen Praktiken vertreten (können) für die sie irgendwann einmal gestanden haben, man denke z.B. an Zwangstaufen und anschließende Verbrennung der frisch "Bekehrten" zwecks "Rettung" ihrer bis dato heidnischen Seelen vor dem Fegefeuer.

Abgesehen davon ist auch so manche gegenwärtig noch gängige und allseits tolerierte religiöse Praxis als zumindest grenzwertig und zum Teil sogar in klarem Widerspruch zu geltenden Rechten und Gesetzen liegend anzusehen, wie z.B. die Beschneidung, die m.E. das hierzulande verbriefte Recht von Kindern auf eine gewaltfreie Erziehung verletzt. Aber schon die, für die meisten vermutlich vergleichsweise harmlos anmutende, (Zwangs-)Taufe von Kleinstkindern - eine Zeremonie, die so manchen Säugling vollkommen unnötiger Weise in Angst und Schrecken versetzt - lässt sich als ein Verstoß gegen dieses Recht begreifen.

Was die Toleranz - neben "Freiheit" ein weiteres im Verlauf der Kampagne arg strapaziertes Wort - angeht: Toleranz ist so ziemlich das Letzte, dass man (in religiöser Hinsicht) von einer Religion, die sich wirklich ernst nimmt erwarten darf. Wie sollte denn der Gläubige einerseits "fest im Glauben stehen" und dabei zugleich einräumen können (müssen), dass man womöglich auch nach anderer (oder gar vollkommen ohne) "Fasson selig werden" könne? - Schließlich beanspruchen so ziemlich alle gängigen religiösen Lehren für sich, im Besitz von (absoluten) geoffenbarten Wahrheiten zu sein und nicht etwa nur Eventualitäten zu verkünden. "Ich bin der Herr Dein Gott..." heißt es im alten Testament, und: "Du sollst nicht andere Götter haben neben mir". Die sogenannte religiöse Toleranz kann somit im Kern eigentlich nicht mehr sein als Duldung. Eine Duldung, die vielleicht dadurch begünstigt wird, dass man sich, zumindest was die großen monotheistischen Religionen angeht, ggf. einreden kann, dass es sich ja bei all diesen Lehren um den selben und ein(zig)en Gott handele und dass es lediglich in der Praxis der Verehrung und der Deutung seines Willens einige Unterschiede gäbe.

Im Grunde genommen verdankt sich eine solche Duldung wohl vornehmlich der recht pragmatischen wenngleich unausgesprochenen Einsicht vieler Menschen, dass der irdische Frieden für ihr tägliches Leben womöglich doch von größerer Bedeutung sein könnte, als der himmlische. Doch was mehr sollte der radikal überzeugte Gläubige aus der Tiefe seines Glaubens gegenüber den Andersgläubigen (und damit: Fehlgeleiteten) aufbringen können, als Verachtung oder - bestenfalls - Mitleid? Und das gilt sicherlich erst Recht für die Haltung gegenüber dem ganz und gar "Ungläubigen", für den ggf. gar kein Toleranzgebot gilt. Es scheint naheliegend: dort wo religiöse Menschen (religiös hier: im Sinne von [bloß] konfessioneller Gebundenheit) wirklich tolerant sind, da sind sie es, weil sie viel eher Agnostiker sind als Gläubige, doch dort wo der Glaube fest ist, ist für Toleranzim Grunde gar kein Platz, denn eine zum Dogma erhobene Toleranz, wie sie sich manche Institutionen im Laufe ihrer Genese anbequemt haben, ist bloß eine Gehorsamspflicht, der nachzukommen es keiner eigenen Einsicht bedarf - ganz im Gegenteil.

Seine Bestätigung findet das oben erörterte auch im Verlauf der pro-reli Kampagne. Zu den Unterstützen zählten bekanntlich Angehörige und Institutionen der drei monotheistischen Religionen. Dass es Religionsunterricht als (Wahl-)Pflichtfach geben solle, darin war man sich einig. Der religiöse Eiferer akzeptiert den Eiferer anderen Bekenntnisses zwar nicht vollständig, aber immer noch eher als den Laizisten. Taucht dieser als gemeinsamer Feind auf, so rückt man zusammen und es gilt offenbar das Motto: besser irgendein (Mono-)Theismus als gar kein Theismus. So galt denn auch nach außen hin einvernehmlich das credo, dass nicht bestimmte, sondern religiöse Werte überhaupt den Schülern zu vermitteln seien - und zwar jedem die seinigen. Dummerweise hat sich jedoch gerade einer der vehementesten Unterstütztern dieser Verfechter von Freiheit und Toleranz, die Springer Presse in Gestalt der BILD, auf den letzten Metern noch verplappert:
"Wird Religion endlich wieder zum regulären Schulfach? Oder müssen Kinder und Jugendliche Freizeit opfern, um christliche Werte vermittelt zu bekommen?"

Da soll also offenbar ein Islamunterricht unter staatlicher Aufsicht eingeführt werden, um den muslimischen Kindern "christliche Werte" zu vermitteln - oder wie sonst ist das zu verstehen? Die Muslime dürften von solchen Plänen wohl alles andere als begeistert sein.

Die Unfähigkeit zur Toleranz zeigt sich ferner in der Deutung der Niederlage durch die Initiatoren von "pro-reli". Die sehen sich nach wie vor im Recht (wie könnte es auch anders sein, da man sich doch im Besitz absoluter Wahrheit weiß?) und fordern, dass der Senat nunmehr die Kirchen wenigstens stärker in die Konzeption des Ethikunterrichtes einbinden müsse. Will meinen: man möchte ein möglichst gewichtiges Wörtchen mitreden und den Ethikunterricht am liebsten wohl zu einer (zur Not: multi-)konfessionellen Veranstaltung umgestalten. Denn nichts anders als eine partielle Verlagerung von Inhalten des freiwilligen Religionsunterrichtes in das Fach Ethik dürfte wohl das Ziel und Zweck diesen Begehrens sein.

FDP-Fraktionschef Christoph Meyer dazu:
"Man muss nun darüber nachdenken, welches Angebot der Senat denen machen könne, die sich sehr stark für den Religionsunterricht in Berlin eingesetzt haben. Denkbar ist eine stärkere Einbeziehung von Religion in den Ethikunterricht."

Und der CDU-Landes- und Fraktionschef Frank Henkel erwartet "nach der Niederlage der Initiative ein Zeichen der Versöhnung des Regierenden Bürgermeisters", denn Wowereit habe alles getan, um die Stadt zu spalten.

Das ist Humbug, Angesichts des Abstimmungsergebnisses und der mageren Zustimmung, darf man wohl eher von selbst initiierter Abspaltung (der Initiativler) reden, als von "Spaltung der Stadt" durch Wowereit.

Was bleibt anzumerken?
Die taz schreibt heute, dass der "Volksentscheid gescheitert" sei. Das ist natürlich kompletter Unsinn, denn das Volk hat erfolgreich entschieden, und zwar zum Teil unmittelbar gegen das Begehren von "pro-reli", indem es dieses durch Abgabe der "Nein-Stimme" bezogen auf die Wahlbeteiligung mehrheitlich zurückwies und zum Teil mittelbar, indem es durch Verweigerung an dieser Abstimmung überhaupt teilzunehmen, ebenfalls seine Abneigung gegen die von "pro-reli" geforderten Änderungen kundgab. Gescheitert ist also die Initiative "pro-reli" am Volksentscheid und nicht etwa der Volksentscheid. Die These, dass es vor allem das in der Tat "himmlische" Wetter gewesen sei, dass die Leute davon abgehalten habe an der Wahl teilzunehmen, halte ich für fragwürdig. Auf dem Weg zu Sonntagsausflug kurz am Wahllokal haltzumachen und seinen Stimmzettel in die Urne zu werfen ist ja nun wirklich kein Akt.

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