Sonntag, 2. März 2008

Volksverarschung

Gestern Mittag
lauschte ich mit halbem Ohr einem Interview auf rbb info-radio. Der Befragte war ein gewisser Prof. Franz und das Thema lautete Mindestlohn - Der Herr Professor war natürlich dagegen und befürwortete die Einführung von Kombilöhnen.Man könne die Unternehmen doch nicht zwingen Löhne zu zahlen, die die ökonomischen Verhältnisse gar nicht zulassen usw. Unter anderem argumentierte er damit, dass es in beispielgebenden Ländern, die den Mindestlohn eingeführt hätten, kein Mindesteinkommen gebe, wohl aber - Peter Hartz sei's gedankt - in der BRD. Und wo man schon mal auf Hartz gekommen war durfte natürlich auch das Beispiel der armen geringverdienenden Verkäuferin nicht fehlen, die mit ihren Steuern das Schmarotzertum der ALG2-Empfänger mitfinanzieren muss - ja, diese Sendung war wirklich zum Heulen.

Den größten Teil des Interviews habe ich inzwischen vergessen, aber es bietet einen willkommenen Anlass mal ein paar Gedanken zu dem Thema loszuwerden.

1. Die kleine Verkäuferin leistet höchstwahrscheinlich mitnichten einen (nennenswerten) Beitrag zur Unterstützung von Hartz IV Beziehern - man darf nämlich getrost annehmen, dass sie wenig genug verdient um überhaupt Lohnsteuern zu zahlen. Wenn sie Pech hat, dann wird sie sogar selbst noch ergänzende Leistungen beantragen müssen. Dieses "Argument" ist von einer derart offensichtlichen Verlogenheit, dass einem glatt das Frühstück aus dem Mund fallen möchte.

2. Um ein einigermaßen menschenwürdiges Leben führen zu können, bedarf es eines Minimums an Einkünften. Wenn man erwartet, dass diese Einkünfte durch Arbeit der Einzelnen erwirtschaftet werden, dann muss auch gewährleistet sein, dass sie im Rahmen selbst eines "geringen" Leistungsvermögens noch hinreichend hoch ausfallen. Mit anderen Worten: es darf keine Vollzeitjobs geben, die so schlecht bezahlt werden, dass derjenige der sie ausübt, auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen ist. Dass es keiner besonderen Qualifikation bedarf, um zum Beispiel acht Stunden am Tag Briefe auszutragen, ist mitnichten ein Argument dafür, diese Tätigkeit (zu) schlecht zu vergüten. Denn dass man keine besondere Qualifikation für so einen Job braucht, ist schließlich nicht dem Zusteller anzulasten, der womöglich sogar für ganz andere Aufgaben qualifiziert wäre, dessen eigentliche Qualifikation aber gerade nicht nachgefragt wird und der mithin keine Chance hat sein eigentliches Potential zu entfalten. - Muss denn das noch doppelt bestraft werden?

Führt man nun einen Mindestlohn ein, der dem (zeitlichen und physischen) Aufwand des Arbeitenden angemessen ist, dann bekommt der Arbeitnehmer nur das, was ihm ohnehin zustehen muss; denn: wenn sein Einkommen seine Reproduktionskosten nicht decken kann, dann ist er nach kurzer Zeit auch für seinen Arbeitgeber wertlos. Dieses höhere Einkommen vernichtet aber mitnichten seinen Arbeitsplatz, sondern schmälert zunächst bloß die Rendite des Unternehmens und womöglich auch das Einkommen des/der Inhaber, ohne diese dabei in existentielle Nöte zu bringen. Der Kombilohn hätte für den Arbeiter die gleichen Folgen, sichert in letzter Konsequenz aber nicht etwa die Existenz des Arbeiters, sondern vor allem dem Unternehmer (oder den Investoren, Aktionären, Vorständen etc.) ein "standesgemäßes" Einkommen unabhängig von der Wirtschaftlichkeit des Betriebes und der Qualifikation seiner Betriebsführung. Um nochmal die arme Verkäuferin ins Spiel zu bringen: gesetzt den Fall, sie zahlt doch ein paar Euro Lohnsteuer - dann darf sie hier mit ihrem bescheidenen Einkommen praktisch doppelt dazu beitragen, dass andere sich weiter zu den Spitzenverdienern der Gesellschaft zählen dürfen, wobei sie ihnen ja schon zuvor durch ihre eigene, schlecht honorierte Taetigkeit dabei behilflich gewesen ist.

3. Man kann es auch noch anders zuspitzen: nur wer Einkommenssteuern und indirekte (Verbrauchs-)Steuern zahlt, zahlt überhaupt Steuern. Alle anderen Steuern kumulieren letztendlich in diesen beiden Formen.

Wie geht das? Im Rahmen eines Wirtschaftsunternehmens sind alle Steuern Kosten, diese Kosten gehen wie alle anderen Kosten in die Preisbildung von Produkten und Dienstleistungen ein und landen am Ende bei demjenigen, der das Produkt oder die Leistung "verkonsumiert". Dabei kann es durch unterschiedliche Besteuerung von Unternehmen zwar zu Wettbewerbsvor- oder nachteilen kommen, nicht aber durch die Besteuerung schlechthin - auch kann eine unterschiedliche Besteuerung durch andere Faktoren u.U. ausgeglichen werden. Auf die nationale Besteuerung bezogen gibt es in dieser Hinsicht kaum ein Problem - im "internationalen Wettbewerb" hingegen sieht es anders aus, da die Steuergesetzgebung sich in den verschiedenen Staaten doch teilweise stark unterscheidet. Dennoch kann die Rede von den angeblich "zu hohen Steuerlasten fuer Unternehmen in der BRD" angesichts des ständig wachsenden Exportvolumens wohl kaum als ein ernstzunehmendes Argument angesehen werden.

Man kann die deutsche Fiskalpolitik zum Teil sogar als aberwitzig bezeichnen. Ein Beispiel: zum 01.01.2007 wurde der allgemeine Umsatzsteuersatz von 16% auf 19% angehoben und im Gegenzug der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung von 6,5% auf 4,5% (und inzwischen noch weiter) gesenkt. Diese Absenkung sollte dann mit dem Aufkommen eines MWSt.%-Punktes kompensiert werden. Das ist insbesondere unter dem Aspekt, dass Deutschland eine prosperierende Exportnation ist, geradezu hirnrissig, denn:
die Sozialabgaben werden mit den Produkten exportiert, die MWSt. aber, die - wie noch zu zeigen sein wird - die ungerechteste aller Steuern ist, wird ausschließlich auf dem Binnenmarkt erhoben. Der Arbeitnehmer findet in der Lohntüte eine bescheidene (Netto-) Erhöhung seiner Einkünfte, die ihm via erhoehter MWSt. jedoch sogleich wieder aus der Tasche gezogen wird und obendrein werden nun auch Menschen, die ohnehin am Rande des Existenzminimums leben - Arbeitslose, Rentner, Sozialgeldempfänger etc. verstärkt zur Kasse gebeten. Insgesamt aber ist die durch die Absenkung der Versicherungsbeiträge erzielte Kostenminderung auf Seiten der Unternehmen geradezu lächerlich gering im Verhältnis z.B. zu den infolge des seit Jahren steigenden Eurokurses entstehenden Wettbewerbsnachteilen auf Dollarmärkten, die die hiesige Wirtschaft bislang ja erstaunlich gut verkraftet zu haben scheint.. Und da, so weit zu sehen ist, diese letztgenannte Exporterschwernis der deutschen Wirtschaft vergleichsweise wenig Probleme bereitet, kann man sagen, dass es nicht den geringsten vernünftigen Grund zu dieser Regelung gegeben hat.

Und noch etwas kommt hinzu: bei vielen Produkten, wie z.B. Tabak oder Alkohol wird die MWSt. als eine Steuer auf (andere) Steuern erhoben. Ungerecht ist die MWSt. aber vor allem deswegen, weil sie faktisch nach dem Prinzip der inversen Progression erhoben wird. Jeder der sich genötigt sieht, mehr oder weniger dauerhaft sein gesamtes Einkommen zu verkonsumieren, zahlt prozentual den Höchstsatz; wer aber ein Einkommen bezieht, das ihm erlaubt, einen Teil seines Geldes zu sparen, anzulegen oder zu investieren, zahlt prozentual umso weniger MWSt, je größer seine Überschüsse sind - daran ändert auch der Umstand, dass er sich womöglich regelmäßig eine Menge teurer Luxusgüter leistet, nichts.

Wird evtl. fortgesetzt

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