Donnerstag, 30. Oktober 2008

Neues von der Arbeitsagentur

Heute wird uns vermutlich nicht nur die BILD mit der Nachricht ergötzen, dass die Zahl der Arbeitslosen unter 3 Millionen gesunken sei. Wer die entsprechende Statistik frisiert und wie er das angestellt hat, wird freilich - wie gewohnt - wohl offen bleiben ... Hauptsache die Regierung steht gut da und the chancellor is amused.

Doch als ob das noch nicht genug der guten Nachrichten wären, verkündet BILD obendrein stolz:

Gute Nachricht für 7 Millionen Deutsche

Na - da wissen wir dann ja wenigstens, wo wir die "reduzierten" Arbeitslosen zu suchen haben ... und wenn wir da noch die ausländischen ALG2-Bezieher dazurechnen ... oha! .. doch weiter:

53 Euro mehr im Monat für Hartz-IV-Familien

Zu dumm auch, dass das gar nicht für 7 Millionen Menschen gilt, sondern nur für diejenigen unter ihnen, die in Familienverhältnissen leben, die denen der B.Z. Musterfamilie Ruschke entsprechen und dass es selbst für diese Auserwählten frühestens im Jahr 2010 (eventuell!) die vollen 53 Euro mehr gibt; und das auch nur dann, wenn tatsächlich die Renten in der von BILD genannten Größenordnung erhöht werden sollten.

Man könnte dazu noch so einiges schreiben; zum Beispiel, dass es schon einigermaßen seltsam ist, dass man angesichts angeblich stetig abnehmender Arbeitslosigkeit unbeirrt weiter annimmt, dass die Zahl der ALG2-Empfänger auch in zwei Jahren unverändert bei rund 7 Millionen liegen wird und dass das ja wohl nicht gerade ein Grund zum Jubeln wäre, allein es ist recht spät, mir fehlt die Lust, und vielleicht kommt es ja auch ganz anders, denn bereits gestern berichtete das elo-Forum:
Nach einer heutigen Entscheidung des hessischen Landessozialgerichts reichen die Hartz IV-Regelsätze nicht aus, um das soziokulturelle Existenzminimum der Arbeitslosen zu sichern. Damit die entsprechenden Passagen des Sozialgesetzbuchs II dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Die pauschalen Sätze, die der Gesetzgeber für bedürftige Arbeitslose und ihre Kinder festgesetzt hat, sind nach Ansicht der Darmstädter Richter zu niedrig und verstoßen gegen die Menschenwürde der Arbeitslosen, gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, gegen das Schutzgebot für Ehe und sowie gegen das Rechts- und Sozialstaatsprinzip.
[...]
Beim Bundesverfassungsgericht wird nun die Frage anstehen, wie viel Gestaltungsspielraum der Gesetzgeber hat, wenn es um Hilfe für Bedürftige geht. In welchem Umfang können Gerichte statistische Methoden kontrollieren oder verwerfen? Der Vertreter der Bundesregierung kritisierte, die Sozialgerichte hätten schon »viel Kreativität darin bewiesen, Gesetze verfassungskonform auszulegen und sich als Bedarfslückenschließer zu betätigen«. Was volkswirtschaftlich wünschenswert sei, sei juristisch nicht immer zwingend. (Az. L 6 AS 336/07).
Das halte ich nun für eine wirklich gute Nachricht, doch dafür wird in der BILD vermutlich der Platz zu knapp gewesen sein ...


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Mittwoch, 29. Oktober 2008

Fundsache: "Kombi- kontra Mindestlohn - eine paradoxe Kontroverse"

Schon ein wenig älter, aber unbedingt lesenswert:
Früher galt die Norm, jemand müsse von einem Vollzeitjob eine Familie ernähren können. Heute dürfen die Firmen unterstellen, dass Vollzeitkräfte von den Familien miternährt oder eben vom Staat mittels Kombimodellen unterstützt werden. Was da pro Stunde gezahlt wird - Tarifverträge der IG Metall über 3,86 Euro brutto für das Sanitär- und Heizungshandwerk und über 3,06 Euro von Ver.di für das Friseurhandwerk in Sachsen sowie die 1,80 Euro für Zimmermädchen in einem großen Hamburger Hotel - markieren die derzeit bekannten Tiefpunkte. Dergleichen kann nicht mehr als Entlohnung bezeichnet werden, sondern nur noch als mageres Trinkgeld, als Bakschisch. Doch Kinderlohn zieht Kinderarbeit nach sich. Zwei Zitate aus einer Untersuchung der Input Consulting Stuttgart in der PIN-Branche illustrieren die soziale Realität in diesen Firmen: “bei den Fahrern, da kriegst du oft mit, dass da die Kinder mithelfen, also zehnjährige Kinder und […] schwere Kisten schleppen […].Und wo dann der Vater sagt, alle müssen zusammen helfen, sonst langt es nicht”. Und weiter: Da ist “auch so eine arme Frau, die […] von morgens um sieben bis abends um Viertel acht arbeiten muss und trotzdem nicht genug Geld hat […] und dann noch drei Kinder hat […] das ist wie vor hundert Jahren.”[11]
Den ganzen Artikel gibt es hier: Kombi- kontra Mindestlohn - eine paradoxe Kontroverse

Anklicken, lesen, weiterverbreiten!


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Dienstag, 28. Oktober 2008

Un-Sinn für "Linke": Karl Lauterbach lobt Hartz-"Reformen"

Gut, dass der werte Herr Lauterbach nie Gefahr laufen wird selbst arbeitslos zu werden. Ich jedenfalls bin mir sicher: wenn er bei der nächsten Wahl hoffentlich aus dem Bundestag fliegt, wird ihn das ifo-Institut mit Handkuss einstellen. Im Interview mit der taz wird offenbar: Insgeheim sind - vom Dissens hinsichtlich der Einführung eines Mindestlohnes einmal abgesehen - Karl Lauterbach und Hans Werner Sinn längst Brüder im Ungeist - und haben darüber hinaus in John Rawls einen gemeinsamen Lieblingsphilosophen.

Zum taz Interview: "Die Hartz-Reformen sind links"

Kostproben:
Und wie haben die Hartz-Gesetze diese Jobvermehrung bewirkt? Durch erhöhten Druck auf Arbeitslose?
Zum Teil - ja. Es gibt Arbeitslose, die erstens heute weit schlechter bezahlte Jobs annehmen. Zweitens: Weil die Aufstockung möglich ist, arbeiten viele Hartz IV Empfänger nebenher. So sind Niedriglohnjobs entstanden, die es vorher nicht gab. Es gibt also mehr Leute, die überhaupt Arbeit wollen und es gibt mehr niedrig bezahlte Jobs. Das zusammen hat, drittens, dazu geführt, dass die Löhne im unteren Bereich gesunken sind. Das wiederum hat dazu beigetragen, dass dort noch mehr Jobs entstanden sind.
[...]
Die Bilanz sieht schlechter aus, wenn man die Zahl der Hartz IV Empfänger berücksichtigt. 2005 waren es 6,6 Millionen, jetzt sind es 6, 7 Millionen.
Das sind zwei paar Schuhe. Wie viele Hartz IV Empfänger es gibt, ist für die Bewertung der Arbeitmarkreformen völlig unerheblich. Wer Hartz IV bekommt , muss ja nicht arbeitslos sein. Wichtig scheint mir, dass und wie die Arbeitslosigkeit sinkt: von Mitte 2007 bis Mitte 2008 ist sie um 14 Prozent zurückgegangen, bei Langzeitarbeitslosen sogar um 21 Prozent.


Arbeit um jeden Preis und für jeden, "Vollbeschäftigung" - das beste Mittel, die Leute vom Nachdenken abzuhalten. - Und nebenbei bemerkt ... Nicht alle "nicht arbeitslosen" Hartz IV Empfänger haben etwas, das man überhaupt (Erwerbs-)"Arbeit" nennen könnte - etliche werden einfach (voll) "beschäftigt" ...

Die Hauptsache ist eben: die Statistik macht einen guten Eindruck.

Nachtrag ( 30.10.2008 00:53h)
Bey feysinn fand man inzwischen offenbar mehr Kraft als ich aufzubringen vermochte, sich mit diesem Schwachfug auseinanderzusetzen .. Lesen!

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Montag, 27. Oktober 2008

Hans Werner von Sinnen ...

... beherrscht heute mit einem mehr als nur unsinnigen Vergleich von Menschenvernichtung und Geldverbrennung die Schlagzeilen.

Ich mag mich dazu nicht weiter äußern; der Typ ist mir inzwischen einfach zu widerlich. Wer den kompletten UnSinn des Tages lesen möchte findet ihn im Tagesspiegel.


Nachtrag (27.10. 2008 ca. 10:45h):

Jetzt fehlt eigentlich nur noch, dass HWS den Holocaust mit der französischen Revolution vergleicht. Damals gabs eine Hungerkrise und der Adel musste eben als "Sündenbock" herhalten, obwohl doch die Bauern für die Ernährung zuständig gewesen sind ... naja ...

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Samstag, 25. Oktober 2008

Auf die Verpackung kommt es an ...

... und zwar vor allem, wenn man inhaltlich nichts zu bieten hat:
Die Stylistin von Sarah Palin hat vom republikanischen Wahlkampfteam fast doppelt so viel Geld erhalten wie der außenpolitische Berater von Präsidentschaftskandidat John McCain. Amy Strozzi, eine Starvisagistin, die sonst Prominente für Fernsehshows schminkt und derzeit Palin auf Reisen begleitet, erhielt für die ersten beiden Oktoberwochen 22.800 Dollar (18.100 Euro). Das geht aus Unterlagen des Wahlkampfteams hervor.
Quelle: SpOn

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Donnerstag, 23. Oktober 2008

BILD: Wenn Milchmädchen Kolumnen schreiben ....

... dann kommt sowas dabei raus:

500000 Euro für Spitzenbanker - nett gedacht, falsch gemacht?
Von Dr. Nicolaus Fest

Das Gehalt von Bankern, deren Banken in der Finanzkrise auf die Hilfe des Staates angewiesen sind, soll auf 500 000 Euro beschränkt werden. Das klingt auf den ersten Blick vernünftig, ist aber das Gegenteil von sinnvoll.
[...]
Diese Gehaltsbegrenzung findet Zustimmung. Endlich treffe es mal die Richtigen, ist von vielen zu hören. Leider aber ist die Gehaltskappung der falsche Weg. Denn sie verschiebt die Krisenfinanzierung noch mehr zu Lasten der durchschnittlichen Steuerzahler.

Und dann macht das Milchmädchen - ähm sorry, ist ja ein Männchen - also das Milchmännchen - seine Rechnung auf (hier nur in Auszügen, wir haben diese Litanei schon oft genug gehört oder gelesen und können uns die Details sparen. Wer trotzdem nicht auf sie verzichten mag, bediene sich an der Quelle):
Die oberen 10 Prozent der Spitzenverdiener (= Einkommen über 66 000 Euro) sind gut für die Hälfte des Steueraufkommens,
[...]
Umgekehrt zahlen die unteren 20 Prozent (= Einkommen bis 11.000 Euro), also ein Fünftel der erwerbstätigen Bevölkerung, so gut wie keine Steuern.

Wesentliche Beiträge zur Einkommensteuer kommen mithin von den absoluten Topverdienern, die aufgrund des Spitzensteuersatzes fast die Hälfte ihres Einkommens an den Staat überweisen. Und viele dieser Topverdiener sind eben auch Banker. Kürzt man deren Gehälter und Boni, kürzt man auch das Einkommensteuer-Aufkommen. Fallen bei einem Gehalt von 5 Millionen Euro rund 2,4 Millionen Euro Einkommensteuer an, sind es bei 500 000 Euro gerade mal 220 000 Euro. Eine einfache Rechnung: Je höher das Gehalt, desto höher die Einkommensteuer.
Aha - wenn man irgendeinem Giga-Versager seine grotesk hohen Bezüge kürzt, dann ist - dieser Rechnung zufolge jedenfalls - dieses nicht ausgezahlte Geld komplett futsch, quasi im - dem Fiskus unzugänglichen - Nirvana verpufft; kein Gedanke daran, dass es ja als Kapital im entsprechenden Betrieb verbleiben und so die Bürgschaftslasten, die unsere Regierung "im Namen des Volkes" nun mal übernommen hat, etwas mindern würde. Und auch ganz allgemein gesehen: wenn man nicht will, dass eine Minderheit den Löwenanteil am Einkommensteueraufkommen "schultern" muss, wie es immer so schön heißt, dann sollte man einfach solche absurd hohen Spitzeneinkommen kappen und die unteren und mittleren Einkommen entsprechend anheben - so würde sich dieses "Missverhältnis" in Nullkommanichts von selbst erledigt haben. Wenn man einen Betrag in einer Menge (Hier Menge der Einkommen) mindert, dann muss das ja nicht zwangsläufig bedeuten, dass man ihn zugleich aus dieser Menge enfernen und so zugleich die Menge vermindern würde

Unser Milchmännchen hat freilich noch nicht fertig und eine Idee, wie man das gute Geld vor dem Nirvana rettet - also zurück zum Thema. Offenbar wurde das Milchmännchen freilich im Zuge der laufenden BILD-Berichterstattung vom Lafontaine-Virus befallen und läuft nun Gefahr selbst "Enteignungs-Amok" zu laufen. denn seine "Rechnung" endet wie folgt:
Richtig wäre daher ein anderer Weg gewesen: Nicht Begrenzung auf 500 000 Euro, sondern vollständiger Einzug aller Gehaltsbestandteile, die über diesen Betrag hinausgehen, verbunden mit einem Verbot aller eventuellen Steuersparmodelle. Gleichzeitig wäre man damit der rechtlich schwierigen Frage, ob der Staat der Privatwirtschaft Gehaltsobergrenzen setzen darf, elegant aus dem Weg gegangen.
Lange nicht so gelacht. Meinen besten Dank für diese herrliche Glosse..

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Hartz IV: Und ist es auch Wahnsinn ...

... so hat es doch (nichtmal) Methode ..

Die Arbeitslose Sabine B. erbt zwei Jahre vor Erreichen des Renteneintrittsalters eine bescheidene Doppelhaushälfte mit ganzen 55qm Wohnfläche (Wert etwa 35.000 Euro) von ihrem Vater. Das zuständige JOB-Center (offenbar Berlin Tempelhof-Schöneberg) verweigert ihr den Wunsch, ihre fast doppelt so große, komfortablere Mietwohnung aufzugeben und in dieses Haus umzuziehen. Stattdessen verlangt es, dass sie ihr Erbe verkauft und den Erlös "zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes" verwendet. Hartz IV wird ihr nunmehr nur noch als aus dem Erlös ihrer Immobilie zu tilgendes "Darlehen" gewährt.

Selbst nachdem sie wieder eine Job gefunden hat, bleibt das JOB-Center bei seiner Forderung, da auch ihr Lebensgefährte arbeitslos ist, weiter Hartz IV erhält und die beiden - obwohl unverheiratet - ja eine "Bedarfsgemeinschft" bilden (müssen). Sie soll das Haus verkaufen und darf wieder vorstellig werden, wenn das Geld restlos zur Ankurbelung der notleidenden Binnenkonjunktur verbraten wurde - so ungefähr ..

Die beiden ziehen trotzdem um und - oh Wunder nun ist ein anderes JOB-Center zuständig, das dagegen nichts einzuwenden hat, sondern offenbar froh ist, in punkto Mietzuschüsse so billig wegzukommen.

Damit sollte das böse Spiel nun doch noch sein gutes Ende gefunden haben möchte man meinen - doch weit gefehlt: das vormals zuständige JOB-Center fordert nun die gewährleisteten "Darlehen (rund 6000 Euro) zurück - und die kann Sabine B., die rund 800 Euro im Monat verdient, nicht aufbringen. Es sei denn - sie verkauft das Haus.



P.S. Google-Recherche ergab, dass selbstgenutzte Eigenheime mit bis zu 130 qm Wohnfläche eigentlich zum sogenannten "Schonvermögen" gehören:
Kein anrechenbares Vermögen ist ein ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung, sofern sie eine angemessener Größe nicht überschreitet. Angemessen ist - nach den vorliegenden Gerichtsentscheidungen - eine Eigentumswohnung einer Größe von bis zu 120m² oder ein Eigenheim einer Größe von bis zu 130m². Auf die Anzahl der Bewohner kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

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Montag, 20. Oktober 2008

Neue BILD Opfer: " Die 1-Euro-Schnarcher vom Arbeitsamt"

Sind der Bild die "Hartz IV Betrüger" ausgegangen, oder warum sonst fällt sie nun auch noch über die Fügsam(st)en unter den ALG2-Beziehern her?.
Quatschen, rumstehen, dösen: Wir sehen die vielleicht faulsten Stadtarbeiter Deutschlands: DIE 1-EURO-SCHNARCHER VOM ARBEITSAMT HALLE!
[...]
Was ein Kleingärtner an einem Wochenende erledigt hätte, scheint diese Truppe zu überfordern. Dabei bekommen sie dafür pro Kopf rund 900 Euro im Monat.
Quelle: BILD

Liebe BILD Redakteure: entweder seid ihr schlecht informiert oder ihr lügt bewusst.

Kein ALG2-Bezieher, der einen sogenannten "1-Euro-Job" annimmt, erhält auch nur einen Cent für irgendwelche Tätigkeiten, die ihm in dessen Rahmen abverlangt werden. Bei einem "1-Euro-Job" handelt es sich um eine sogenannte "Maßnahme mit MAE", was so viel bedeutet, wie "Mehraufwandsentschädigung". Und das wiederum besagt schlicht, dass die mit der Beschäftigung verbundenen Aufwendungen, wie Fahrtkosten, Arbeitskleidung, zusätzliche Verpflegung usw. durch den Zuschlag von pauschal einem Euro pro Einsatzstunde abgegolten werden. Ein Entgelt für die "Beschäftigung" selbst ist hingegen nicht vorgesehen. Ferner werden Fehltage wegen Krankheit oder "Urlaub" (ja den gibts auch) nicht "vergütet", denn wer nicht "jobbt", der hat ja auch keine (mit dem "Job" verbunden) zusätzlichen Kosten.

Im Übrigen sind die "1-Euro-Jobber" im Grunde genommen auch gar nicht zu "produktiver" Arbeit verpflichtet, denn bei einem solchen "Job" handelt es sich nicht um eine Arbeitsstelle, sondern "nur" um eine "Beschäftigung". Der ALG2-Empfänger wird also (immerhin noch) nicht verpflichtet, (umsonst) zu arbeiten, sondern - unter Androhung von Sanktionen - "lediglich" gezwungen, jede "Beschäftigung die im öffentlichen Interesse liegt" an- und aufzunehmen. Ihn zu regelrechter Arbeit zu zwingen, das traut man sich noch nicht - immerhin ist hierzulande Zwangsarbeit ja auch (noch?) verboten. Und beschäftigen kann man sich auch mit ganz anderen - und sehr viel angenehmeren - Dingen als (zumal: vollkommen sinnbefreiter) "Arbeit".

Es geht hier also weder um Arbeit noch gar um "Leistung", sondern schlicht darum, die Leute "zu beschäftigen", damit sie nur ja nicht auf "dumme" (d.h.: vernünftige und richtige) Gedanken kommen. Man könnte also auch sagen, es handelt sich um eine "vorsorgliche" Disziplinarmaßnahme. Davon abgesehen erfüllt so ein "1-Euro-Job" zwei sehr konkrete Funktionen: erstens verschwindet, wer als Hartz IV reformierter Arbeitsloser in so einer "Maßnahme" steckt, flugs aus der Arbeitslosenstatistik, denn er gilt für diesen Zeitraum nicht mehr als "arbeitslos", sondern als "arbeitssuchend" - und jetzt erkläre man mir bitte, warum man als "Arbeitender" noch Arbeit suchen (müssen!) sollte - oder andersrum: warum man als "Arbeit suchend" geführt wird, wenn man doch bis über beide Ohren in Arbeit steckt (oder, wie BILD wohl meint: doch wenigstens stecken sollte)? - und zweitens bewahrt man ihn so vorsorglich davor, sich womöglich als "Schwarzarbeiter" im "nichtöffentlichen" Interesse privat (und für ein paar Cent mehr) ausbeuten zu lassen.

Dass es - und zwar: sehr viele - Menschen gibt, die für solche "Beschäftigungsverhältnisse" auch noch dankbar sind und sich - als "1-Euro-Jobber" oder als Geringstverdiener tatsächlich den Buckel krummschuften und dafür weder Geld noch wirkliche Anerkennung ernten, macht die Sache nicht besser, sondern zeigt nur einmal mehr wie pervers dieses verlogene Prinzip der "Leistungsgesellschaft" wirklich ist.


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Samstag, 18. Oktober 2008

Themen der Woche: Helge Schneider über Reich-Ranicki, die Finanzkrise und das Leben an sich ...

Insbesondere Helges fachmännische Äußerungen zur Finanzkrise (ab etwa 4:26), können sich, wie ich meine, mit den tiefschürfenden Analysen und Erklärungen, die uns unsere politischen und wissenschaftlichen Eliten derzeit liefern, ohne weiteres messen.




Dazu MRR:
"Es ist ja alles schlecht was die machen..."

Schönes Wochenende!

Nachtrag (18.10.2008, ca 21:45h)

Da weiß sich auch der Boulevard mit MRR einig:

Zwei Penner sah ich Donnerstag Abend im Ersten. Sie wirkten zumindest so, obwohl der eine von beiden Schlips und Anzug, trug. Es war der eigentlich ebenso kluge wie kaum noch witzige Harald Schmidt[...].

Der andere, das war der Dada- und Gaga-Künstler Helge Schneider, dem allerdings nicht einmal Geblödel von den Lippen kam und der stattdessen versuchte, sein Ansteckmikrophon mit einem elektronischen Furzlautgeber zu verheiraten. Schmidt nannte sein Outfit Country-Style. Bevor ich es als Skandal empfinden konnte, was die ARD ihren Zuschauern da mit Rundfunkgebühren präsentiert, habe ich abgeschaltet.
Quelle: BILD

Ich grüble: Wird man Mark Pittelkau nun zum neuen Literatur- und Medien-Papst ausrufenoder wird MRR künftig TV-Kritiken für BILD verfassen?

Nachtrag: (18.10.2008, ca 23:05)
Zum weiterlesen empfohlen:
Thomas Ernst:
Marcel Reich-Ranicki, Thomas Gottschalk, Helge Schneider und die Debatte um das Fernsehen


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Crisis, what crisis?

Ohne Kommentar:
Während Politiker in Europa und Amerika Rettungspakete für den Finanzsektor schnüren, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat, stellen manche Banker schnell noch ihre eigenen und großzügigen Notfallpläne auf. Wie die britische Tageszeitung "The Guardian" recherchiert hat, verteilen alleine die Geldhäuser an der Wall Street noch einmal 70 Milliarden Dollar an ihr Spitzenpersonal, das meiste davon in diskreten zusätzlichen Bonuszahlungen. Die Manager belohnten sich damit für ein Geschäftsjahr, schreibt der "Guardian", in dem sie das globale Finanzsystem in die schlimmste Krise seit dem Börsencrash von 1929 führten.
Quelle: SpOn

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Freitag, 17. Oktober 2008

Nicht kleckern ...

Ach! Wie arm wären wir erst dran, wenn wir uns nicht mal mehr unsere Reichen leisten könnten. Zur gefälligen Empfehlung:

Fotostrecke bei SpOn

Und wehe es regt sich einer drüber auf. Immerhin kurbelt sowas ja womöglich die Binnenkonjunktur an - und da wären irgendwelche "Neiddebatten" ja wohl absolut unangebracht ...



Nachtrag:
(17.10. ca 21:55h)
Hier noch der dazugehörige Artikel: Geld verbrennen wie die Profis.

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Donnerstag, 16. Oktober 2008

"Ein schlechtbezahlter Job ist besser als gar kein Job"

Gerade bei Illner:

Hans Werner (Un-)Sinn lobt die Agenda 2010 als "Kulturrevolution auf dem Arbeitsmarkt."

Schröder habe "das Rad der Geschichte gedreht" und durch Hartz IV die Leute dazu gebracht, auch "schlechtbezahlte Jobs anzunehmen". Durch die "massiven Aufstockungen" kämen auch Geringstverdiener "weit über das Hartz IV Niveau hinaus".

Seine Lieblingsformel, die hier als Titelzeile fungiert, streute er bei der Gelegenheit selbstverständlich auch mal wieder unters Fernsehvolk:
"Ein schlechtbezahlter Job ist besser als gar kein Job."
Ich hoffe, es findet sich bald jemand, der ihm einen unschlagbar schlecht bezahlten Job anbietet, damit er seine pseudowissenschaftlichen Thesen endlich auch einmal empirisch überprüfen kann.

Ach ja - fast vergessen: Ich hab' dann mal abgeschaltet.


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Das Ganze und die Teile

Demokratie ist aber nicht Wunschkonzert für jedermann, sondern das fairste Verfahren, die Wünsche der verschiedenen Mehrheiten abzuwägen, weil sie nie alle zugleich erfüllbar sind.
Quelle: BILD

Und ich hatte immer angenommen, dass "verschiedene Mehrheiten" zugleich gar nicht möglich wären. Man lernt doch nie aus.


Ja. Ich weiss - er meint vermutlich unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse in verschiedenen Fragen. Aber warum schreibt er das dann nicht einfach?

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Dienstag, 14. Oktober 2008

Finanzkrise: Thilo Sarrazin gibt Anlage- und Verbrauchertips

Heute in der Berliner Abendschau:

Die Verbraucherzentrale in Berlin kann den Ansturm telefonisch Ratsuchender zum Thema Finanzkrise nicht länger bewältigen. Die Zahl der Anfragen habe sich verdoppelt, so Peter Lischke, Finanzberater bei der Verbraucherzentrale Berlin. Derzeit verfüge die Verbraucherzentrale für telefonische Anfragen im Bereich Finanzen lediglich über "eine halbe Honorarkraft" und es würden ein zwei Leute zusätzlich gebraucht - ggf. auch auf Honorarbasis. Das würde das Land Berlin pro Jahr etwa 75.000 Euro kosten. Davon abgesehen, hält man es bei der Verbraucherzentrale eigentlich für angebracht, dass die Banken selbst über eine Umlage eine unabhängige Beratungsstelle finanzieren.

Der für seine "originellen" Problemlösungsvorschläge mittlerweile wohl bundesweit berüchtigte Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin äußerte sich in der Sendung dazu wie folgt:

"Ja wissen Sie: es ist immer so; immer wenn etwas ist, muss etwas getan werden. Also - Jugendschutz, Hundekot auf den Straßen, Verbraucherschutz... es ist ein Problem, der Staat muss her. Das ist aus meiner Sicht der falsche Ansatz. Der Verbraucher muss zunächst beraten werden, er muss ma für sich äh selbstkritisch sein. Ich sage mal'n ganz einfachen Tip: Wer sein Sparbuch hat und hält und dieses ehrt, kommt auch meist nich in Probleme und das Zweite ist: Glaube nicht unbedingt einer Bank! Und wenn man sich daran hält, dann kommt man ganz gut soweit als Verbraucher und im Uebrigen guckt man mal ins Internet. Ich erkenne das an, dass jetzt auch der Verbraucherschutzdienst überlastet ist, aber wir haben überall Ueberlastungsanzeigen und müssen gerade in dieser Zeit wo wir möglicherweise all'.. also dann noch mehr Belastung haben, natürlich auch unser Landesgeld zusammenhalten."

Haarsträubender gehts wohl kaum noch. Und kommentieren mag ich es auch nicht - das sei dieses Mal alleiniges Vorrecht der geneigten Leserschaft.

;-)
Video des Beitrags

Nachtrag: (15.10. 13:00h)
Leider hatte ich einen Fehler gemacht, so dass der Link oben zunaechst auf einen anderen als den hier gemeinten Beitrag verwies. Das bitte ich zu entschuldigen. Der Link sollte nun auf den richtigen Clip zeigen.


Nachtrag: (15.10. 15:45h)
Video: Was Sarrazin in der Sendung sonst noch sagte.

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Wege aus der Krise

Der Staat garantiert mit Geld, das er nicht hat, dafür, dass Geld, das die Banken nicht mehr haben, da ist, wenn die Bankkunden ihre Spareinlagen abheben wollen.

Das gilt natürlich nur für den Fall, dass die Kunden durch diese "Garantie" hinreichend darüber beruhigt werden können, dass sie genau dann nichts verlieren werden, wenn sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf die Herausgabe dessen, was sie zu haben meinen, verzichten.

So findet sich die psychologische Lösung der konkreten Krise: wenn man nur fest daran glaubt, dass alles gut wird, dann ist auch alles gut - solange der Glaube fest ist.

Inzwischen hofft man vermutlich, dass dergestalt hinreichend Zeit gewonnen werden kann, in der sich genug Deppen finden, die sich - sei es durch die Banken oder sei es durch den Staat - weiter ausplündern lassen; so dass am Ende das Geld, das gegenwärtig nicht mehr - und/oder noch nicht - vorhanden ist, sich schließlich "wieder" angesammelt haben wird.

Freiherr von Münchhausen lässt grüßen.

Nachbemerkung: Das Ganze erinnert nicht allein an die Geschichte, in der der Lügenbaron sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zieht, sondern vielmehr an diese im Verein mit jener, in der er sein in der Mitte geteiltes Pferd zur Tränke führt. Man darf sich das also in etwa so vorstellen: Der Baron (Regierung) zieht sich mitsamt seinem halben Gaul (Finanzwirtschaft) gerade soweit aus dem Sumpf, dass das Vieh mit dem Maul ans Wasser (Bevölkerung) kommt und pausenlos weitersaufen kann.


Nachtrag: (14.10.2008 ca. 17:30h)
Siehe auch: Betrug im Rettungspaket (Duckhome)

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Freitag, 10. Oktober 2008

Doppelbödig ...


Es ist mal wieder soweit:
"Der Bund der Steuerzahler hat in seinem „Schwarzbuch“ knapp 120 Fälle von Steuerverschwendung enthüllt."
Quelle: Focus

Der BdSt gibt an, dass seine Mitglieder zu 60 bis 70 Prozent aus Unternehmen des gewerblichen Mittelstands bestünden, die übrigen Mitglieder seien in ihrer Mehrheit Privatpersonen.
Quelle: Wikipedia

Da gehe ich doch mal davon aus, dass keines der Mitglieder dieses Klubs jemals einen der kritisierten Staatsaufträge angenommen hat noch je annehmen würde ... oder?

Zum Weiterlesen:

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Donnerstag, 9. Oktober 2008

Symptomatisch? Nazi-Bau soll "Weltkulturerbe" werden

Fast wäre es mir entgangen: nachdem die "Bürgerinitiative" ICAT mit ihrem Volksbegehren für den Erhalt des Flughafens Tempelhof (zumindest als Privatflughafen für Gutbetuchte) auf die Schnauze gefallen ist ohne das einsehen zu wollen, unternimmt man nun, nachdem man den Fehlschlag offenbar nicht länger ignorieren konnte unter neuer Flagge einen weiteren Anlauf:
Wir wollen erreichen, dass der seit Jahrzehnten bestehende Denkmalschutz für den gesamten Flughafen Tempelhof erhalten bleibt und keine Bebauung des Geländes erfolgen darf. Mit einer Ernennung zum UNESCO Weltkulturerbe der Menschheit soll ein dauerhafter Erhalt gewährleistet werden. Die schwerpunktmäßige Nutzung als Regierungs- und Rettungs- und Ausweichflughafen stellt dazu eine wirtschaftliche Basis bereit.
Quelle: be-4-tempelhof


Der Flughafen Tempelhof ging 1923 als weltweit erster Verkehrsflughafen in Betrieb. Der heutige fast 1,3 Kilometer lange Hallenzug wurde 1934 während der NS-Diktatur vom Architekten Ernst Sagebiel entworfen. Er galt damals als das flächenmäßig größte Gebäude der Welt. Die 1936 begonnen Bauarbeiten wurden vom Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 beeinträchtigt. Bis Kriegsende 1945 konnte das Gebäude nicht ganz fertig gestellt werden.
Quelle: Tagesspiegel

Ich denke, hier wäre Konsequenz gefordert und schlage deshalb vor, mit dem Flughafen Tempelhof - als der Hinterlassenschaft eines totalitären Regimes - in analoger Weise wie mit dem "Palast der Republik" zu verfahren, also den Nazi-Bau ganz abzureißen und das Gelände mit einer "historischen" Fassade der Gebäude und Anlagen im Stil und in den Ausmaßen von 1923 wiederherzustellen. Oder gar - um den zahlreichen preussisch gesinnten Hardcore-Hobby-Historikern eine besondere Freude zu bereiten: Lasst uns aus der großen grünen Wiese einfach wieder ein Exzerzier- und Paradefeld machen! Die demnächst mit der Wahrung der inneren Sicherheit zu betrauende Bundeswehr wird vermutlich gern für eine angemessen lebendige Ausgestaltung und sinnvolle Nutzung des dergestalt wiedergewonnenen Tempelhofer Feldes zur Verfügung stehen.


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Böcke unter sich: "Köhler lobt Krisen-Management der Regierung"

Eigentlich wäre in dieser Finanzkrise eine Fernsehansprache des Bundespräsidenten angebracht. Schließlich hat Horst Köhler laut Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) „allein mehr ökonomischen Verstand als die ganze deutsche politische Klasse zusammen“.

Nur: Er schwieg – zunächst.

Dabei ist der Bundespräsident besser qualifiziert als die meisten deutschen Politiker, die zur aktuellen Lage reden. Als Finanzstaatssekretär war er zuständig für Währungspolitik, als Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) kennt er die internationalen Finanzmärkte bestens.

Quelle: BILD

Nun - an Horst Köhlers Vergangenheit als Finanzstaatssekretär sollte man gerade jetzt - wenn man denn ein umsichgreifen von (womöglich berechtigter) Panik vermeiden will - wohl besser nicht erinnern:

Bis heute sind die Umstände der finanziellen Vereinigung nicht ganz geklärt. Es ranken sich Mythen darum, Verschwörungstheorien. Sicher ist, dass die Akteure damals der DDR-Wirtschaft den Rest gaben und die Bundesrepublik auf ungewisse Zeit hinaus mit gigantischen Schulden belasteten. Es geht um 200 Milliarden Euro

Mittlerweile sind sich die Beteiligten weitgehend einig, dass nicht alles ganz richtig lief. Sie geben dies allerdings, wenn überhaupt, nur mit einem schulterzuckenden Bedauern zu. Sorry, tut uns leid, wir wollten nur das Beste. Wie eine Karikatur des einst mit einem Graffitispruch („Wir sind unschuldig“) ironisch verzierten Marx-Engels-Denkmals in Berlin. Eher lenken sie ab vom Kern des Problems, so wie Bundespräsident Köhler in seiner Rede am 3. Oktober 2004: „Uns allen, auch dem Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen Horst Köhler, fehlte damals die Zeit oder die Weitsicht, um im Zuge der Vereinigung wenigstens einige der im Westen überfälligen Reformen anzugehen.“ Und weiter: „Wann verabschieden wir uns von dem Trugschluss, wir könnten Probleme durch immer höhere Staatsschulden weiter in die Zukunft schieben?“
[...]
Für einen Großteil der heutigen Schulden ist damals, im Sommer 1990, der Grundstein gelegt worden. Profitiert haben vor allem westdeutsche Firmen. Heute, mit 15 Jahren Abstand, wirkt es verblüffend, wie leichtfertig die Bundesregierung über nahe liegende Einwände gegen manches Vorhaben hinwegging. Skeptiker und Kritiker selbst aus den eigenen Reihen, wie der frühere CDU-Minister und Staatsrechtler Rupert Scholz, wurden überhört.
Quelle: Tagesspiegel vom 01.07. 2005

Falls nicht längst geschehen: unbedingt mal den kompletten Artikel lesen!

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Gleichschaltungen

Totalitäre Systeme stützen sich u.a. bekanntlich auf eine gleichgeschaltete Presse. Bei (Paläo-neo-)liberalen Systemen scheint es sich gerade umgekehrt zu verhalten: die "freie" Presse sorgt (quasi durch die Hintertür) für eine weitgehend gleichgeschaltete Politik, indem sie das den bürgerlichen (Wirtschafts-)"Eliten" gerade genehme Personal hochjazzt und das weniger genehme systematisch diffamiert.

Immerhin: wenn eine halbwegs annehmbare Personalkonfiguration erstmal hergestellt ist, wird der Ton sehr rasch moderater und auch die Abgesägten kriegen wieder ein paar Streicheleinheiten.

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Montag, 6. Oktober 2008

Schädliches Kindergeld

OECD warnt vor Erhöhung des Kindergeldes

SZ: Die Regierung in Deutschland plant eine Erhöhung des Kindergeldes. Das kann jährlich zwei Milliarden kosten. Ein richtiger Schritt?
Adema: Es sollte nicht darum gehen, mehr Geld auszugeben, sondern darum, es richtig auszugeben. Deutschland wäre besser dran, wenn der Schwerpunkt neuer Ausgaben so läge, dass es für Eltern leichter wird, den Anforderungen von Familie und Arbeit gerecht zu werden.
SZ: Nach skandinavischem Vorbild?
Adema: Skandinavische Länder haben sehr gute Bilanzen im Kampf gegen die Kinderarmut, und zwar bereits seit recht langer Zeit. Ihnen gelingt es besonders gut, viele Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Wenn Paare Kinder haben, bleiben oft beide erwerbstätig.
Möglich ist das, weil diese Länder mit öffentlicher Unterstützung ein System aufgebaut haben, das es beiden Partnern ermöglicht, den Verpflichtungen von Arbeit und Familie nachzukommen. Natürlich existiert auch so etwas wie das Kindergeld. Aber daneben haben beide Partner die Möglichkeit, auf dem Arbeitsmarkt Geld zu verdienen. Wenn beide Elternteile verdienen, ist Armut ganz selten ein Problem

Quelle: SZ gefunden via Oeffinger Freidenker

Recht so. Was die SZ nicht schreibt: aus der Sicht der Ärmsten (ALG II Bezieher) könnte man das Kindergeld - ganz unabhängig von seiner Höhe - getrost ganz streichen. Denn da es als "Einkommen" angerechnet wird hat es auch keinen Einfluss auf deren Gesamteinkommen.

Außerdem ist es wohl ein äußerst zweifelhafter "Fortschritt", wenn die volle Arbeitskraft von zwei Menschen erforderlich ist, um eine Familie (nur) vor Armut zu schützen und die Trennung von Kindern und Eltern zur Voraussetzung wird, überhaupt Kinder aufziehen (lassen) zu können. Denn das bedeutet in der Konsequenz bloß: ("Erwerbs"-)Arbeitszwang für alle Arbeitsfähigen. Und zwar unabhängig davon ob auch sinnvolle und sich finanziell selbst tragende, dh. ein angemessenes Einkommen sichernde Vollzeitarbeitsstellen in ausreichendem Maß vorhanden sind. Die, die dann keine Arbeit finden, kann man dann mit Fug und Recht um so mehr drangsalieren - sie können ja arbeiten, also sollen sie's auch tun - notfalls in dem sie "freiwillige Bürgerarbeit" leisten.

Ich glaube übrigens nicht, dass die Forderung nach flächendeckende "professioneller" Betreuung von Kindern schon im Alter von unter drei Jahren, tatsächlich dem Kindeswohl geschuldet ist. Wenn überhaupt, dann gilt diese Forderung dem wohl eher zweifelhaften Wohl einer Gesellschaft, in der man mehrheitlich sich bereitwillig von Minderheiten erzeugten und aufrechterhaltenen ökonomischen Zwangslagen zu unterwerfen hat.

Hieß das pädagogische Patentrezept bis vor ein paar Jahrzehnten noch "Zwang zum Gehorsam" (und wenn es ein muss: mit Gewalt), so heißt es heutzutage: ("liebevolle") Dressur zum Selbstzwang. Denn das ist doch die grundlegende Erfahrung, die ein Kind in der Krippe macht: dass es nicht einfach machen (oder wenigstens darüber verhandeln) kann, was es will, sondern: dass andere über es verfügen und seine Lebenszeit einteilen dürfen (und dass [nur] ein solches Leben auch ein "gutes" Leben ist). Erzeugt wird so der "freie" Mensch, den man nur als Karikatur erträgt: als einen Menschen, der von kleinauf gelernt hat sich selbst "freiwillig" der lebenslänglichen systemischen Taktung freudig zu unterwerfen, der (sich) nicht (mit) sich selbst beschäftigt, sondern der beschäftigt werden muss und als Erwachsener zum wohlgeratenen "Beschäftigten" wird, kurzum: der gelernt hat Fremdbestimmung als Selbstbestimmung zu "begreifen".

Um Missverständnissen vorzubeugen: das ist kein Plädoyer für die grundsätzliche Abschaffung oder Ächtung jedweder außerfamiliärer Erziehung aber es ist ein Protest gegen die Ausweitung der Praxis, Menschen theoretisch quasi a priori politische Freiheit zuzugestehen und ihnen diese Freiheit a posteriori mehrheitlich praktisch wieder zu nehmen, indem man sie systemintern generierten ökonomischen Zwängen unterwirft. Ein Mensch dessen ganzes Leben in Erwerbsarbeit aufgeht, kann niemals ein zoon politikon werden - das wusste man schon im klassischen Griechenland. Dazugelernt hat man freilich, dass man auch den "Sklaven und Metöken" "gefahrlos" politische Rechte einräumen kann - solange man nur zu verhüten weiß, dass jene jemals auch real in die Lage kommen könnten, diese auch selbst wahrzunehmen.

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Donnerstag, 2. Oktober 2008

Unterirdisch: Unter den Linden - Besteuern, Verstaatlichen, Enteignen

Bereits am Montag vergangener Woche gab es auf phoenix eine Gesprächsrunde mit dem Titel:

"Besteuern, Verstaatlichen, Enteignen - wie weit gehen die Pläne der Linken?"

Videostream

Gegenstand der Diskussion: Oskar Lafontaines vermeintliche Forderung nach Enteignung von "Familienunternehmen." Dazu eingeladen: Sahra Wagenknecht von "Die Linke" und Dirk Martin, Vorsitzender des BjU (Bund junger Unternehmer).

Der Moderator schien sich nicht besonders gut vorbereitet zu haben, bei aller Freude darüber, dass man bessere "Protagonisten" für die Diskussion nicht haben könne, kommt er bei deren Vorstellung ins schleudern, Wagenknecht bezeichnet er als "Vorsitzende der kommunistischen Plattform" und der Name des Gegenparts fällt ihm gar nicht erst ein - so dass er ziemlich ins Stottern kommt. Doch von vorne: nach der an Polizeisirenen erinnernden Erkennungsmelodie begrüßt Christoph Minhoff gutgelaunt die Zuschauer:
"Herzlich willkommen liebe Zuschauer zu 'Unter den Linden' hier aus Berlin!

Applaus ..

Ja wir sind doch eigentlich über den Höhepunkt der Ostalgie hinweg, dachten "wir" alle miteinander nach... Filmen wie 'Goodbye Lenin' oder ... 'Sonnenallee' oder 'Das Leben der anderen' war die DDR ja von allen Seiten eigentlich beleuchtet und abgearbeitet. Denkste! - Jetzt kommt der Klassenkampf auf neue Art und Weise zurück in den politischen Exkurs. Was bei der APO noch hieß: äh 'Enteignet Springer, heißt jetzt bei Lafontaine 'Enteignet Schaeffler'. Und über diese Frage zwischen 'Markt' und 'Marx' wollen wir heute ... sprechen mit - ja ich glaub' besseren Protagonisten" kann man dafür nicht haben: ich begrüße Sahra Wagenknecht Vorsitzende der 'Kommunisti...schen .. Plattform', innerhalb der Partei 'Die Linke' Herzlich Willkommen. Und ähhmmm .. Dirk ...... Martin - tschuldigung - vom Bundesverband - Bundesvorsitzender der jungen Unternehmer. Herzlich Willkommen."
Martin:
"gudnamnd"
Minhoff:
"Schönen guten Abend."

Applaus ...

"Das war jetzt 'n bisschen holprig aber viel glatter gehts jetzt weiter mit Michael Kolz"
Kolz:
"Und Christoph Minhof ääh ... Unsere Zuschauer ... ham sich die Augen natürlich gerieben. Es ist Wahlkampf - nächste Woche - wird in Bayern gewählt und alle ham sich gefragt: Huch! Jetzt kommen Themen wie Verstaatlichung, Enteignung. Was für Zeiten sind das? Ist das ernst gemeint oder ist das Wahlkampfpropaganda? Dementsprechend groß auch die Sorgen und Nöte oder Nachfragen. Und das Ganze könn' Sie uns wie immer per email mitteilen und viele haben das im Vorfeld der Sendung auch gemacht und wenn sie zu einer der nächsten Sendungen mal etwas beitragen möchten - eine Frage haben - so könn' Sie das selbstverständlich tun und zwar an die email-Adresse unterdenlinden@phoenix.de - unterdenlinden@phoenix.de oder - ganz modern - natürlich auch per Video-Frage. Das Ganze könn' sie hochladen unter meinefrage.phoenix.de auf der Internetseite und sie finden natürlich alle weiteren Informationen auf unserer Internetseite www.phoenix.de. Ja wie kam das Ganze? Das - kann ihnen vielleicht - Oskar Lafontaine erzählen"


Zur Beweisführung wird nun ein Ausschnitt aus dem berüchtigten Gespräch eingespielt:

Lafontaine: "Sie haben gesagt, dass die Familie Schaeffler über Generationen sich Vermögen aufgebaut hat. Dann will ich mal die Firmengeschichte jetzt gar nicht bemühen. Ich bin der Meinung, dass die Familie Schaeffler sich über Generationen nicht ein Vermögen aufgebaut hat, wenn ich an das Vermögen denke, das sie jetzt - verfügt! Und ich spitz es dann zu: Weil das Vermögen, das die Arbeitnehmer aufgebaut haben der Familie Schaeffler allein zugute kam, handelt es sich hier eigentlich um ein Grundgesetzwidriges Vorgehen, weil das Grundgesetz Enteignung verbietet. Das ist die - der Streit den wir haben. wie - Ich bin tatsächlich der Auffassung, dass die zigtausende Arbeitnehmer der Familie Schaeffler dieses Vermögen mitgeschaffen haben. Das können Sie anders sehn' ich bin dieser Auffassung."

Interviewer: "Und was wäre denn Ihr Vorschlag? äh - Dass man sie jetzt enteignet oder was? Von 5 Milliarden...

Lafontaine: Nein - die Enteignung möcht' ich ja rückgängig machen. Sie ham mich falsch verstanden.

Interviewer: Ja - nein - also die ... eine Enteignungsumkehrung ...

Lafontaine: Nein - dass man die Enteignung rückgängig macht

Interviewer: Ja - wie soll das konkret gehn?

Lafontaine: Ja - wir - wir ham einen Ansatz gemacht, damits jeder leicht versteht: Wir ham gesagt: die erste Halle die der Unternehmer bezahlt und finanziert gehört ihm; die zweite Halle - die aus der Produktion finanziert wird, sollte etwa zur Hälfte der Belegschaft übertragen werden.

Man sieht - das, was Lafontaine da von sich gegeben hat, ist eigentlich recht dürftig und alles andere als revolutionär, aber darauf gehen weder sein Gesprächspartner im Clip noch die Diskutanten der aktuellen Sendung ein. Offenbar reicht allein das Wort "Enteignung" - von jedem Kontext befreit - um sofort eine Art Pawlowschen Reflexes auszulösen. Dabei war es ja nicht einmal Lafontaine der den Begriff ins Spiel gebracht hat, sondern sein Gesprächspartner. Außerdem lag Lafontaine zum Teil an Stellen falsch, die in der allgemeinen Panikmache gar keine Beachtung fanden, denn - wie leicht gezeigt werden kann - ist es z.B. Unsinn, wenn er behauptet, dass das Grundgesetz "Enteignungen verbiete".

Art 14
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
Quelle

Dazu ein paar Anmerkungen:
  • Zu (1): Das Eigentumsrecht ist kein unbeschränktes Recht.
  • Zu (2): Das Eigentumsrecht ist sozial/gesellschaftlich gebunden. Kurz: Keine Aneignung ohne Gegenleistung.
  • Zu (3): Verboten sind willkürliche Enteignungen, die Einzelinteressen bedienen würden und nur diese. Enteignungen müssen gesetzlich begründet sein und dem Allgemeinwohl als dienlicher erscheinen als der Verbleib in Privatbesitz. Die Entschädigungsvorschrift sichert keinen "Wertausgleich" zu (dann könnte man das zu Enteignende ja auch gleich kaufen).

Außerdem verzichtet das Grundgesetz auf eine nähere Spezifizierung dessen, was hier "Eigentum" genannt wird. Mag sein, dass man an "Privateigentum" im Besonderen dachte, als man diesen Artikel verfasste. Hingeschrieben und ausdrücklich von anderen Eigentumsformen unterschieden hat man es jedenfalls nicht. Es bleibt also ein ziemlich großer Spielraum für unterschiedliche Interpretationen.

Richtig ist hingegen, dass niemand aus eigener Kraft ein Vermögen in Millionen oder gar Milliardenhöhe anhäufen kann. Dazu reicht jedoch mehrheitlich auch die unmittelbare Inanspruchnahme fremder Arbeitskraft noch nicht aus. Es müssen außerdem (vorgefertigte) strukturelle und materielle Voraussetzungen gegeben sein, die zusätzlich in überdurchschnittlichem Umfang in Anspruch genommen werden können. Und das bedeutet: es muss auf gesamtgesellschaftlich/historisch erbrachte Vorleistungen in privilegierter Weise zurückgegriffen werden können. Deshalb greift es m. E. zu kurz, wie Lafontaine zu fordern, dass man (nur) die (gegenwärtig angestellten) Mitarbeiter von Firmen am akkumulierten Betriebsvermögen beteiligen müsse. Denn das würde lediglich die Anzahl privater Profiteure etwas vermehren und deren anteilige Sonderprofite etwas schmaler ausfallen lassen. Wer allerdings das Pech hat, nicht zu den Mitarbeitern irgendeiner gerade florierenden Firma zu gehören, fällt - wie gehabt - hinten runter.

Diese Äußerung Lafontaines übrigens zeigt deutlich, wieviel Markt und wie wenig Marx und wie viel weniger kritische Auseinandersetzung mit beiden "Polen" in der sog. "Linken" tatsächlich unterwegs ist. Um es mit Robert Kurz zu sagen: "Die Linke" erweist sich zunehmend als die gegenwärtige Form der "sozialdemokratische[n] Sonntagsschule des Liberalismus" in der "das Verlangen nach Muße und einer an konkreten Bedürfnissen orientierten Tätigkeit (statt der 'abstrakten Arbeit') sowie nach kooperativer Selbstbestimmung und Selbstverständigung (statt der Abhängigkeit von blinden Marktmechanismen und/oder bürokratischer Bevormundung)" keinen Platz findet.

Zitat: Robert Kurz: Schwarzbuch Kapitalismus. Eichborn Verlag. FfM 1999. S. 167. Via exit-online kostenlos als pdf (ca. 2,5 mb) erhältlich.

Vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung der Verhältnisse erscheint es folglich auch äußerst fragwürdig, warum denn der Unternehmer erst die "zweite Halle" mit der Belegschaft teilen soll - und warum nur mit der Belegschaft. Schon das Kapital, das er in die erste Halle steckt, hat er ja zumeist nicht vollständig selbst erarbeitet. Die "Bedingung der Möglichkeit" jedenfalls, kann weder dem Unternehmer noch "seiner" Belegschaft voll und exklusiv angerechnet werden. Und vielleicht wird man ja auch noch fragen dürfen, wer denn eigentlich das Geld, von dem die erste Halle finanziert wird, nun tatsächlich erarbeitet hat. Lafontaine bricht also seine "Analyse der Wertschöpfung" zu früh ab und erweist sich als eher milder Sozialdemokrat. Es zeigt sich, dass man eben nicht aufhört ein Sozialdemokrat zu sein, nur weil man aus dem offiziellen Sammelbecken (SPD) aussteigt - sowenig wie man übrigens einer ist, nur weil man SPD "Genosse" bleibt (Wolfgang Clement, Schröder usw.).

Anmerkung: Interessant freilich auch der aggressiv arrogante Ton von Lafontaines Gesprächspartner bei dessen (rhetorischer) Frage "Ja - wie soll das konkret geh'n?" - Unüberhörbar "weiß" er bereits , dass es eben nicht geht - weil es (sowieso) nicht gehen soll."

Nun hätte man ja annehmen können, dass in der direkten Auseinandersetzung zwischen der Vertreterin der ach so "radikalen" Kommunistischen Plattform" innerhalb der PDL und dem offenbar als Vertreter der durch den Vorsitzenden dieser Partei angeblich in Enteignungsnöte gebrachten "Familienunternehmen" geladenen Dirk Markus womöglich die Fetzen fliegen würden. Oder anders: wo der altgediente Sozialdemokrat Lafontaine schon Enteignungs-Amok gelaufen war, da sollte man von der "Kommunistin" Wagenknecht doch sicherlich ein regelrechtes "Enteignungs-Massaker" erwarten dürfen - oder etwa nicht?

Ich will es vorwegnehmen - es gab kein Massaker - es gab auch (wieder) keinen Amoklauf. Es gab zum Teil sogar weitgehende Übereinstimmung der Kontrahenten z.B darin, dass es mehr Arbeitsplätze geben müsse und dass mittelständische Unternehmen es nicht leicht hätten in der Bundesrepublik. Und so beeilte sich Herr Martin zu versichern, dass er ganz bestimmt kein Ausbeuter sei und im Gegenteil, "seine" Mitarbeiter sogar eher das Gefühl hätten, "dass der Staat das tut".

Minhoff:
Herr Martin, s'sind ja in der Computerbranche tätig. ähm ..Wieviel Mitarbeiter beuten Sie aus und enteignen Sie?
Martin:
"Also ich beute keine Mitarbeiter aus, sondern wir haben 140 Mitarbeiter und ich glaube, dass wir einen sehr, sehr fairen ..."
Minhoff:
"Die enteignen Sie. - Dadurch, dass Sie sie beschäftigen."
Martin:
"... nein ich glaube dass w.. dass ist auch das große Missverständnis und das kann man aus einen sehr schönen Beispiel im Moment darstellen: die Enteignung kommt im Moment - zumindest bei meinen Mitarbeitern - so an, als dass der Staat das tut. Warum? Sie können heute, wenn sie des des ich sag mal das Erlebnis, was sie als unternehmer haben wenn sie mit einem Mitarbeiter über den Gehalt sprechen - nicht dass das an sich 'n schlimmes Erlebnis ist, sondern was damit passiert - Wenn ich einem Mitarbeiter heute 200 Euro mehr ... anbiete dann bleibt bei ihm netto hängen 80 Euro wenn er ledig ist und wenn er verheiratet ist und ein Kind hat bleiben vielleicht gerade 100 oder 105 Euro hängen. Der Rest geht an Abgaben an den Staat - letztendlich in der Umverteilungsmaschinerie - Jetzt muss ich mich fragen - warum sind die frustriert? Frustriert sind die Mitarbeiter deshalb weil sie weniger netto in der Tasche haben. Da bin ich ja ihrer Meinung, das ist etwas, was wir in der Tat mal diskutieren müssten. Aber das heißt eher weniger Staat anstatt mehr Staat."

Da zahlt man als Unternehmer am Besten gar nicht erst mehr, man sollte sich sogar schon mit dem Angebot zurückhalten. Zweihundert Euro mehr? Das bringt doch eh' nix - und wer will schon seine Mitarbeiter frustrieren wegen nix? Ist doch bloß schlecht fürs Betriebsklima. Mir kommen die Tränen. "Frustriert sind die Mitarbeiter deshalb, weil sie weniger netto in der Tasche haben." Man beachte die Logik: 100 Euro mehr ist weniger! - dabei heißt es doch so oft - keineswegs ohne Grund: weniger ist mehr.

Es ist halt das übliche Gejammer - nach Ursachen wird nicht gefragt und nach Lösungen erst recht nicht. Die "Lösung" ist ja klar: der Staat soll die Sozialabgaben und Steuern senken und gut ist. Würde allerdings jeder in die Sozialkassen einzahlen (und nicht nur "Mitarbeiter"), dann wäre das Problem schnell vom Tisch, denn ein Grund für die Höhe der Sozialabgaben ist ja die seit geraumer Zeit kontinuierlich abnehmende Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse und die Tatsache, dass eben nicht alle, die ein Einkommen haben auch dementsprechend in diesen Topf einzahlen und immer mehr, die ein Einkommen aus Arbeit haben, obendrein noch auf staatliche Zuschüsse angewiesen sind um auch nur das Existenzminimum zu "(v)erdienen".

Minhoff:
Sie wolln gleich ins Detail gehen ich würds gern nochmal 'n bisschen grundsätzlich haben: ähm ...Es gibt ei .. kein gutes Bild ... im Moment ... von den Unternehmern ... in Deutschland. ähm Warum machen sie das? Aus eh Profitgier oder weil sie irgendwie möglichst große Autos fahren wollen oder ähm haben sie eine andere Erklärung?"
Martin:
Also ich sach mal am Anfang ich bin ja 'n Gründer und hab nach dem Studium halt nicht in die Politik äh in das bezahlte Mundwerk begangen - gegangen, 
Minhoff:
Das kann alles noch kommen
Martin:
- kann alles noch kommen - sondern ich habe meinen Mut zusammengenommen, habe sehr sehr viel Entbehrungen am Anfang gehabt um ein solches Unternehmen aufzubauen. Und ich denke, das ist das was man in Deutschland immer etwas vergisst. Dann schaffen sie einen gewisse wirtschaftlichen Erfolg und können dadurch mehr Arbeitsplätze schaffen - Ich glaube die größte soziale - sagnmal - Tat die sie bringen können, ist Arbeitsplätze in Deutschland schaffen. Und zwar in Deutschland - bin ich auch bei Ihnen und ich glaube das ist das was hier in Deutschland zum Teil beim Unternehmerbild falsch ankommt, weil man den Manager immer mit in die ... in die Diskussion einwirft - "
Minhoff:
"Okay - Sie trennen zwischen Manager und Unternehmer - also demjenigen der quasi in Aktiengesellschaften und wie auch immer tätig ist - als .. als Handelnder und dem klassischen Unternehmertypus"
Martin:
Das müssen wir insofern trennen, weil ich voll hafte. Das heißt, wenn ich einen Fehler mache oder wenn meine Mitarbeiter einen Fehler machen, sagt mein Kunde: du bist dafür verantwortlich, weil Du bist derjenige dem das Unternehmen gehört und deshalb nehm' ich Dich in die Haftung. Und das ist der Unterschied zu einem Manager. Ein Manager hat die Haftung nicht, wenn etwas schiefläuft. Und das ist der klassische Unterschied.

Da haben wir's mal wieder: Sozial ist wer Arbeitsplätze schafft.

Zum "klassischen" Unterschied: Es gibt in der Tat Unternehmer, die voll haften und zwar mit dem letzten Cent ihres Privatvermögens - so sie denn eines haben. Das sind die sog. "Einzelunternehmer" aber auch Zusammenschlüsse von natürlichen Personen, die als GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) firmieren. Herr Martin jedoch ist Inhaber einer GmbH und Co KG und haftet eben nicht "voll" sondern nur bis zur Höhe seiner Einlage. Ferner ist er offenbar auch noch an einer Aktiengesellschaft beteiligt. Was er an privaten Einnahmen aus seinen Firmenbeteiligungen erzielt ist - z.B. im Falle einer Pleite, aber auch hinsichtlich sonstiger Regressforderungen - unantastbar; die Jobs seiner "Mitarbeiter" freilich nicht - die sind dann futsch.

Oskar Lafontaine will (angeblich) Familienunternehmen enteignen, das klingt angesichts der immer noch von vielen postulierten "Heiligkeit von Ehe und Familie" und dem besonderen Schutz, den das Grundgesetz diesen Institutionen gewährt, in vielen Ohren sicherlich entsetzlich, wenn nicht gar grausam, zielt aber jedenfalls aufs "Gemüt". Wie kann man nur so unmenschlich unsozial sein und die "heilige" Familie um ihren Besitz bringen wollen?

Allerdings fragt sich: worin besteht denn der Unterschied zwischen einem Familienunternehmen und einer Aktiengesellschaft tatsächlich? Oft hört man, es gäbe bei den sogenannten Familienunternehmen eine engere Bindung zu Standort und Mitarbeitern - und setzt das vorschnell mit "sozialer als" gleich. Im Einzelfall mag eine solche engere Bindung gekoppelt mit besonderem Verantwortungsbewusstsein durchaus gegeben sein, das bedeutet jedoch noch nicht, dass sie auch die Regel wäre. Ich selbst wurde dreieinhalb Jahre lang in einem mittelständischen Betrieb der Metallbranche (ca. 230 Beschäftigte) zum Maschinenschlosser ausgebildet und habe den oder die Eigentümer dieses Unternehmens in all der Zeit nicht ein einziges Mal persönlich getroffen - nicht einmal auf den regelmäßig stattfindenden Betriebsversammlungen. Der "Chef" - das war der Betriebsleiter und der Kontakt zwischen Arbeitnehmern und Betriebsleitung lief im wesentlichen über dessen Kettenhund und Stellvertreter - seines Zeichens REFA-Techniker und ein Speichellecker vor dem Herrn.

Dieses Bild vom "persönlich verantwortlichen und/oder haftenden Unternehmer ist (von oben genannten Ausnahmen abgesehen) ein Klischee, dass in dieser Allgemeinheit jeglicher Realität entbehrt. Das sogenannte "Familienunternehmen" zeichnet sich eigentlich nur dadurch aus, dass die Firma mit einem bestimmten (Familien-)namen rein äußerlich in besonderer Weise verknüpft ist. (z.B. Burda, Schickedanz, Quandt, Mohn, Schaeffler usw.), hinsichtlich der Unternehmensstruktur und des Verhältnisses der Familie" zum Unternehmen, sowie des Unternehmens zur Allgemeinheit ist damit freilich noch nichts gesagt. Auch an einem "Familienunternehmen" können dritte natürliche oder juristische Personen maßgeblichen (Besitz-)Anteil haben und das "Familienunternehmen" muss weder die einzige Erwerbsquelle der namensgebenden Familie sein, noch diese Familie in besondere Abhängigkeit vom Wohl und Wehe "ihrer" Firma bringen. Ferner kann das sog. Familienunternehmen selbst (als juristische Person) wieder Teilhaber anderer Unternehmungen sein usw.

Etwas anderes bleibt wie eigentlich immer in solchen Diskussionen ebenfalls unberücksichtigt und zwar der Umstand, dass die Einkommensverhältnisse nicht etwa Leistungs-, sondern schlicht Machtverhältnisse spiegeln. Der Schluss geht keineswegs von der Leistung (also der Verausgabung menschlicher Lebenskraft) auf das Einkommen, sondern umgekehrt: es wird "Leistungsgerechtigkeit" (zumindest als prinzipiell möglich) vorausgesetzt und dann vom je "verdienten" Einkommen auf eine diesem zu Grunde liegende und sich zu ihm proportional verhaltende "Leistung" geschlossen; eine Leistung, die offenbar gerade dann besonders hoch "geschätzt" wird, wenn sie im Wesentlichen darin besteht, sich einen Vorteil aus der Leistung anderer zu verschaffen. Das wäre dann auch schon die ganze Rechtfertigung bestehender Verteilungsverhältnisse auf der Basis von Lohnarbeit und Mehrwertabschöpfung. Und genau dieses Verfahren ermöglicht es überhaupt erst, unter dem Motto "Leistung muss sich (wieder) lohnen", nicht etwa eine (der tatsächlichen Verausgabung) angemessene Vergütung für jeden Erwerbstätigen zu fordern, sondern Löhne und Gehälter auch weiter anhand des sozialen Ansehens, das einzelne Tätigkeiten (und damit verbunden, die diese Tätigkeiten Ausübenden) zu Recht oder Unrecht genießen, zu bemessen, dieses als "angemessen" (lohnend) zu verkaufen und zu fordern, dass wer nicht (systemkonform) arbeitet, auch nicht essen soll.

Es ist übrigens bezeichnend, dass auch Frau Wagenknecht diese Ideologie im Westlichen mittraegt:

Wagenknecht:
Es geht hier gar nicht darum einzelne Familien anzugreifen, sondern worum es eigentlich geht - und da muss man - glaube ich - auch zwei Dinge unterscheiden: das eine sind kleine und mittlere Unternehmen, die oft vielfach wirklich von Leuten aufgebaut wurden und wo man natürlich kucken muss, dass dort nicht brutale Ausbeutung stattfindet im Sinne von Lohndumping aber wo ansonsten niemand sagt, dass hier irgendetwas - sozusagen dass denen ihr Eigentum weggenommen werden soll, weil das ham Sie sich selber aufgebaut. Das wär völlig absurd sowas zu fordern. Aber wir haben auf der Gegenseite die großen Konzerne, wir ham die DAX-Unternehmen und die machen seit Jahren Rekordgewinne, die schütten immer mehr Dividenden aus und sie schmeißen gleichzeitig die Leute raus. Und da muss man denk' ich schon die Frage stellen inwieweit z.B. das Agieren von solchen Unternehmen, wie BMW, wie Siemens, aber auch anderer - wie weit das mittm Grundgesetz vereinbar ist"

Wenn das "selbst aufbauen" unter Inanspruchnahme der Arbeitskraft dritter geschieht, dann mag hier (zunächst) ein Unterschied in der Größenordnung bestehen(der DAX-Konzern hat mehr "Beschäftige"), im Prinzip aber gibt es keinen, denn die zugrundeliegenden Strukturen sind identisch.

Damit hätte sie dann auch die bereits zuvor von Minhoff gestellte Frage "Gehts ihnen tatsächlich um eine andere Ordnung - eine andere Wirtschaftsordnung - oder gehts ihnen um eine Korrektur der bestehenden?" klar beantwortet: im Prinzip darf alles bleiben wie es ist - es soll den Armen nur nicht mehr so doll wehtun.



Wer sich noch den Rest der Diskussion geben mag, kann dazu außer auf den Videostream ggf. auf meine (fast vollständige) Transkription der Sendung zurückgreifen.

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