Samstag, 27. September 2008

Den Bock zum Gärtner machen ..

Das wird ein gewaltiges transnationales Projekt: eine globale Agenda 2008 der Weltfinanzordnung. Gemessen daran wird uns die deutsche Agenda 2010 wie ein Spaziergang vorkommen. Für diesen Kraftakt sind, so bitter das den Linkslinken aufstoßen mag, die unorthodoxen Reformpolitiker vom Typ der neueren europäischen Mitteparteien gefragt.

Dazu gehören die Repräsentanten der unterschiedlichen "Neuen Konservativen", soweit sie ihren sozialen Anspruch ernst meinen. Einige von ihnen, nicht zuletzt Angela Merkel, haben schon früher eine Reform des Finanzsystem verlangt, ohne in Washington ernst genommen worden zu sein. Und dazu gehören ebenso die Vertreter der Mitte-Links-Parteien, denen es in London und Washington nicht anders ging. Sie hatten sich auf dem "Dritten Weg" zwischen Markt- und Staatsorthodoxen als Herolde des "europäischen Modells" oder des "Rheinischen Kapitalismus" zu profilieren versucht.
Quelle (Die Zeit)

Ein Kommentar ist da wohl überflüssig .....


Gefunden via "Nachdenkseiten"


Dazu auch:
Der “Zeit”-Geist: Ein intellektueller Offenbarungseid (feynsinn)

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Mittwoch, 17. September 2008

"Enteignungs-Amok": BILD sorgt sich um Milliardäre

Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine (wird heute 65 Jahre alt) hetzt wieder: Er fordert die Enteignung der Unternehmer-Familie Schaeffler (66 000 Mitarbeiter)!


Das konnte man gestern in der BILD lesen. Wer hier wirklich hetzt, wird man nicht eigens betonen müssen. Es handelt sich ja wohl um hinlänglich bekannte Experten dieser "Disziplin".

Tatsächlich hat Lafontaine gar nicht die Enteignung der Schaefflers gefordert, sondern eine etwa 50%ige Beteiligung der Belegschaft am Betriebsvermögen angeregt. Bei angenommenen 5 Mrd. Euro würde so jeder einzelne Belegschaftsangehörige in den Genuss eines Kapitalanteils von 75.757,58 Euro kommen. Das wäre natürlich viel zu viel für einen einzelnen Menschen und gehört verboten.

Was der Mensch - "wissenschaftlich erwiesen" - wirklich zum Leben nötig hat und wem man deshalb sogar mit Fug und Recht mehr als die Hälfte seiner Mittel nehmen darf, darüber wurden wir ja erst kürzlich durch Herrn Professor Friedrich Thießen belehrt. Leider aber fanden seine Thesen wenig Anklang, was nicht nur den überaus arbeitsamen Friedrich Merz betrübt haben dürfte, der es "bedauerlich" findet
dass die Chemnitzer Studie, die einen Hartz-IV-Satz von 132 Euro (heute 351 Euro im Monat) als ausreichend sieht, „so schnell abgekanzelt wurde“.
und dabei die arbeitende, leistungsbereite Mehrheit auf seiner Seite weiß:
„Union und FDP können viel mehr Zuspruch, auch in der Arbeitnehmerschaft, erhalten, wenn wir nicht über die Ausweitung, sondern über die Begrenzung des Sozialstaats reden würden.“
weshalb er sagen kann:
„Die Politiker dürfen sich nicht in einen Überbietungswettkampf nach dem Motto ‚Wer gibt mehr' einlassen. Wir können durchaus sagen, dass manchmal weniger mehr ist.“
Eine Haltung, die ihm viel Beifall einbringt:
Thomas Straubhaar vom Hamburger HWWI zur B.Z.: „Ich begrüße es, dass mit Merz ein Politiker die Chemnitzer Studie thematisiert, denn die Höhe des Existenzminimums ist eine entscheidende politische Frage.“
B.Z.

Heute nun erfährt der treue BILD Leser:
Linken-Chef Oskar Lafontaine ist mit seiner Einschätzung, die Milliardenvermögen einzelner Familienunternehmen seien "grundgesetzwidrig", auf breite Ablehnung gestoßen.
Diese "breite Ablehnung" belegt das Blatt durch eher dürftige Statements u.a. von Wolfgang Bosbach: "Oskar Lafontaine befinde sich "in schlechter Enteignungstradition von Sozialisten und Kommunisten", Peter Ramsauer: "Marxismus pur", Roland Koch: "Die Kommunisten lassen jede Maske fallen, nehmen ganz offen und unverfroren Kurs in Richtung DDR. [...] Heute sollen Großunternehmen wie BMW verstaatlicht und Personen wie Frau Schaeffler enteignet werden, wird der Zwangscharakter der Vereinigung von KPD und SPD zur SED geleugnet. Morgen nehmen sie Rechtsstaat und Meinungsfreiheit ins Visier." und Dirk Niebel, der "die Äußerungen als Beleg dafür [wertete]", dass die Linke "die kommunistische Fortsetzung der SED" sei".

Und das Berliner Schwesterblatt B.Z. haut in die gleiche Kerbe:
Unionsfraktionsvize und Innenexperte Wolfgang Bosbach (CDU) zur B.Z.: "Oskar Lafontaine befindet sich in schlechter Enteignungstradition von Sozialisten und Kommunisten, die es immer wieder verstanden haben, Volkswirtschaften zu ruinieren." CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer legte nach: "Was Lafontaine verlangt, ist Marxismus pur. Das verstößt gegen Geist und Buchstaben des Deutschen Grundgesetzes." Deshalb sei es kein Wunder, dass sogar Becks SPD-Landesregierung diese Linke vom Verfassungsschutz beobachten lässt.
Der SPD-Fraktionsvize für innere Sicherheit, Fritz Rudolf Körper, stimmte zu: "Lafontaine will zurück zu Karl Marx. Entschädigungslose Enteignung ist verfassungswidrig."

Ebenso die Opposition. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel zur B.Z.: "Lafontaines Enteignungsgelüste sind der Beleg dafür, dass die so genannte Partei die Linke nichts anderes ist, als die kommunistische Fortsetzung der SED."

Der neue Berliner CDU-Landesfraktionschef Frank Henkel fordert, dass sich die Berliner Linke "unverzüglich" von den Äußerungen ihres Bundesvorsitzenden distanziert.

Und wo man schon mal so schön dabei ist, bescheinigt die BILD Sarah Wagenknecht auch gleich noch, dass sie "weiter ihre wirren kommunistischen Thesen" verbreite.
Die Sprecherin der ultralinken "Kommunistischen Plattform" fordert im Magazin "Cicero" die Enteignung des BMW-Konzerns: "Die Familie Quandt geht mit ihrem Eigentum nicht sorgfältig um. Wo es gegen das Wohl der Allgemeinheit eingesetzt wird, da muss man sogar enteignen."
BILD meint: Von vorgestern!
Einzig Franz Josef Wagner findet sich (wenngleich ganz gewiss ohne jede Absicht) an Oskars Seite und schimpft:
Ihr habt in Euren 1000-Dollar-Anzügen keine Ahnung, was Geld ist. Arbeitet mal im Straßenbau oder an einer Supermarktkasse. Das Geld, das da verdient wird, sind geschwollene Beine und kaputte Bandscheiben.
Aber Wagner wettert auch nicht gegen die Schaefflers oder Quandts im Lande, sondern gegen die "Geldgierigen der Wall Street". Die sind schön weit weg und lesen garantiert nie eine BILD und könnten deshalb womöglich böse auf den Franz werden. Dennoch scheint der arme Franz Josef ein wenig die Orientierung verloren zu haben. Wurde doch erst vor kurzem eine ganze Woche lang in dem Blatt, das seine Sprechblasen regelmäßig veröffentlicht, das Loblied der krachenden Knochen gesungen.

Die wirklich wichtige Nachricht des Tages aber ist eindeutig, dass der missgestimmte Muslim Muhammad al-Munajid mieserweise Micky Maus mutwillig meucheln möchte.

Armes Deutschland ...

Vgl. dazu auch an anderer Stelle in diesem blog: Eigentum und Geld und Leistung

Das Video des Gespräches mit Oskar Lafontaine bei Capital.

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Donnerstag, 11. September 2008

Helden der Arbeit - oder: Blut, Schweiß und Tränen

Früher sagte man von Springers BILD, man müsse sie beim Lesen waagerecht halten, weil sonst das Blut herauslaufe. Gegenwärtig scheint es eher Schweiß zu sein, der herauströpfeln könnte, sobald man das Blatt in eine von der Waagerechten abweichende Position bringt.

Kostproben:


Da müssen einem doch die Tränen kommen, nicht wahr?

Ohne der körperlich hart arbeitenden Bevölkerung zu nahe treten zu wollen, aber jedesmal, wenn ich so einen vor falschem Pathos strotzenden Scheiß serviert kriege, muss ich an das "Deutschlandlied" denken, einen Song, den die Gruppe Interzone in den achtziger Jahren veröffentlichte. Und das geht so:

In seinem Hinterkopf ist ein Loch
so groß wie eine Faust
daraus spritzt das Blut
in kleinen Intervallen
aber er
lässt sich nichts anmerken

tut einfach so
als wär alles all right
tut einfach so
als wär alles all right

Die anderen könnten ja sonst denken
er sei ein Scheißkerl
oder sowas in der Art
das möchte er auf keinen Fall

Aus solchem Material baut die Bundesrepublik
Aus solchem Material ...

Deutschland Deutschland Deutschland Deutschland Deutschland ...

La la la la la la la la ...


Text: Heiner Pudelko

Und - nein - es ist nicht zum Heulen - es ist zum Kotzen.

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Erfreuliches

Dieses ist der 100. Beitrag den ich in diesem Blog schreibe. Das ist zwar nicht unbedingt ein Grund zum Feiern; mit eher unerquicklichen Themen möchte ich den "Jubilar" aber auch nicht füllen.

Darum mag er sein eigener Inhalt sein.

Bild anklicken für Originalgröße (400kb)

That's all.

;-)

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Mittwoch, 10. September 2008

Noch einmal: Neues aus Chemnitz

Offenbar weiß selbst die Fachbereichsleitung der Chemnitzer TU nicht so recht was sie von der "Studie" ihres Fakultätskollegen Friedrich Thießen halten soll und geht - bis auf weiteres jedenfalls - vorsichtshalber auf Distanz zu diesem Machwerk.



Der Dekan selbst äußert sich dazu wie folgt:


  • Durch die Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse fühlen sich Betroffene persönlich angegriffen und gekränkt. Dies bedauere ich sehr, es war sicher nicht Ziel der Studie.
  • Gleichzeitig möchte ich klarstellen, dass es sich um die (Ko-)Veröffentlichung eines einzelnen Fakultätsmitglieds handelt. Die Studie war im Vorfeld weder der Fakultätsöffentlichkeit noch mir bekannt und repräsentiert nicht die Einschätzung der Fakultät insgesamt.
  • Insbesondere angesichts der - selbstverständlich auch für Herrn Kollegen Thießen und seinen Koautor geltenden - Freiheit von Forschung und Lehre ist es weder möglich noch wünschenswert, jede Veröffentlichung von Fakultätsmitgliedern zu prüfen und eine Freigabe hierfür zu erteilen.
  • Wir werden uns aber in der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften zeitnah intensiv mit Methodik und Ergebnissen der Studie auseinandersetzen.
Uwe Götze
Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
2008-09-08

Ich jedenfalls bin jetzt schon ausgesprochen neugierig auf die Ergebnisse der angekündigten "intensiven" Auseinandersetzung "mit Methodik und Ergebnissen der Studie" und werde den Fortgang im Auge behalten.

Nachtrag (11.09.2008, 09:25h)

Chemnitzer TU in im Ausnahmezustand betitelt der mdr auf seinen Internetseiten eine Nachricht zum Thema. In der Einrichtung seien als Reaktion auf die umstrittene Studie "zahlreiche Protestschreiben und Drohungen eingegangen" und
Das Dekanat und die Professur für Wirtschaftswissenschaften seien kaum noch arbeitsfähig, sagte Prodekan Ludwig Gramlich dem MITTELDEUTSCHEN RUNDFUNK. "Wir sind bestürzt, welche Wogen das Ganze geschlagen hat. Was aber nicht ausschließt, und das ist beschlossene Sache, dass wir das Thema aufgreifen und dann durchaus kontrovers diskutieren werden."
[...]
Die Fakultät räumte [...] ein, sich die Ergebnisse der Studie demnächst genauer anzusehen. Das sei im Vorfeld der Veröffentlichung nicht geschehen. Professor Friedrich Thießen, der die Studie gemeinsam mit Studenten durchgeführt hat, ist derweil auf Tauchstation gegangen. Öffentliche Anfragen werden derzeit nicht beantwortet.

Da müssen nun also nun die Kollegen von Herrn Thießen die Kohlen aus dem Feuer holen.

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Wie bestellt: "Weltbankstudie"

Offenbar hat die TU_Chemnitz die ominöse Studie "Die Höhe der sozialen Mindestsicherung - Eine Neuberechnung "bottom up"", nunmehr endgültig aus dem Netz genommen und durch ein der Einseitigkeit der Studie angemessenes einseitiges Dokument (Präambel) als Platzhalter ersetzt. - Macht aber nichts, man braucht sie nicht länger und auch die "Hartz-IV Abzocker" Kampagne der BILD ist entbehrlich geworden, denn nun schaltet sich die internationale Abgreiftruppe ein:


Der Standort D schwächelt: In einem weltweiten Vergleich der Wirtschaftsfreundlichkeit ziehen sogar Kleinstaaten wie Georgien und Mauritius an der Bundesrepublik vorbei. Grund ist der eklatante Reformstau.

Jedes Jahr vergleicht das Institut [Weltbank] die Wirtschaftsfreundlichkeit von Ländern rund um den Globus. In dem Bericht "Doing Business 2009" wird untersucht, wie unternehmerfreundlich und reformfreudig ein Staat ist. Bewertet werden unter anderem bürokratische Hindernisse beim freien Handel und der Existenzgründung, die Flexibilität des Arbeitsmarktes sowie das Steuersystem. Die Daten wurden zwischen Juni 2007 und Juni 2008 erhoben - also noch vor dem Krieg im Kaukasus.

Deutschland sackte dabei um ganze fünf Plätze ab und landet nun hinter Ländern wie Georgien (Rang 15) oder Mauritius (Rang 24) auf Platz 25. Das schlechte Abschneiden liegt nach Angaben der Weltbank vor allem daran, dass die Konkurrenten reformeifriger als die Bundesrepublik waren. Besonders bei den Firmengründungen schneidet Deutschland so schlecht ab wie kaum ein anderes Industrieland.

Quelle (SpOn)

Wundert sich eigentlich jemand, warum nicht auch einmal untersucht wird, wie Arbeitnehmer-, Bürger- oder einfach: Menschenfreundlich die einzelnen Staaten sind?

Frag ja nur ...

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Aus der Nähe besehen: die Chemnitzer Studie zur Höhe der sozialen Mindestsicherung "bottom up"

Schon seit ein paar Tagen erhitzen sich die Gemüter an einer Studie, mit dem Titel "Die Höhe der sozialen Mindestsicherung - Eine Neuberechnung "bottom up"", die von Friedrich Thießen und Christian Fischer an der TU-Chemnitz erstellt wurde. Auch in diesem blog fand sie bereits Beachtung und ich hatte angekündigt, dass ich mich noch etwas ausführlicher mit ihr befassen wolle. Dies ist nun geschehen. Es ist allerdings recht spät geworden und darum zu erwarten, dass der folgende Artikel noch einige Fehler und/oder Lücken enthält, die ich in den nächsten Tagen ggf. korrigieren werde.


Das mittlerweile landläufig als sogenannte "Chemnitzer Studie" bekannt gewordene Elaborat gibt vor, den Nachweis erbracht zu haben, dass die gegenwärtig gültigen Regelsätze für Hartz IV-Empfänger eher zu hoch als zu niedrig sind - ja, dass man sie - bei einer hinreichend engen Auslegung der entsprechenden Paragraphen des Sozialgesetzbuches - sogar deutlich senken könnte, ohne damit gegen das Sozialstaatsgebot des GG und die entsprechenden gesetzlichen Regelungen des SGB II zu verstoßen. So will man ermittelt habe, dass sich, im Rahmen geltender Regelungen, der Spielraum je nach enger oder weiter Auslegung der gesetzlichen Vorschriften zwischen einem Minimalbetrag von 132,-- Euro und einem Maximalbetrag von 278,-- Euro bewege. Was natürlich impliziert, dass Hartz IV Empfänger derzeit ungerechtfertigt hohe Zahlungen erhalten. Zwischenzeitlich hat man, wohl angesichts der Empörung, die diese Zahlen insbesondere bei Wohlfahrtsorganisationen und Erwerbsloseninitiativen hervorgerufen haben, die ursprüngliche Fassung der Studie zunächst aus dem Netz genommen, dann durch eine um eine vorangestellter Präambel erweiterte Version, in der man abzuwiegeln versucht, ersetzt. Inzwischen bekommt man unter alter URL und Titel nur noch die Präambel geliefert. In dieser Präambel wird erklärt:

"Die Studie kommt bei allen Unsicherheiten, die derartigen Studien immer zugrunde liegen, zu dem Ergebnis, dass die tatsächlich gewährten geldlichen Sozialleistungen leicht oberhalb des Rahmens liegen, der durch die festgelegten Ziele der sozialen Mindestsicherung abgedeckt wird."
Zudem versichert man:
"In der Studie werden daraus keine Konsequenzen abgeleitet."

Nun - wenn man den von den verantwortlich zeichnenden Herren Thießen/Fischer als "Obergrenze" ermittelten Betrag von 278,-- Euro als 100%ige Bedarfsdeckung annimmt, dann wären die gegenwärtigen Zahlungen um satte 26,26 % zu hoch; das als "leicht oberhalb des Rahmens" zu verkaufen, dazu gehört schon eine gewisse "Großzügigkeit". Geht man gar soweit, die ermittelte Untergrenze von 132,-- Euro als hinreichend anzuerkennen, dann kommt man auf eine um 166% zu hohe Zahlung. Mit anderen Worten: Je zwei Hartz IV Klienten verfressen und versaufen, wovon fünf Menschen auskömmlich leben könnten. Ein Skandal! Aber man hatte ja nur die besten Absichten:

"Es war Absicht, einen Beitrag zur Verbesserung der Situation vieler Menschen zu leisten."


Seltsam, dass man diese hehre und lobenswerte Absicht nicht schon in der ersten Fassung kundgegeben hat, sagt der Volksmund doch nicht ohne Grund: "Tue Gutes und rede darüber."

So wie oben von "vielen Menschen" die Rede ist, aber nicht gesagt wird von wem, oder von welcher Gruppe von Menschen hier konkret gesprochen wird, zeichnet sich die Arbeit insgesamt durch unscharfe und vage Formulierungen aus. Vermutlich soll das wissenschaftliche Neutralität und "Wertfreiheit" suggerieren. So erläutert man in der Präambel die Beweggründe, die Anlass zur Studie gaben, wie folgt:

"Auslöser der Studie war Unbehagen über das als intransparent empfundene Verfahren der Berechnung der Leistungen der sozialen Mindestsicherung (Hartz IV, Sozialhilfe)."

Da wüsste man eigentlich schon gern, wer sich denn hier unbehaglich fühlte, mich jedenfalls bewegte ein derartiges Gefuehl bis dato nicht. Und auch scheint es mir angesichts des "intransparent empfundene [n] Verfahren[s] der Berechnung der Leistungen, eher naheliegend, dieses "intransparente" Verfahren einer gründlichen Prüfung zu unterziehen und es transparent(er) zu machen, als ihm ein eigenes entgegenzusetzen, das, wie noch zu zeigen ist, schon deswegen vollkommen unzureichend ist, weil es einen Großteil der komplexen Situation erwerbsloser Menschen gänzlich außer acht lässt. Am Ende der Präambel gibt man sich noch betont aufklärerisch: Einseitig und/oder verfälschend sind die Formulierungen der Presse - die Studie ist über jeden Zweifel erhaben. Das schlechte Bild, das sie abgibt, hat sie nicht zu verantworten:
"Sie als Person werden von den Medien benutzt, damit diese mehr und teurer Werbung verkaufen können. Die Klick-Zahl soll gesteigert werden, und dazu liefert man ihnen Stichworte, von denen man weiß, dass Sie darauf reagieren. Mit den Ergebnissen der Forschung hat das nichts zu tun."

Nun - zumindest dieses blog ist vollkommen werbefrei und damit - jedenfalls in dieser Hinsicht - hoffentlich über jeden Verdacht erhaben.
Damit zurück zur eigentlichen Studie.

Auf der ersten Seite der "Zusammenfassung" wird allen blumigen Vorreden zum Trotz gleich Tacheles geredet:

  • "Die Hartz-IV-Gelder sind nicht zu niedrig, sondern eher zu hoch."
  • "Als sozial gerecht wird das System nicht empfunden, weil es die Bedürftigen einseitig mit Geld abspeist und ihnen das vorenthält, was vielen sehr wichtig ist: Arbeit und Anerkennung."

Auch wenn man selbst "[i]n der Studie [...] daraus keine Konsequenzen" ableitet, so darf doch angenommen werden, dass man Konsequenzen erwartet, warum sonst hätte man diese Studie überhaupt erstellen sollen? Immerhin erhält der Leser hinsichtlich derjenigen, die das System als nicht "sozial gerecht" empfinden, im Folgenden nähere Informationen.
"Zusätzlich wurden Studierende befragt, was sie am deutschen Sozialleistungssystem gerecht oder ungerecht empfinden."

Anmerkung:
wenn/dann = wenn man einen repräsentativen Querschnitt der Chemnitzer Studenten befragt hat, dann ... - ich gehe allerdings davon aus, dass der Herr Professor es hier, dem ökonomischen Minimalprinzip (mit geringstmöglichem Aufwand ein vorgegebenes Resultat erreichen) folgend, es bei einer Befragung der Studierenden seines Fachbereichs oder des gerade laufenden Seminars hat bewenden lassen.


Kaum noch erwähnt werden muss, dass es sich bei dem was "vielen" (wieder so eine überaus präzise Angabe) wichtig ist, selbstredend implizit um (rein abstrakte) Erwerbsarbeit handelt und die Anerkennung eben so selbstverständlich (nur) davon abhängt, ob man einer solchen Arbeit nachgeht oder nicht. Festzuhalten bleibt, dass vom Erwerb abgesehen, alle anderen (möglichen) qualitativen Aspekte menschlicher Arbeit ausgeblendet werden. In der 33 Seiten umfassenden Komplettfassung der Studie fehlt jener Hinweis auf das Gerechtigkeistempfinden der Chemnitzer Studenten, der in der Zusammenfassung als (zusätzlicher) vierter Punkt des methodischen Vorgehens angegeben wurde, übrigens ganz.

"Insgesamt lautet das methodische Vorgehen der Studie folgendermaßen
  • Zunächst wurden aus der Literatur die mit der sozialen Mindestsicherung verfolgten Ziele ermittelt (Schritt 1).
  • Daraus wurde ein - mit diesen Zielen kompatibler - Warenkorb abgeleitet (Schritt 2). Da die Ziele ungenau formuliert sind, mussten zwei Fälle unterschieden werden, die einer Untergrenze und einer Obergrenze der Interpretation der verfolgten Ziele entsprechen (im Folgenden "Minimumsfall" und "Maximumsfall").
  • Schließlich wurden den Gütern der beiden Warenkörbe "Minimumsfall" und "Maximumsfall" Preise zugeordnet und durch Summierung die Gesamtkosten der sozialen Mindestsicherung ermittelt (Schritt 3).
  • Zusätzlich wurden Studierende befragt, was sie am deutschen Sozialleistungssystem gerecht oder ungerecht empfinden."

Diese Neuberechnung "bottom up" erweist sich somit als recht simple Anwendung des ökonomischen Minimalprinzips (hätten Sie das nicht gleich sagen können, Herr Professor?). Eine Verfahrensweise, die jeder Student der Wirtschaftswissenschaften im ersten Semster und jeder kaufmännische Angestellte im ersten Ausbildungsjahr lernt.

[Das] allgemeine[...] Vernunftprinzip (Rationalprinzip) [...] erfordert, ein bestimmtes Ziel mit dem Einsatz möglichst geringer Mittel zu erreichen. Auf die Wirtschaft übertragen läßt sich das Rationalprinzip (ökonomisches Prinzip) mengenmäßig oder wertmäßig formulieren. Die mengenmäßige Definition besagt, daß mit einem gegebenen Aufwand an Produktionsfaktoren der größtmögliche Güterertrag zu erzielen ist, d.h. der Ertrag soll maximiert werden (Maximalprinzip) oder daß ein gegebener Güterertrag mit geringstmöglichem Einsatz von Produktionsfaktoren zu erwirtschaften ist, d.h. der Mitteleinsatz soll minimiert werden (Minimalprinzip). Die wertmäßige Definition verlangt, so zu handeln, daß mit einem gegebenen Geldaufwand ein minimaler Erlösbetrag oder ein bestimmter Erlös mit einem minimalen Geldeinsatz erwirtschaftet wird.
Günter Wöhe. Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. Verlag Vahlen. München 1981. S.1f.

Zunächst wird also das Ziel festgelegt: ein Individuum ohne eigenes Einkommen und/oder Vermögen soll hinreichende Mittel erhalten, sein Dasein zu fristen und darüber hinaus nicht (gänzlich) vom gesellschaftlichen Treiben ausgeschlossen sein. Dann werden die erforderlichen Mittel spezifiziert und zwar zunächst als Sachmittel (Warenkorb), die dann in Geldmittel zu übersetzen sind. Streng genommen besteht das Verfahren also nur aus zwei Schritten. Es wir jedem einleuchten, dass man seinen Goldfisch anders ernähren muss, als seinen Hund, dass es also je nach Individuum unterschiedlicher Mittel bedarf um es zu erhalten. Auf den Menschen übertragen bedeutet dies, dass z.B. eine Frau einen anderen Bedarf hat als ein Mann und ein Zwanzigjähriger einen anderen als ein Sechzigjähriger. Solche Differenzierungen würden das Verfahren aber unnötig verkomplizieren und manchen Erstsemesterstudenten hoffnungslos überfordern (Ja! - Ich gestehe es schon jetzt: ich halte diese ganze "Studie" schlicht für das Projekt eines Pro-Seminars). Also lässt man hier die Empirie außen vor und konstruiert sich einen abstrakten Bedürftigen, der in der realen Welt wohl eher als Ausnahmeerscheinung, denn als Regel vorkommen dürfte:

"Grundlage der Untersuchung ist ein gesundes, rational handelndes Individuum frei von Sucht oder anderen Erkrankungen oder Behinderungen mit folgenden Ausprägungen:
  • Männlich
  • 1-Personen Haushalt, keine Kinder
  • Mittleres Alter (18-65 Jahre)
  • Körpergröße 1,70 m, Gewicht 70 kg
  • Deutsche Staatsangehörigkeit, deutsche Verbrauchsgewohnheiten
  • Kein Sonderfall (gesund, nicht geistig und körperlich behindert oder pflegebedürftig)

Als logisch erforderlicher Platzhalter dient also ein "Mensch" ohne Geschichte und Empfindung. Ein virtueller, rein rationaler Roboter ohne robota (tschech.: "Arbeit") wird eingesetzt als "Variable" für mindestens 5 Millionen menschliche Individuen. Ich will es vorwegnehmen: ich halte diesen Punkt für das größte Manko dieser Studie, in deren Mittelpunkt ganz offensichtlich eben nicht die Menschen, sondern die Geldbeträge stehen, die manche Menschen andere Menschen kosten. Vom Standpunkt eines Finanzexperten mag das der interessantere Aspekt an der Hartz IV Gesetzgebung sein; ein Sozialwissenschaftler kann über eine derartig eindimensionale Vorgehensweise eigentlich nur den Kopf schütteln. Alles was diese "Studie" ermitteln kann, ist der Betrag, mit dessen Hilfe es möglich ist, einen Menschen unter den zum Zeitpunkt der Preisermittlung gegebenen Bedingungen auf dem Niveau eines Tieres am Leben und (prinzipiell) arbeitsfähig zu erhalten.

Anmerkung:
Überaus verwunderlich finde ich, dass so manchen "Liberalen" eine derartige "Gleichmacherei" nicht sauer aufstößt.

Wie gesagt, der virtuelle Mensch wird lediglich "prinzipiell" arbeitsfähig gehalten; auf die reale Welt übertragen, wäre dieser nur prinzipielle Erhalt der Arbeitsfähigkeit für die meisten Menschen aber wertlos. Denn, wie es in dem in der vorstehenden Anmerkung verlinkten blog einer der Kommentatoren zutreffend anmerkte: um sich erfolgreich um eine angemessene Tätigkeit zu bewerben, werden z.B. an das Erscheinungsbild des Bewerbers bestimmte Erwartungen geknüpft, die - außer auf niedrigstem Niveau - mit Hilfe einer derart niedrigen Grundversorgung nicht zu erfüllen sind. Es fehlt der Studie eindeutig eine repräsentative Erhebung hinsichtlich unterschiedlichen der Lagen und Voraussetzungen der von Hartz IV betroffenen Menschen. Das in der Chemnitzer Studie verwandte Modell kann eigentlich nur dadurch erklärt werden, dass man stillschweigend die ALG II Empfänger in ihrer Mehrzahl als amorphe Masse Minderqualifizierter ohne besondere (Erwerbs-)Biographie und Fähigkeiten angesehen hat und deswegen meinte, deren Ansprüche gleichmäßig auf das für den Erhalt von Billigstlohnaspiranten niedrigstmögliche Niveau herunterschrauben zu können (was ich freilich selbst den tatsächlich weniger Qualifizierten unter den Arbeitslosen gegenüber als ziemliche Frechheit empfinde).

Anmerkung:
Diese Annahme hinsichtlich der Geringqualifizierten wird quasi durch den Professor selbst bestätigt. In einem Interview bei Spreerauschen ist folgende Äußerung von ihm zu lesen:
"Nein, gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt es ganz schwere Bedenken. Besser sind funktionsfähige Arbeitsmärkte für Geringualifizierte. Und wenn sich diese nicht organisieren lassen, dann bereitgestellte Arbeit."
Für diesen Hinweis danke ich Christian Soeder

Dennoch hat man bei der Verfolgung des Minimalprinzips (immerhin) längst nicht alle Konsequenzen gezogen. So findet sich in der "strengen" Variante folgender Bedarfsanspruch für Kleidung: "Alle Positionen entsprechend EVS mit Ausnahme Bademantel, Bademütze, Anzug und Regenschirm." Da wäre es eigentlich nur billig, von denjenigen Bedürftigen, die sich im Besitz einer Bademütze, eines Anzugs und/oder eines Regenschirms befinden, zu verlangen, diese Luxusgegenstände zunächst zu versilbern und den Erlös hernach von der Unterstützung abzuziehen. Das gleiche gilt übrigens für Fahrradbesitzer, jedenfalls für den Fall, dass die Minimalvariante einmal Realität werden sollte. Offenbar war man sich nicht der Tatsache bewusst die Marx schon vor rund 150 Jahren erkannt hat. Man kann Menschen (wenn man sie denn als wirklichen Menschen gelten lassen will), nicht beliebig auf ein paar scheinbar "natürliche" Grundbedürfnisse reduzieren. "Menschliche" Bedürfnisse" sind gesellschaftlich/geschichtlich generiert und können nicht auf eine beliebig niedrige Stufe heruntergebrochen werden. Ein "existentielles" Bedürfnis ist ein bloß animalisches Bedürfnis das Menschen mit allen anderen Lebewesen gemein haben - es ist aber mitnichten ein spezifisch "menschliches" Bedürfnis. Implizit wird die gesellschaftliche Bedingtheit menschlicher Bedürfnisse in der Studie zwar durchaus anerkannt - schon Hemd, Hose und Socken sind eine gesellschaftliche Konzession. Ein paar Kartoffelsäcke würden [als Schutz gegen widrige Witterungsbedingungen] das rein "existentielle" Bedürfnis vollkommen befriedigen -, sie setzt sie aber unreflektiert und damit willkürlich fest. Da hilft auch der Verweis auf die WHO nicht, die lediglich Empfehlungen, die möglichst auch unter den miesesten gesellschaftlichen Bedingungen umgesetzt werden können sollten, aussprechen kann und spezifische gesellschaftlich/soziale Gegebenheiten deshalb eben auch nicht berücksichtigt. Bis hierher wurde gezeigt, dass der Kern der Studie nichts anderes war als die Anwendung des ökonomischen Minimalprinzips auf einen bestimmten Sachverhalt. Nicht beachtet haben die Verfasser allerdings, dass der Empfänger der staatlichen Zuwendungen, ganz gleich in welcher Höhe sie gewährt werden, genötigt ist mit seinem Einkommen nach dem Maximalprinzip zu verfahren: Er muss mit einer gegebenen Geldmenge versuchen möglichst viele seiner Bedürfnisse hinreichend zu befriedigen. Es ist so zutreffend wie überflüssig darauf zu verweisen, dass es einen "Anspruch auf Zufriedenheit" nicht gibt. Es ist in den Bedürfnissen jedoch auch etwas enthalten, was ich als Bedarf bezeichnen würde. Dabei handelt es sich um solche Objekte, die zum Erreichen gegebener Ziele als unverzichtbar anzusehen sind. Im Falle eines arbeitsuchenden Bankkaufmannes, wäre z.B. ein Anzug ein solches unentbehrliches Objekt. Niemand wird ihn einstellen, wenn er im Jogginganzug zum Vorstellungsgespräch erscheint, auch dann nicht wenn er hoch und heilig verspricht von sich von seinem ersten Gehalt umgehend neu und "angemessen" einzukleiden. Der arbeitsuchende Bankkaufmann wäre also genötigt, sich das Geld ggf. durch Einsparungen an anderer Stelle anzusparen (oder va banque irgendwie auf Kredit zu kaufen, in der vagen Hoffnung, dass er den Job bekommen wird). Schon dieses eine Beispiel sollte eigentlich genügen, um deutlich werden zu lassen, dass es ein Unding ist die Transferleistungen mit Blick auf ein im Grunde genommen rein existenzsicherndes Niveau festlegen zu wollen. Zur vielbeschworenen "Würde" eines Menschen gehört, dass er auch Entscheidungs- und Handlungsfreiheit besitzt. Diese Freiheiten sind durch die gesetzlichen Bestimmungen (z.B. "Zumutbarkeitsregelung") ohnehin schon auf ein kaum erträgliches Minimum reduziert. Ein an den Berechnungen der Studie orientiert bemessenes ALG II würde m.E. auch den verbliebenen Rest an persönlicher Freiheit atomisieren.
"Der Minimumfall orientiert sich dagegen nicht an üblichen Alltagsvollzügen, als vielmehr daran, ob die Ziele der Sozialhilfe nach Kommunikation und Teilhabe am geselligen Leben auch mit weniger Mitteln erreicht werden können. Hier wurden nicht die Ausgaben der Gesellschaft laut EVS, sondern die Verhaltensweisen einzelner gesellschaftlicher Gruppen herangezogen, die zeigen, dass man auch mit einem Minimum an Geld ein geselliges, gesellschaftsbezogenes Leben führen kann. Der Minimumfall schließt deshalb nur eine Netzkarte mit dem ÖPVN, eine Pauschale für schriftliche Kommunikation, TV und ganzjährigen Zugang zur Stadtbibliothek (d.h. kostenfreien Zugang zu Büchern, Zeitungen, Zeitschriften inkl. kostenlosem Internet) ein."

Ganz unbestritten kann "man auch mit einem Minimum an Geld ein geselliges, gesellschaftsbezogenes Leben führen". Einige Millionen ALG II Empfänger demonstrieren uns das mittlerweile bereits seit einigen Jahren. Es bedarf also weder halbgarer Studien von Finanzexperten noch erbsenzählerischer Rechenübungen von Senatoren um das deutlich werden zu lassen. Schließlich verhungern oder erfrieren die Betroffenen ja (noch) nicht massenhaft. Es steht aber auf einem ganz anderen Blatt ob "man" - zumal aus einer wirtschaftlich wohl mehr als komfortablen Position heraus - sich anmaßen darf, ein solches Dasein einem jeden Individuum, das seinen Arbeitsplatz verloren (oder: nie einen gefunden) hat abverlangen darf. Darüber hinaus wird erwogen, ob man dieses "Minimum an Geld" evtl. nur an Menschen zahlen sollte, die dem der Studie zugrunde gelegten Idealtyp ("deutsches, rational handelndes, männliches Individuum, mit Idealgewicht, frei von Sucht- oder anderen Erkrankungen oder Behinderungen") hinreichend gerecht werden. Zumindest Leuten, die mit ihren geldlichen Zuwendungen einen Monat nicht überstehen, sondern z.B. regelmäßig nach ein paar Tagen wieder pleite sind, könnte man, so wird angeregt, doch besser Sachleistungen und "Zuwendung" anbieten.
Implizite Annahme der Untersuchung ist Rationalverhalten des Individuums. Liegt dieses nicht vor, können zusätzliche Hilfeleistungen erforderlich werden, um die Ziele der sozialen Mindestsicherung zu erreichen. [...] Es leuchtet ein, dass Menschen, die nicht zum unterstellten Rationalverhalten fähig sind, geholfen werden muss, denn die Ziele der sozialen Mindestsicherung gelten für jedermann. Allerdings gibt es verschiedene mögliche Vorgehensweisen. Gerade bei fehlendem Rationalverhalten kann eine pauschale Anhebung der Sozialleistungen u.U. nicht sinnvoll sein. Unter Umständen ist der Einsatz von Geldleistungen in solchen Fällen unsinnig, und es muss zu anderen Mitteln gegriffen werden (z.B. individuelle Betreuung, Möglichkeit zu Arbeiten, sich einzubringen etc.).

Das führt zu einem weiteren Punkt. Das Sozialstaatsgebot kann nicht einfach dahingehend ausgelegt werden, dass die die physische Existenz zu sichern sei und ein paar rudimentäre soziale Kontakte möglich bleiben sollen. Es muss darüber hinaus vor allem gewährleistet bleiben, dass die Betroffenen nicht in ihren verfassungsmäßigen Rechten beschränkt werden. Eine Einschränkung dieser Rechte wäre gleichsam eine Art Strafjustiz (ohne ordentliches Verfahren) durch die Hintertür. Und man kann schon jetzt durchaus geteilter Meinung darüber sein, ob Arbeitslose diese Rechte überhaupt noch in vollem Umfang besitzen. Das soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Wer den Bedürftigen aber schon jetzt noch das letzte bisschen Entscheidungsfreiheit, das ihnen bleibt (nämlich: wem sie ihre kargen Zuwendungen in den Rachen schmeissen) entziehen will, der muss sich fragen lassen, ob er überhaupt schon mal ins GG geschaut hat. In dem bereits erwähnten Interview bei Spreerauschen betont der Professor übrigens, dass seine Studie sich ja ausschließlich mit Singles befasst habe und für Familien und Kinder andere Maßstäbe gelten müssten. Das hilft ihm in meinen Augen allerdings wenig, denn man darf wohl annehmen, dass ihm bekannt gewesen sein dürfte, dass sich die Regelsätze für Familien und Kinder aus denen für Alleinstehende ableiten und in der Studie selbst gibt es keinen Hinweis darauf, dass diese Verfahrensweise als Problem angesehen worden wäre. Die folgenden Auszüge zeigen deutlich, dass sich die Kenntnis , dieser "Wissenschaftler" was Hartz IV Gesetzgebung angeht, offenbar ganz auf die monetäre Seite beschränkt. Es ist ja keineswegs so, dass ALG II bedingungslos gezahlt würde. Im Gegenteil, jeder Arbeitslose wird laufend mit Forderungen konfrontiert, deren Erfüllung er kaum ablehnen kann ohne Sanktionen befürchten zu müssen. "Fördern und Fordern", so erinnert wir uns, lautete die Devise, mit der dieser ganze Scheiß ursprünglich überschrieben wurde - eine Devise, die sich in kürzester Zeit im Sprachgebrauch der politischen Verantwortlichen (Frau Merkel allen voran) zu "Fordern und Fördern" wendete und in der Praxis der ArGen eigentlich nur noch als "Fordern statt Fördern" anzutreffen ist.
"Für eine pauschale Erhöhung der Geldleistungen für alle Empfänger spricht derzeit nichts. Die Sätze liegen bereits über dem, was mit den formulierten Zielen kompatibel ist. Statt Hilfen in pauschal festgesetzten Höhen zu gewähren, könnte an gezielte individuelle und problembezogene Hilfen gedacht werden. Dabei könnte anstatt auf immer höhere Geldleistungen zu setzen, auch an Beratungs- und Sachleistungen als Hilfen zu einem insgesamt besseren Leben [...] gedacht werden. Im Weiteren könnte an die Koppelung von Transferzahlungen an Gegenleistungen gedacht werden. Studenten der Chemnitzer Technischen Universität haben eine ganz starke Präferenz für diese Weiterentwicklung der deutschen Sozialsysteme offenbart: Transferzahlungen erhält, wer sich der Gemeinschaft im Rahmen seiner Möglichkeiten zur Verfügung stellt. Ein Wunschtraum muss sicher die Versorgung der Hilfeempfõnger mit befriedigenden Arbeitsmöglichkeiten bleiben, durch welche sich für viele die finanzielle Situation fast automatisch verbessern würde."

Wie gesagt, die monetären Transferleistungen machen nur einen Teil der komplexen Hartz IV Regelungen aus. Ein anderer Teil besteht in Verpflichtungen, die dem Arbeitssuchenden auferlegt werden und Leistungen, die er zu erbringen hat, um überhaupt in den Genuss dieser geldlichen Leistungen zu gelangen. Deshalb kann man diese "Anregungen" die am Ende der Studie (Langfassung) zu finden sind getrost als überflüssig ansehen, denn ohne "Gegenleistungen" geht schon jetzt so gut wie nichts. Es ist für viele von längerdauernder Arbeitslosigkeit Betroffene in der Tat weniger die magere monetäre Versorgung unter der sie am meisten leiden - wenngleich das kaum einer von ihnen öffentlich "gestehen" würde, schon weil er fürchten muss, dass man ihm diese "Bezahlung fürs Nichtstun" als "zu üppig" ankreiden würde -, als vielmehr die Repressalien, die von den ArGen ausgeübt werden und die die Antragsteller z.B. zwingen, an irgendwelchen von der expandierenden privaten Wohlfahrtsindustrie auf den Markt geworfenen "Qualifikationen", die sie oft genug gelangweilt und hoffnungslos unterfordert "absitzen", teilnehmen zu müssen. Schon deshalb sind etliche froh, wenn sie irgendeinen Ein-Euro-Job ergattern, der vielleicht auch weit entfernt ist von einem "erfüllten Berufsleben", der aber sie immerhin für einige Zeit von Vorsprachen beim Job-Center und Diffamierungen a la "Hängemattenbewohner" durch "anständige" Mitmenschen bewahrt. Es ist dennoch keineswegs so, dass solche Jobs das Bedürfnis nach "Anerkennung" tatsächlich befriedigen würden. Man wird - und das ist deutlich zu spüren nicht "anerkannt" sondern ist lediglich vor schlimmeren Diffamierungen leidlich geschützt. Und ja - viele der Betroffenen sind wählerisch in einem Punkt: sie sind nicht gewillt (und zwar völlig unabhängig von der Höhe des zu erwartenden Salärs) jede x-beliebige Tätigkeit anzunehmen, sondern erwarten sich tatsächliche inhaltliche Befriedigung auch in ihrem beruflichen Schaffen. Hier findet sich ein weiterer der Gründe, aus denen manche einen im Prinzip unbezahlten Ein-Euro-Job einer Anstellung z.B. bei einer Leiharbeitsfirma oder im Call-Center vorziehen. Es ist also durchaus zutreffend, dass, wie in der nachgereichten Präambel zur Studie nun zu lesen ist,
"die Bedürfnisse vieler Menschen nach Arbeit und Anerkennung, deren notwendige Befriedigung man auch aus den Zielen der sozialen Mindestsicherung herauslesen kann, nicht ausreichend erfüllt werden. Viele wollen sich einbringen und etwas leisten, was heute sehr schwierig geworden ist. Die Studie zeigt, dass man hier ansetzen muss, unser Sozialsystem positiv nach vorne zu entwickeln."

Anmaßend ist freilich die Behauptung, dass die Studie dieses "offengelegt" hätte. Um überhaupt irgendetwas über die Befindlichkeit der Betroffenen aussagen zu können, hätte sie sich explizit mit ihnen als Menschen und nicht bloß als abstrahierte Almosenempfänger, die man "einseitig mit Geld abspeist", befassen müssen. Auch wird wohl noch gelernt werden müssen (das geht uns alle an), dass Erwerbsarbeit nur eine Form des Arbeitens ist, und vielleicht nicht einmal eine, die besondere Anerkennung verdient - und dass einem Menschen "Anerkennung" auch jenseits jeder Arbeit - um seiner selbst willen - gebührt.

Siehe hierzu auch:
Noch einmal: Neues aus Chemnitz
"Der Morgen"; Kritik an den Schlussfolgerungen der 132-Euro-Studie von Fischer/Thießen


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Dienstag, 9. September 2008

divide et impera

Die Herbstoffensive nimmt Fahrt auf. Nachdem BILD in der vergangen Woche seinen Lesern gezeigt hat, was für Riesenarschlöchern mittels Hartz IV zu einem locker luxuriösen Lebenstil verholfen wird, wechselt man nun die Stoßrichtung und widmet sich jenen "Guten", die lieber für eine Handvoll Reis arbeiten, als ALG II beziehen würden. Diese Taktik ist noch infamer, als das Vorführen irgendwelcher Deppen, die stolz darauf sind, dass sie es (angeblich) ständig schaffen "den Staat zu bescheißen". Denn obwohl man hier ja gar keine Hartz IV Empfänger ins BILD setzt - man trifft sie um so ärger. Und man trifft sie alle, weil sich so zeigen lässt: von ALG II zu leben ist zutiefst unmoralisch und wer auch nur einen Funken Anstand im Leib hat, der geht lieber für 8 Euro Treppen putzen als zum Arbeitsamt.


Flankiert wird das Maneuver von ausgewiesenen Experten. Heute ist es der Chef der Arbeitsagentur selbst, Frank Jürgen Weise, den man scheinheilig befragt ob Hartz IV Luxus sei (was der immerhin verneint) und ob er die "Chemnitzer Studie" für seriös halte, was er "nicht bewerten kann und will". Ich nehme mal an, er will eher nicht, dass er könnte. "Wissenschaftler sind frei und dürfen alles erforschen. Aber: Mir ist nicht bekannt, dass in der Politik derzeit ernsthaft über eine Senkung von Hartz IV nachgedacht wird." Man beachte die Wortwahl und übersetze: "Meine Name ist Weise; ich has von nichts!"

Sodann kommt BILD zu ihren eigentlichen Anliegen (der Fortsetzung der Attacke auf die "Schmarotzer") und begehrt zu erfahren:
Wie viele Hartz IV-Empfänger sind denn Sozial-Abzocker?

Weise: Seit Januar 2007 haben wir rund 100 000 nachgewiesene Missbrauchsfälle im Bereich Hartz IV. Gut 20 000 davon haben wir wegen des Verdachts einer Straftat an die Staatsanwaltschaft übergeben. Bei über sieben Millionen Menschen, die derzeit Hartz IV beziehen, reden wir also über eine Größenordnung des Missbrauchs von einem Prozent. Sicher gibt es eine Dunkelziffer, aber die allermeisten Menschen sind ehrlich.

Den Rest mag der interessierte Leser im Original nachlesen. Interessant wäre allerdings zu erfahren, was man denn bei der Arbeitsagentur so alles unter "nachgewiesene Missbrauchsfälle" versteht. Dass nur ein Fünftel dieser Missbrauchsfälle auch zu strafrechtlichen Konsequenzen führt, legt jedenfalls die Vermutung nah, dass es sich beim Rest um ausgesprochene Lappalien handelt, wenn nicht gar um einen "Missbrauch", der den umständlichen Verfahrensweisen der Agentur selbst geschuldet ist. So kann es z.B. vorkommen, dass jemand einer angemeldeten Tätigkeit ohne gleichbleibend hohes Einkommen nachgeht und sein - fristgerecht nachgereichter - Einkommensnachweis eine Korrektur der Bezüge des Vormonats erforderlich macht. Dieser ehrliche Mensch erhält dann ein Schreiben, in dem ihm - im Tonfall einer Anklageschrift - erklärt wird, dass er "zu Unrecht" Leistungen bezogen und diese zurückzuzahlen habe und das natürlich nicht ohne den obligatorischen Verweis auf mögliche Leistungskürzungen und/oder andere Sanktionen auskommt. Und solange bis der Vorgang abgewickelt und "geklärt" ist, steht dieser "Abzocker" faktisch unter MIssbrauchsverdacht.

Damit ist die Attacke aber noch nicht abgeschlossen, denn BILD hat noch "Sieben unbequeme Wahrheiten über Hartz IV" zu verkünden. Hier eine Auswahl:
Wahrheit 2:
"Fünf Prozent der Hartz-IV-Bezieher, so Experten, schummeln bei ihren Anträgen – das sind rund 171 000 Fälle im Jahr."

Klar das die "Experten" hier nicht genannt sind. Herr Weise jedenfalls scheint nicht zu ihnen zu gehören. Denn der hatte ja für mehr einen Zeitraum von 18 Monaten eine Zahl von 100.000 genannt und eine Quote von weniger als 1%. Das ist für eine ordentliche Kampagne offensichtlich zu mager, weshalb also nachgeladen werden muss.

Wahrheit 3:
Wirtschaftsexperten sind sich einig, dass bei niedrigeren Hartz-IV-Bezügen mehr Menschen Arbeit suchen würden.


Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts: „Die Höhe der Sozialleistungen bestimmt, ab welchem Lohn ein Mensch bereit ist zu arbeiten.“[...]

Dem stimmt auch Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (DIW) „im Prinzip“ zu: „Wenn gar keine Leistungen mehr gezahlt würden, müssten alle Menschen sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, weil sie ansonsten verhungern müssten.“

Das Problem ist also nicht, dass es nicht genügend (Erwerbs-)arbeitsplätze gibt (dafür liefert ja schon die Protagonistin des eingangs genannten Artikels das leuchtende Beispiel), sondern, dass der Zwang zur Arbeit nicht groß genug ist.

Man muß es einmal deutlich sagen: das Sozialsystem ist keine altruistische Veranstaltung, sondern ein Instrument zur Sicherung der bestehenden Verhältnisse, die aber gerade von denen, die am stärksten von ihnen profitieren, unablässig untergraben werden (im Sinne ihrer weiteren "Verbesserung" zugunsten selbsternannter "Leistungsträger"). Für Massenarbeitslosigkeit sind nicht die Massen der Arbeitslosen verantwortlich, sondern diejenigen, die meinen, dass eine Masse Profit einer Masse von Arbeitnehmern, die diesen Profit nur schmälern, vorzuziehen ist.

Man möchte fast schon hoffen, dass Herrn Schäfers brilliante Theorie einmal praktisch erprobt würde. Ich bin mir jetzt schon ziemlich sicher, er würde sich dann sehr schnell wünschen, dass die Schlagzeilen wieder von "Sozialschmarotzern" beherrscht würden und nicht von (Selbst-)morden, Diebststählen, Einbrüchen, Raubüberfällen und was es für Verzweifelte sonst noch so an "frei verfügbaren" Tätigkeitsfeldern zu beackern gäbe.

Das scheint denn auch der eigentliche Zweck der Kampagne zu sein: man testet aus, wie weit man sich Menschen an den Rand drängen lassen, ehe sie in ihrer Verzweiflung offenen Widerstand leisten und zu "handgreiflicher" Gegenwehr übergehen.

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Sonntag, 7. September 2008

Ha(r)tz IV - Herbstsaison eröffnet

Viel Wirbel entfachte in der vergangenen Woche eine "Studie" der TU Chemnitz "zur Höhe der sozialen Mindestsicherung". Eigentlich sollte man meinen, das Thema sei durch, denn mittlerweile hat wohl so ziemlich jedes Blatt und jedes blog seinen Senf dazu gegeben. Ich möchte dennoch ein paar weitere Worte beisteuern - in einer Art Wochenrückblick und Zusammenschau all dessen, was die Medien in den letzten Tagen sonst noch zum Thema Hartz IV meinten berichten zu müssen - und das war doch auffällig viel, zumindest was die Quantität der Artikel und "Reportagen" angeht.

Was die ominöse "Studie" der TU Chemnitz betrifft: selbst unsere über alles verehrte Frau Bundeskanzler, so konnte man gestern in der "Welt" lesen, "geißelt [diese] Hartz-IV-Studie als unverantwortlich", - und weiter: "Die Bundeskanzlerin will die Sätze zum Arbeitslosengeld II nicht anrühren."

Für "gefährlich" - ja, sogar "brandgefährlich" hält hingegen Rolf Kleine von der BILD - nein, nicht die Studie, sondern die Debatte über eine (mögliche) Kürzung, "[w]eil jede künstliche Debatte über Kürzungen von Sozialleistungen Wasser auf Oskars Mühlen ist - nach dem Motto: Die in Berlin wollen jetzt auch noch den Ärmsten an den Geldbeutel."

Bei der Welt wiederum hat man bereits zuvor schon festgestellt, dass nicht nur die Studie, sondern Hartz IV selbst ein erhebliches Gefahrenpotential birgt, denn, so will man wissen, es wurden "Terror-Vorbereitungen mit Hartz IV bezahlt" .

Liest man diesen Artikel mit der Serie von "Enthüllungen" zusammen, an die BILD in der vergangenen Woche reichlich Papier und Druckerschwärze verschwendete, dann kann man schnell zu dem Ergebnis kommen, dass Hartz IV vor allem Terroristen, Nutten und Ausländern (diesmal auf der Abschussliste: Polen; um Türken und Italiener hatte sich zuvor schon "gnadenlos gerecht" SAT1 "gekümmert") ein unbeschwertes Lotterleben ermöglicht, wenngleich es offenbar vereinzelt auch besonders dreiste "normal" (schwarz)arbeitende und deutsche "Betrüger" gibt, weil es eben "so einfach ist [...]. den Staat zu bescheißen".

Die B.Z. zeigte indessen - wie, um das BILD zu vervollständigen - ebenfalls in einer mehrteiligen Serie dazu noch den "Alltag" einer ALG II beziehenden "Durchschnittsfamilie", wobei deren Einkommen noch um 308 Euro nach unten gelogen wurde - wohl um zu zeigen, dass man von Hartz IV ganz gut, wenngleich nicht luxuriös, leben kann, sofern man nur, wie in der Studie vorausgesetzt, als "rational handelndes Individuum" auftritt und immer schön bescheiden bleibt. Dann kriegt man auch das, was die Verfasser der Studie für wichtiger halten, als die Arbeitslosen schnöde mit Geld "abzuspeisen": "Arbeit " und zwar in Form eines 1,50-Euro-Jobs. Da darf man sich dann auch über die laut Studie ebenfalls entbehrte "Anerkennung" freuen und nicht mal die je vier familieneigenen Handys und Fernsehapparate werden solch braven und bescheidenen Mitbürgern wirklich geneidet.

Die eingangs erwähnte sogenannte "Studie" der TU Chemnitz stellt schließlich zum Ende der Woche schon beinahe resumierend fest:
  • "Die Hartz-IV-Gelder sind nicht zu niedrig, sondern eher zu hoch." .
  • "Als sozial gerecht wird das System nicht empfunden, weil es die Bedürftigen einseitig mit Geld abspeist und ihnen das vorenthält, was vielen sehr wichtig ist: Arbeit und Anerkennung."

Die eifrigen Forscher aus Chemnitz legen die Marke erstmal so tief, dass selbst von länger dauernder Arbeitslosigkeit nicht unmittelbar Betroffene entsetzt aufheulen müssen. 132 Euro, so will man herausgefunden haben, sind unter gegebenen Bedingungen und im Rahmen des Sozialstaatsgebotes vollkommen hinreichend, um einen Arbeitslosen so weit zu versorgen, dass er nicht nur vor verhungern und erfrieren geschützt ist, sondern (sehr wichtig!) auch seine Arbeitsfähigkeit erhalten bleibt.
Der Minimumfall orientiert sich dagegen nicht an üblichen Alltagsvollzügen, als vielmehr daran, ob die Ziele der Sozialhilfe nach Kommunikation und Teilhabe am geselligen Leben auch mit weniger Mitteln erreicht werden können. Hier wurden nicht die Ausgaben der Gesellschaft laut EVS, sondern die Verhaltensweisen einzelner gesellschaftlicher Gruppen herangezogen, die zeigen, dass man auch mit einem Minimum an Geld ein geselliges, gesellschaftsbezogenes Leben führen kann. Der Minimumfall schließt deshalb nur eine Netzkarte mit dem ÖPVN, eine Pauschale für schriftliche Kommunikation, TV und ganzjährigen Zugang zur Stadtbibliothek (d.h. kostenfreien Zugang zu Büchern, Zeitungen, Zeitschriften inkl. kostenlosem Internet) ein.
(zitiert nach der Langfassung)


Darüber hinaus wird noch erwogen, dass man dieses Geld aber nur Menschen zahlen sollten, die dem der Studie zugrunde gelegten Idealtyp ("deutsches, rational handelndes, männliches Individuum, mit Idealgewicht, frei von Sucht- oder anderen Erkrankungen oder Behinderungen") hinreichend gerecht werde. Zumindest Leuten, die mit ihren geldlichen Zuwendungen einen Monat nicht überstehen, sondern z.B. regelmäßig nach ein paar Tagen wieder pleite sind, sollte man doch besser Sachleistungen und "Zuwendung" anbieten.
Implizite Annahme der Untersuchung ist Rationalverhalten des Individuums. Liegt dieses nicht vor, können zusätzliche Hilfeleistungen erforderlich werden, um die Ziele der sozialen Mindestsicherung zu erreichen. [...] Es leuchtet ein, dass Menschen, die nicht zum unterstellten Rationalverhalten fähig sind, geholfen werden muss, denn die Ziele der sozialen Mindestsicherung gelten für jedermann. Allerdings gibt es verschiedene mögliche Vorgehensweisen. Gerade bei fehlendem Rationalverhalten kann eine pauschale Anhebung der Sozialleistungen u.U. nicht sinnvoll sein. Unter Umständen ist der Einsatz von Geldleistungen in solchen Fällen unsinnig, und es muss zu anderen Mitteln gegriffen werden (z.B. individuelle Betreuung, Möglichkeit zu Arbeiten, sich einzubringen etc.).

Die folgenden Abschnitte zeigen deutlich, dass sich die Kenntnis der Hartz IV Gesetzgebung, dieser "Wissenschaftler" offenbar ganz auf die monetäre Seite beschränkt. Es ist ja keineswegs so, dass ALG II bedingungslos gezahlt würde. Im Gegenteil, jeder Arbeitslose wird laufend mit Forderungen konfrontiert, deren Erfüllung er kaum ablehnen kann ohne Sanktionen befürchten zu müssen. "Fördern und Fordern", so erinnert wir uns, lautete die Devise, mit der dieser ganze Scheiß ursprünglich überschrieben wurde - eine Devise, die sich in kürzester Zeit im Sprachgebrauch der politischen Verantwortlichen (Frau Merkel allen voran) zu "Fordern und Fördern" wendete und in der Praxis der ArGen eigentlich nur noch als "Fordern statt Fördern" anzutreffen ist.
Für eine pauschale Erhöhung der Geldleistungen für alle Empfõnger spricht derzeit nichts. Die Sätze liegen bereits über dem, was mit den formulierten Zielen kompatibel ist. Statt Hilfen in pauschal festgesetzten Höhen zu gewähren, könnte an gezielte individuelle und problembezogene Hilfen gedacht werden. Dabei könnte anstatt auf immer höhere Geldleistungen zu setzen, auch an Beratungs- und Sachleistungen als Hilfen zu einem insgesamt besseren Leben [...] gedacht werden. Im Weiteren könnte an die Koppelung von Transferzahlungen an Gegenleistungen gedacht werden. Studenten der Chemnitzer Technischen Universität haben eine ganz starke Präferenz für diese Weiterentwicklung der deutschen Sozialsysteme offenbart: Transferzahlungen erhält, wer sich der Gemeinschaft im Rahmen seiner Möglichkeiten zur Verfügung stellt. Ein Wunschtraum muss sicher die Versorgung der Hilfeempfõnger mit befriedigenden Arbeitsmöglichkeiten bleiben, durch welche sich für viele die finanzielle Situation fast automatisch verbessern würde.

Wer meint das sei des Schlechten aber nun wirklich genug, der darf sich enttäuscht sehen, denn bei SpOn wird bereits nachgeladen:
Weniger Hartz IV ist nach Meinung von Thomas Straubhaar ein probates Mittel, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts rechnet bei einem niedrigeren "Hartz IV"-Regelsatz mit einem weiteren Sinken der Arbeitslosenquote. [...]Derzeit liegt der Regelsatz bei 351 Euro pro Monat. Vor wenigen Tagen hatten zwei Chemnitzer Wirtschaftswissenschaftler mit einer Studie für Wirbel gesorgt, in der sie 132 Euro monatlich als ausreichend für eine soziale Mindestsicherung beurteilten. Die Analyse hatte eine Debatte um die Unterstützung von Jobsuchenden ausgelöst.

So bereitet Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) schärfere Kontrollen der Arbeitsfähigkeit von Hartz-IV-Empfängern vor. Krankmeldungen sollten künftig besser geprüft werden, sagte Scholz dem Nachrichtenmagazin "Focus"
"Wir statten auch den Zoll besser aus, damit er Schwarzarbeit noch effizienter aufdecken kann", fügte der SPD-Politiker hinzu.

Das Ganze scheint Methode zu haben. Nachdem die BILD sich vortrefflich darum verdient gemacht hat, den Ruf von 5 Millionen Menschen nachhaltig zu ruinieren und die B.Z. zeigte, dass Hartz IV zwar nicht angenehm, für die paar "Anständigen" unter den Millionen Schmarotzern aber durchaus erträglich ist, die Welt das im Hartz IV Sumpf schlummernde terroristische Potential ans Licht brachte und die Chemnitzer Studie mit "wissenschaftlicher" Gründlichkeit "verdeutlicht" hat, dass die Zahlungen sowieso viel zu hoch sind und man auch mit sehr viel weniger Geld ein "gutes Leben" führen kann, kann man nun ungeniert zur Tat schreiten und die Repressionen weiter verschärfen, ohne dass man mit einem Aufschrei der breiteren Oeffentlichkeit rechnen müsste. Und selbst wenn Frau Merkel das ALG II "nicht anruehren" will (warum sollte sie auch - dafür ist ja Olaf da), dann bedeutet das bestenfalls, dass nicht direkt gekürzt wird, gleichzeitig aber auch, dass mit einer Anhebung erst recht nicht gerechnet werden darf.

Nachtrag (10.09.2008): Inzwischen habe ich der sog. "Chemnitzer Studie doch noch einen eigenen, ausführlichen Beitrag gewidmet, der hier zu finden ist.

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Donnerstag, 4. September 2008

Ammenmärchen Arbeitgeberanteil


Gerade läuft im Ersten eine seltsame Show zum Thema "Einbürgerungstest". Nach den ersten paar Fragen hab ich abgeschaltet, immerhin aber eine Inspiration mitgenommen. Gefragt wurden die Kandidaten, wer in Deutschland in die Sozialkassen einzahlt und die "richtige" Antwort lautete: Arbeitnehmer und Arbeitgeber.


Das mag die gängige Lesart sein, trifft aber auf die Fakten in überhaupt nicht zu. Denn wenn tatsächlich der Arbeitgeber in gleicher Weise einen Anteil zahlen würde wie der Arbeitnehmer, dann müsste er diesen Anteil genau genommen - wie es auch beim Arbeitnehmer der Fall ist - aus seinem (eigenen) Einkommen entrichten. Tatsächlich aber wird der sogenannte "Arbeitgeberanteil" aus dem Betriebsergebnis gezahlt und eben nicht aus dem Einkommen des Arbeitgebers. Spitzfindige Geister könnten nun einwenden, dass das egal sei, da das Einkommen des Arbeitgebers ja in jedem Fall durch diese Zahlung geschmälert werde. Dem wäre aber entgegenzusetzen, dass, wer so argumentiert, auch gleich sagen kann, dass die Löhne insgesamt das Einkommen des Arbeitgebers schmälern (wie überhaupt alle betrieblichen Kosten). Und dergestalt zugespitzt lässt sich die ganze Betrachtung noch einmal wenden: denn, wenn die Löhne das Einkommen des Arbeitgebers schmälern (wobei wir mal außer acht lassen, dass er er ohne Lohnzahlungen gar kein Einkommen aus der Arbeit anderer haben würde, es sei denn er hielte sich Sklaven, die sich "nebenbei" irgendwie selbst versorgen), dann zahlt der Arbeitgeber mit dem Lohn auch den Gesamtbetrag der Sozialversicherungsbeiträge und der Lohnabhängige zahlt im Grunde genommen gar nichts.

q.e.d

Wir wissen aber, dass - da die Sklaverei hierzulande offiziell abgeschafft ist - ein Arbeitgebereinkommen ohne Arbeitnehmereinkommen gar nicht zustande kommen kann und bequemen uns deshalb der Sichtweise an, dass sowohl Löhne als auch alle Versicherungsanteile, ebenso wie das Einkommen des Arbeitgebers, aus dem Betriebsergebnis entrichtet werden, das - solange es nicht verteilt ist - eine noch nicht "zugeeignete" Größe darstellt. Ein Teil dieses Ergebnisses fließt in den Betrieb zurück, ein Teil wird für Arbeitskosten in Form von Löhnen und Gehältern aufgewendet (die auch die Sozialversicherungsabgaben in voller Höhe einschließen) und ein Teil fließt dem Arbeitgeber als sein persönliches Einkommen zu - und hier wäre es nun an der Zeit endlich einen realen "Arbeitgeberanteil" einzufordern, was übrigens ein probater Weg sein dürfte, die Quote der - dergestalt zu "Einkommensnebenkosten" gewandelten - leidigen sog. "Lohnnebenkosten" (die eigentlich nur merkwürdig deklarierte Lohnkosten und damit: Einkommenskosten einer Minderheit sind), sehr bald drastisch senken zu können.

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Hartz IV und die nackte Wahrheit in BILD: Trickser, Abzocker, Betrüger!

Obwohl selbst ein BILD Redakteur es inzwischen besser wissen sollte, findet sich in der heutigen Folge der BILD tatsächlich doch noch die alle Fakten völlig verdrehende Zahl von angeblich 126.000 Hartz-IV Betrugsfällen in nur einem Jahr.
Trickser, Abzocker, Betrüger! Hartz-IV-Missbrauch nimmt in Deutschland erschreckend zu. 126 600 Fälle in nur einem Jahr. Und manchmal wird aus Hartz IV auch Hartz Sex. Lesen Sie im vierten Teil der großen BILD-Serie die Geschichte von Stripperin Amanda und der Prostituierten Eva!

Quelle [BILD]

Ich wiederhole mich ungern - zumal in so kurzem Abstand - aber was sein muss, muss sein:

"Im Jahr 2006 aber hat die Nürnberger Bundesagentur [für Arbeit] laut Sprecherin Mirtschin in 126.600 Fällen Bußgelder verhängt oder Strafverfahren eingeleitet. Allerdings betrafen nur 47.300 und damit weit weniger als die Hälfte davon Hartz-IV-Empfänger. Bei rund fünf Millionen Beziehern von Arbeitslosengeld II ist das ein sehr geringer Anteil."

Quelle [elo-Forum]

Wohlgemerkt: hier geht es erstens um Fälle, nicht um Personen und zweitens werden Bußgelder wegen aller möglichen "Verfehlungen" verhängt, den Anlass muss also keineswegs ein Betrug geben. Man wird sogar annehmen dürfen, dass gerade nachweisbarer Betrug eben nicht einfach mit einem Bussgeld "geahndet", sondern zur Anzeige gebracht wird, denn immerhin handelt es sich bei Betrug um eine Straftat.

Man kann es gar nicht deutlich genug sagen: Bezogen auf eine Zahl von rund 5 Millionen (eher mehr!) ALG II Empfängern, gab es in einem Jahr 47.300 Fälle von sanktionierten Unregelmäßigkeiten. Das ist weniger als 1%! Es verbietet sich freilich, einfach jeden einzelnen Fall mit je einer (anderen) Person gleichzusetzen. Die Zahl derjenigen Personen, die mit Bußgeldzahlungen belegt oder gegen die Strafverfahren eingeleitet wurden, dürfte sehr wahrscheinlich noch geringer sein, als die Zahl der "Fälle". Und von dieser - unter die Menge der Fälle geschrumpften - Anzahl überhaupt auffällig gewordener ALG II Bezieher dürfte wiederum nur ein Bruchteil tatsächlich nachweislich und vorsätzlich betrogen haben.

Es ist wohl anzunehmen, dass die Bild Redakteure ihre Informationen aus der gleichen Quelle haben, wie das elo- Forum und diese Angaben bewusst und in voller Absicht verzerrt darstellen um aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Und so zeigt sich auch hier wieder: die Einleitung des Artikels ist offenbar selbstreferenziell:
Trickser, Abzocker, Betrüger!

Das darf, nein muss, getrost als Selbstbeschreibung `der für dieses Geschreibsel Verantwortlichen verstanden werden (oder analog zu den Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln) - und so betrachtet, dürfte von vornherein klar sein, was man von dem auf diese drei Worte folgenden Elaborat zu halten haben wird:


Nichts!



Noch ein Nachtrag:
400 000 Frauen sollen in Deutschland als Prostituierte arbeiten. Wie viele von ihnen zusätzlich Hartz IV bekommen, darüber gibt es keine offizielle Statistik. Experten gehen aber von einem zweistelligen Prozentsatz aus.

Soso - ein "zweistelliger Prozentsatz"; das wären dann mindestens 40.000 - okay aufgerundet können es gut und gerne auch 47.300 sein. Und damit wäre es dann raus: Deutschlands Hartz IV Betrüger sind Nutten!


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Mittwoch, 3. September 2008

BILD enthüllt: Die Tricks der Hartz-IV-Betrüger

Das beste an diesem "Artikel" ist die Überschrift zur Überschrift :
Fälschen! Lügen! Abkassieren!
Wen meinen die da bloß? Doch nicht etwa sich selbst?

Das zweitbeste sind die "Quellen" und "Fakten" am Ende dieser "Enthüllungen":


Nach Schätzungen kostet den Staat der Hartz-IV-Missbrauch im Jahr mehrere Hundert Millionen Euro.

Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sagte im Oktober 2005: „Ich schätze, daß rund 20 Prozent der Menschen, die das Arbeitslosengeld II beziehen, nicht anspruchsberechtigt sind.“
Als ich die Seite kurz nach Mitternacht zum ersten Mal aufrief, war neben der Clementschen Schätzung dort auch noch zu lesen, dass es zu "126.000 Betrugsfällen in nur einem Jahr" gekommen sei. Diesen Teil hat man inzwischen offenbar wieder entfernt; vermutlich, weil 5*126.000 lediglich 630.000 ergibt und auch ein mathematisch weniger Begabter schnell erkennen dürfte, dass das - angesichts von rund 5 Millionen ALG II Empfängern - mit den 20% so wohl nicht hinhauen kann. Im Gegensatz zur "Schätzung" unseres ehemaligen Superministers ist diese Zahl allerdings nicht willkürlich aus der Luft gegriffen. Wie es sich mit ihr tatsächlich verhält, kann man bei PR-Sozial nachlesen:
Im Jahr 2006 aber hat die Nürnberger Bundesagentur laut Sprecherin Mirtschin in 126.600 Fällen Bußgelder verhängt oder Strafverfahren eingeleitet. Allerdings betrafen nur 47.300 und damit weit weniger als die Hälfte davon Hartz-IV-Empfänger. Bei rund fünf Millionen Beziehern von Arbeitslosengeld II ist das ein sehr geringer Anteil.

In der Tat: bezogen auf die oben genannten 5 Millionen Empfänger von ALG II ergibt das eine Quote von weniger als 1 %! (wer es genau wissen will: es sind 0,95%). Und dabei gilt es noch zu berücksichtigen, dass Bußgelder in der Regel nicht im Falle (vorsätzlichen) Betruges verhängt werden.

Es findet sich im oben genannten PR-Sozial-Artikel freilich eine weitere interessante Zahl :
Im vergangenen Jahr gab es rund 100.000 Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide, und allein im ersten Halbjahr 2008 waren es schon wieder etwa 60.000. Und jeder zweite Kläger hat vor Gericht Erfolg.

Die Hälfte von 100.000 macht 50.000; einem jeden "Hartz-IV-Betrug" durch einen Leistungsempfänger steht folglich mindestens je ein "Beschiss von Amts wegen" gegenüber. Bei der Überschrift zur Überschrift muss es sich wohl - so scheint mir nun - tatsächlich um eine Art "Credo" der Redaktion handeln.


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Dienstag, 2. September 2008

BILD klärt auf: Besser leben trotz Hartz IV

Während die B.Z. ihre Leserschaft zur Zeit darüber "aufklärt", dass nicht alle Hartz IV Empfänger böse Menschen und Schmarotzer sind, macht das überregional erscheinende Schwesterblatt BILD unter dem Titel "Der große Hartz-IV-Report" wieder mal Jagd auf die bösen Hartz IV Betrüger, von denen es, wie man liest, "jährlich mehr als hunderttausend" Fälle geben soll, die den Steuerzahler "hunderte Millionen Euro kosten". Woher diese Zahlen stammen, bleibt allerdings das Geheimnis der BILD-Redakteure. Kein Geheimnis bleiben soll hingegen die "Erkenntnis":

So einfach ist es, den Staat zu bescheißen



Traumvilla auf Teneriffa, Palmengarten, zwei Autos. Deutschland ist empört über Hartz-IV-Betrüger Peter K. (64). Doch sein Fall ist nur einer von jährlich mehr als hunderttausend. Hunderte Millionen Euro kostet den Steuerzahler der Missbrauch von Hartz IV. In einem großen Report beschreibt BILD die Missstände, z. B.

Heute die freche Geschichte von Hartz-IV-Betrüger Markus M.


Wo die Mutter der musterhaften B.Z. Familie sich über ihren 1,50 Euro Job ein Loch in den Allerwertesten freut, behauptet der Protagonist der BILD "Recherche" kess:

„Für 4 Euro die Stunde stehe ich nicht auf. Da arbeite ich lieber schwarz“


Und überhaupt ist er ein Superschlauer, der z. B. genau weiß, was er von seiner Sachbearbeiterin zu halten hat:

„Die kann mir gar nichts, sie hat maximal die Hälfte meines Intelligenzquotienten. Gegen jeden Bescheid, der von ihr kommt, ob zu Recht oder zu Unrecht, wird erst mal pauschal Widerspruch eingelegt. Das kostet ja nichts.“


Na denn - wer so schlau ist, der darf sich getrost in der BILD zum Affen machen, obendrein all seine "Tricks" ausplaudern" und behaupten:

„Ich bin mit allen Wassern gewaschen. Es ist so einfach, den Staat zu bescheißen. Bisher habe ich alle abgehängt.“


Und auch seine bisherigen Auftraggeber, bei denen er nebenbei angeblich "bis zu 1000 Euro" monatlich durch Schwarzarbeit hinzuverdient, werden ihn nun gewiss noch lieber beschäftigen, können sie doch sicher sein: Wo Markus M. jobt, da werden die verdammten Schnüffler vom Amt garantiert nie aufkreuzen.

Und so geht es weiter:

Während die B.Z. heute Vater Ruschke bei seinen sparsamen Einkäufen begleitet, hat die BILD den nächsten Bösewicht aufs Korn genommen und erklärt uns, "wie aus Polen auf wundersame Weise Hartz-IV-Deutsche werden".

In der Folge, so wurde bereits gestern angekündigt, soll der BILD-Leser unter anderem noch erfahren, wie eine Hartz-IV-Empfängerin plötzlich 15 Untermieter hat" und "wie dreist die Klagen und Tricks mancher Hartz-IV-Bezieher sind".

Wir sind über die Maßen gespannt und freuen uns schon darauf, wenn es nächste Woche endlich heißen wird:
"Wie deutsche Banken, Unternehmen, Handwerksbetriebe, Wohnungsmakler und Vermieter Langzeitarbeitslose ausbeuten, den Staat bescheißen und dem Steuerzahler auf der Tasche liegen"
Dazu wird es nicht kommen, meinen Sie? Aber warum denn nicht?

Ah - jetzt dämmerts mir. Der Steuerzahler, der ist ja selbst Bankier, Unternehmer, Handwerker, Makler oder Vermieter - der kann sich ja gar nicht selbst auf der Tasche liegen. Gut, dass sie mich daran erinnert haben.



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Montag, 1. September 2008

B.Z. klärt auf: Leben mit Hartz IV

Nachdem die einschlägige Presse jahrelang Hartz IV Empfänger eher "reich" gerechnet hat, versucht man es bei Springer jetzt mal anders herum und rechnet die Betroffenen noch ärmer als sie eh schon sind:
Die vierköpfige Familie Ruschke aus Hellersdorf gehört zu den 436330 Berlinern, die monatlich Arbeitslosengeld II beziehen. Wie sie mit ihren insgesamt 1561,29 Euro leben, erzählen sie in der neuen B.Z.-Serie
Die B.Z. begleitete eine Woche lang eine Hartz-IV-Familie aus Hellersdorf. Die Ruschkes, das sind Vater Winfried (43), Mutter Claudia (42), Tochter Cindy (15) und Sohn Maximilian (10), wohnen in der Platte (vier Zimmer/588 Euro Miete warm). Eigentlich ein Leben wie bei vielen anderen Familien auch. Oder doch nicht?
Quelle (BZ)

Und so rechnet die B.Z.:

Vater: 316,-- Euro
Mutter 316,-- Euro
Tochter (15) 127,-- Euro
Sohn (10) 57,-- Euro
Miete 565,29 Euro
--------------------------------------
Hartz IV ges. 1.381,29 Euro

MAE Mutter: 180,-- Euro
---------------------------------------
Summe: 1.561,29 Euro
==================

So weit, so gut. Allerdings enthält die Rechnung einen Fehler:

Die für die Kinder angegebenen Sätze stimmen nicht, denn laut Hartz IV Rechner sind für Kinder bis 13 Jahre 210,60 Euro zu zahlen und für 14 bis 25-jährige 280,80 Euro. Allerdings wird von diesen Beträgen das Kindergeld abgezogen, so dass der genannte Betrag - was Zahlungen von ALG II angeht - zwar korrekt ist, denn Kindergeld wird von den Familienkassen bezahlt, das tatsächlich verfügbare Familieneinkommen aber dennoch um 306,-- Euro zu niedrig angegeben wird. Insgesamt sollte die Familie eigentlich über monatlich 1.867,-- Euro verfügen können (ohne den Ein-Euro Job der Mutter: 1.687, -- Euro).

Warum die Zeitung hier 306,-- Euro unterschlägt ist mir schleierhaft, zumal man in der Vergangenheit ja gewohnt war, dass den Betroffenen eher zu hohe Bezüge angedichtet wurden. Jedenfalls bin ich mal gespannt, was Berlins beliebtes Boulevardblatt im Laufe der kommenden Woche zu diesem Thema noch an weiteren "Wahrheiten" enthüllen wird.

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