Dienstag, 11. November 2008

Nachgetreten: Ypsilanti und die hessische SPD

Oh meine Brüder, bin ich denn grausam? Aber ich sage: was fällt, das soll man auch noch stossen!
Es scheint vollbracht. Mit vereinten Kräften hat es die mittelmäßige Mehrheit der schreibenden Zunft geschafft das verderbliche rot-rot-grüne Bündnis in Hessen, das ja eigentlich nur ein rot-grünes mit dunkelroter Duldung hatte werden sollen, im letzten Moment zu verhindern. So recht zu trauen scheint man diesem grandiosen Erfolg freilich nicht - und so wird nun vorsichtshalber kräftig nachgetreten.

Seine derbsten Stiefel fest geschnürt, macht Hugo Müller-Vogg den Vortreter und outet den für die Neuwahlen in Hessen als SPD Spitzenkandidaten gekürten Thorsten Schäfer-Gümbel vorsorglich schon mal als bekennendes Weichei.
Denn Schäfer-Gümbel weiß, was starke Frauen wünschen. Weil Ypsilanti auf dem Landesvorsitz beharrt, beschränkt er sich auf die Spitzenkandidatur. Geübt hat er das offenbar zu Hause: Bei der Heirat mit der Historikerin Dr. Anette Gümbel fügte er brav deren Namen an seinen an.
Na - so eine Memme! - Aber es kommt noch besser:
Seiner Frau folgt Schäfer-Gümbel offenbar auch in Glaubensfragen. Bis zur Geburt des dritten Kindes im vergangenen Jahr war Frau Gümbel hauptberufliche „Inhaberin der Fachstelle für gesellschaftliche Verantwortung in den evangelischen Dekanaten Hungen, Kirchberg und Grünberg“. Ihr Mann, vorher katholisch, ist inzwischen Protestant.
Ha - erwischt! Wer als Katholik zum Protestantismus konvertiert, der scheut sich garantiert auch nicht, vom Sozialdemokraten zum Hardcore Stalinisten zu mutieren, wenn sich nur ein starkes Weib findet, das solches von ihm fordert!

Doch lesen wir weiter:
„Mit Altkommunisten, Trotzkisten und versprengten Gruppen, die den Schießbefehl an der ehemaligen innerdeutschen Grenze legalisieren wollen“, werde es keine Zusammenarbeit geben, zitierte die „Gießener Allgemeine Zeitung“ am 22. Januar den Kandidaten Schäfer-Gümbel . Kaum gewählt, machte der jedoch begeistert beim Wortbruch seiner Chefin Ypsilanti mit.
Na bitte - wer sagts denn. Der hat doch bestimmt schon einen fix und fertig ausgefüllten Aufnahmeantrag für die "Kommunisten" im Schreibtisch liegen.

Zum Schluss des Geschmieres, das Herr Müller-Vogg übertrieben euphemistisch "Kommentar" zu nennen pflegt, verrät er uns noch:
Mein eigener Doppel-Name hat übrigens nichts mit dem Familiennamen meiner Frau zu tun.
Da kann seine Frau ja wirklich von Glück sagen. Wäre ich eine Frau und mit sowas verheiratet (was mir freilich garantiert nicht passieren würde); ich würde mich zu Tode schämen, wenn ich unter solch schwachsinnigem Geschreibsel auch noch meinen Mädchennamen lesen müsste.
Das Alles von Heute - das fällt, das verfällt: wer wollte es halten! Aber ich - ich will es noch stossen!
Flankenschutz bei seiner Attacke bekommt Müller-Vogg von Franz Josef Wagner, der droht:
Verzeihung kriegt, wer bereut. Frau Ypsilanti hätte sagen müssen: Ich bereue, meine Wähler angelogen zu haben und bitte um Verzeihung. Dann wäre ich aufgestanden und hätte den Fernseher umarmt.
Wagners Fernseher jedenfalls, da bin ich mir ziemlich sicher, wird Frau Ypsilanti zutiefst dankbar sein, dass sie den Wünschen seines Besitzers nicht nach- bzw. zuvorgekommen ist.

Offenbar kennt Wagner auch nicht den Unterschied zwischen einer Lüge - einer vorsätzlichen, bewusst gemachten Falschaussage - und einem Meinungswechsel, hervorgerufen durch eine unvorhergesehene Entwicklung der Situation, eine andere, neue Realität. Natürlich bleibt es ein Fehler, dass Andrea Ypsilanti eine Zusammenarbeit mit der Linken vor der Wahl kategorisch ausgeschlossen hat - aber wenn nicht aus Fehlern lernen - aus was dann? Wenn man das (programmatisch) Falsche angekündigt hat, dann darf das nicht verhindern, dass man das (inhaltlich) Richtige tut. Das hat nichts mit "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?" zu tun, sondern damit, dass es einfach sinnlos ist, an Handlungsstrategien festzuhalten, für die es keinen realen Anwendungsbereich mehr gibt, nur weil man sie einmal entwickelt hat. "Am Ende zählt nur, was hinten rauskommt." Das hätte man abwarten können. Und am Ende wäre Frau Ypsilanti dann eben mit ihrer geänderten Strategie gescheitert oder hätte Erfolg gehabt - letzteres aber galt es offenbar um jeden Preis zu verhindern.
Kennt ihr die Wollust, die Steine in steile Tiefen rollt? - Diese Menschen von heute: seht sie doch, wie sie in meine Tiefen rollen!
Die Strategie der "demokratischen Mitte" - die eigentlich die "demokratische Rechte" ist, denn nach eigenem Bekunden gibt es "rechts" von ihr ja keine weitere demokratische politische Kraft - ist offensichtlich. Die angebliche "Mehrheit links von der Mitte" - also die halblinke bürgerliche Mitte und die dreiviertellinke, im Wesentlichen ebenfalls bürgerliche PDL, muss weiter handlungsunfähig gehalten werden, denn das hat zur Folge, dass es auch künftig hierzulande keine halblinken Mehrheiten geben wird und weiter das gesunde, tumbe Mittelmaß alleine dilettieren darf. Für die CDU ist nur wichtig, dass sie jeweils die stärkste Fraktion stellt, ob sie zur Umsetzung ihrer Politik, sich dann der SPD, der FDP oder der Grünen bedienen muss, kann ihr piepegal sein. Am günstigsten ist ihre Position, wenn sie mehr als eine Option hat - und nach dem Stand der Dinge hat sie, seit sich auch B90/Grüne nicht mehr zieren, jetzt schon alle. Wenn es mit der FDP reicht - prima, die kann nicht allzuviel durchsetzen - weil: man könnte ja auch mit den Sozialdemokraten (oder ggf. mit den Grünen). Wenn es mit der FDP allein nicht reicht, dann kann man den Juniorpartner SPD mit dem Popanz "Jamaika" gefügig halten. Und Rot-Gelb-Grün? Das ist wohl noch unwahrscheinlicher als Rot-Grün-Rot.

Ein Vorspiel bin ich besserer Spieler, oh meine Brüder! Ein Beispiel! Thut nach meinem Beispiele!

Und wen ihr nicht fliegen lehrt, den lehrt mir - schneller fallen! -
Zitate: Friedrich Nietzsche. Also sprach Zarathustra - Ein Buch für Alle und Keinen, Dritter Teil, Von alten und neuen Tafeln, 20.

3 Kommentare:

capiVara 11. November 2008 um 09:13  

„Mit Altkommunisten, Trotzkisten und versprengten Gruppen, die den Schießbefehl an der ehemaligen innerdeutschen Grenze legalisieren wollen“, werde es keine Zusammenarbeit geben, zitierte die „Gießener Allgemeine Zeitung“ am 22. Januar den Kandidaten Schäfer-Gümbel . Kaum gewählt, machte der jedoch begeistert beim Wortbruch seiner Chefin Ypsilanti mit.

Was diese Zeitung (wie fast alle anderen auch) nicht begreifen will (oder absichtlich unterschlägt), ist dass die Linkspartei garnicht den Schießbefehl legalisieren und auch keine neue DDR einführen will. Die einzigen, die Stasi&Co wieder haben wollen sind die CDU und der rechte Flügel der SPD...

Kurt aka Roger Beathacker 11. November 2008 um 10:19  

Ich fuerchte es ist schlimmer - und die wissen ganz genau, was sie tun und warum.

Anonym,  11. November 2008 um 23:12  

Zu dem erbärmlichen Geschreibsel von "Merkels Zäpfchen" Müller-Vogg äußere ich mich nicht, und was Franz Josef Wagner angeht besser auch nicht.

Nur was den vermeintlichen "Wortbruch" von Ypsilanti angeht, könnte man sagen, daß dies ein "Wortbruch" zum Besseren hin war. Denn damit hat Ypsi ihren Fehler aus dem Wahlkampf (ob hier wohl Druck von der Bundes-SPD ausgeübt würde?) korrigiert und versucht, den Weg für eine halbwegs linke Politik mit Hilfe der Linkspartei in Hessen frei zu machen.

Hätte Andrea Ypsilanti stattdessen etwa ihr Wahlversprechen, etwas für die arg gebeutelte "einfache Bevölkerung" zu tun, brechen sollen und mit Roland Koch ins "politische Koalitionsbett" gehen sollen?

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