Donnerstag, 1. Oktober 2009

Ein paar Worte zu Hartz IV Repressionen, Eckregelsatz und Mindestlohn

Im Grunde genommen bin ich ja strikt für die Entkopplung von Arbeit und Einkommen und die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Aber man kann ja nicht alles haben, jedenfalls nicht sofort und auf einen Schlag. Außerdem fällt die Notwendigkeit von Mindestlöhnen durch die Einführung eines BGE nicht weg - ganz im Gegenteil. Ein BGE, so wie ich es begreife, wäre ja nicht als Lohn oder Lohnersatz zu verstehen, sondern eher als eine Art "Gewinnbeteiligung" aller Einzelnen am gesellschaftlich erzeugten volkswirtschaftlichen Gesamtprodukt. Damit ist (für mich zumindest) u. a. ausgeschlossen, dass es etwa über Verschuldung finanziert werden könnte. Da Gewinne aber nicht im voraus feststehen, kann man nicht fordern, dass es zugleich bedingungslos und existenzsichernd sein muss. Man kann sich aber sehr wohl das Ziel setzen, dass es - nach Möglichkeit - existenzsichernd sein soll. Die Frage der Existenzsicherung wäre also gesondert zu klären. Die meisten anderen Befürworter eines BGE, mit denen ich diese Frage erörtert habe, können sich mit meiner Position freilich kaum oder nur schwer anfreunden.

Ein solcher Ansatz "beißt" sich in gewisser Weise auch mit der Forderung der Linken nach einer Beteiligung von Arbeitnehmern an den Firmen für die sie arbeiten. Diese Lafontainsche Forderung ist m. E. deshalb eher wenig sinnvoll, weil sie lauter Kleinstkapitalisten hervorbrachte, die dann eifersüchtig über ihre Pfründe wachen und zum Erhalt ihrer Privilegien andere aus dem "Wettbewerb" kicken müssten. Die Beteiligung der Gesellschaft an den Unternehmen sollte abstrakter gemanaged werden, schließlich sind nicht nur die Belegschaften vom Gedeihen ihrer jeweiligen Betriebe abhängig, sondern auch die Standorte (Gemeinden, Länder, Staaten). Deshalb sollte es eher einen Beteiligungspool geben, an den ein Teil aller Gewinne und Einkommen, die eine gewisse Größe überschreiten, abgeführt wird, und der dann eine allgemeine "Dividende" in Form des BGE ausschüttet. Ggf. müsste man darüber nachdenken ob und wie auch aus anderen Steuerquellen Anteile in diesen Pool einfließen sollten und in welcher Weise Mitspracherechte zu organisieren wären.

Die Rechtfertigung für eine solche Umstrukturierung findet sich in dem Umstand, dass alle Erträge in letzter Konsequenz das Ergebnis (nicht nur gegenwärtiger) gesellschaftlicher Anstrengungen sind, dass nach dem Stand der Dinge niemand in der Lage ist, unabhängig von anderen ein Einkommen zu generieren - es sei denn er ändert seine besondere Lage, indem er sich in die Steinzeit retourniert und zum 100%igen Selbstversorger wird. Soviel als grobe Skizze.

Ehe es aber (wenn überhaupt) einmal so weit kommt, kann man nur versuchen, die größten Mißstände zu beseitigen.

  1. Die Sanktionen für die von Hartz IV Betroffenen müssen abgeschafft werden
  2. Der Eckregelsatz soll auf mindestens 500 Euro erhöht werden
  3. Ein flächendeckender Mindestlohn in Höhe von mindestens 10 Euro ist einzuführen.

Zu 1
Derzeit läuft eine e-Petition, in der die Abschaffung des § 31 SGB II gefordert wird.

Text der Petition

Der Deutsche Bundestag möge beschließen ... sofort die Sanktionen nach § 31 SGB II abzuschaffen.

Begründung

Begründung: § 31 SGB II verletzt die Menschenwürde und die Freiheit zur Entfaltung der Persönlichkeit und wandelt die gebotenen Hilfestellungen des Staates zu Zwangsmaßnahmen um. Abzüge vom absoluten Lebensminimum können nur durch Hungern kompensiert werden. Die Sanktionierung mit Hunger oder mit gesellschaftlicher Ausgrenzung steht auf derselben Stufe wie die Sanktionierung durch unmittelbare staatliche Gewalt.

Auch ich halte die Abschaffung dieses Paragraphen für besonders dringlich und bitte meine Leser, soweit noch nicht geschehen, diese Petition mitzuzeichnen, bzw. andere zur Mitzeichnung aufzurufen. Die Zeichnungsfrist läuft am 28.10.2009 ab. Leider gibt es vorerst lediglich 3038 Mitzeichner und das bei einem skandalösen Gesetz von dem Zehntausende betroffen sind. Leute, wehrt Euch!

Zu 2
Unabhängig von dieser Petition wurde eine Initiative ins Leben gerufen, die die Erhöhung des Eckregelsatzes auf mindestens 500 Euro fordert. Weitere Informationen dazu gibt es hier. Auf der verlinkten Seite finden sich einige Texte, die diese Forderung sehr sachlich begründen, Gegenpositionen analysieren, Milchmädchenrechnungen zerpflücken und überaus lesenswert sind. Auch dort werden Unterstützerunterschriften gesammelt. Derzeit haben etwa 3000 Personen unterzeichnet.

Zu 3
Der unter "Milchmädchenrechnungen" oben bereits verlinkte Text behandelt auch die Frage, wie weit man mit einem Mindestlohn von 10 Euro kommt und es wird klargestellt: Für einen Alleinstehenden mit einem Vollzeitzeitjob reicht es gerade etwas weiter als Hartz IV. Eine vierköpfige Familie mit einem Alleinverdiener hingegen bleibt als Aufstocker auf (etwa 274 Euro) ALG II angewiesen. Das verdeutlicht, dass die Forderung nach einem Mindestlohn in Höhe von 10 Euro alles andere als überzogen ist. Es ist eine Minimalforderung, denn wenigstens der Arbeitende selbst sollte doch mit dem Entgelt, das er für seine Leistung erhält, bei Vollzeit auf staatliche Zuschüsse nicht mehr angewiesen sein.

Kombilöhne und ergänzendes ALG II sind schon deswegen keine vertretbare Lösung, weil sie eigentlich den Unternehmer subventionieren. Man gewährt ihm praktisch einen generösen Rabatt auf die "Ramschware" Arbeitskraft und die "Leistungsempfänger" kriegen obendrein den schwarzen Peter zugeschoben, denn wer hierzulande ALG II bezieht, bekommt das Etikett "Sozialschmarotzer" gleich mitgeliefert. Er ist es ja, der "dem Steuerzahler" auf der Tasche liegt und nicht etwa das Unternehmen, das ihn zu einem Hungerlohn beschäftigt. Der eigentliche Skandal wird also verschleiert. Dabei ist im Grunde gar nicht einzusehen, warum ausgerechnet "Marktradikale" sich so vehement gegen die Einführung flächendeckender Mindestlöhne wehren, die den "Wettbewerb" ja gerade entzerren würden. Wer nicht bereit ist, die Arbeit, die ein anderer Mensch für ihn verrichtet, wenigstens so zu bezahlen, dass der Arbeitende von seinem Salär für die Wiederherstellung seiner verausgabten Arbeitskraft angemessen Sorge tragen kann, der sollte seinen Kram gefälligst selbst erledigen. Dann darf er sogar das ganze Geld, das er mit seiner eigenen Arbeitskraft erwirtschaftet, behalten. Es steht aber zu befürchten, dass sein Ertrag – und damit sein Einkommen, dann sehr viel bescheidener ausfallen dürfte, als das Einkommen, das er durch die Inanspruchnahme fremder Arbeitskraft erzielt. Wer hingegen aufgrund von Umständen, die er nicht selbst zu verantworten hat, vorübergehend nicht in der Lage ist, die Summen für die laufenden Kosten aufzubringen, dem sollte der Staat ggf. direkt helfen, und nicht Subventionen qua Umweg über den Arbeitnehmer als "Sozialleistungen" tarnen. Es ist schließlich das Unternehmen, das sich hier als "sozial schwach" erweist und nicht dessen Arbeiter und Angestellte. Und nebenbei bemerkt: "Dank" Hartz IV, können auch Unternehmer ergänzendes ALG II beantragen, wenn ihr eigenes Einkommen unter dem Existenzminimum liegt.

Zum Abschluss noch ein Filmchen zur "Aufmunterung":



;-)


4 Kommentare:

Anonym,  1. Oktober 2009 um 17:06  

Wenn ich es richtig verstanden habe will die FDP ein Bürgergeld einführen.
650 Euro von diesem sind z.B. die Unterkunftskosten und Krankenkasse zu bezahlen.
Das Bürgergeld ist verfassungskonform, da der Bund also alle aus dem Steueraufkommen tragen.
Die jetzige Regel belastet die Kommunen ganz erheblich.
Meine Frage bist du dir bewusst dass dieses Bürgergeld Hartz Iv empfänger 1.Klasse - die gesunden mit Zusatzjob - und 2.Klasse - die Nicht zusatzjob fähigen langsam verhungernden schaffen wird.
Ich finde die Anhänger des BGE verlogen. So naiv kann niemand sein.

Kurt aka Roger Beathacker 1. Oktober 2009 um 17:50  

@ anonym. Das sog. "Buergergeld" der FDP hat mit meinen Vorstellungen von einem BGE nicht das Geringste gemein. Das haette Dir beim Lesen des Artikels eigentlich auffallen sollen.

Beim "liberalen" Buergergeld handelt es sich um den plumpen Versuch, Zwangsarbeit durch die Hintertuer einzufuehren und zu legalisieren, denn es wird ja nicht bedingungslos gewaehrt, sondern nur unter der Auflage, dass der sich Empfaenger "freiwillig" zu Arbeiten "im oeffentlichen Interesse" heranziehen laesst. Davon sind meine Vorstellungen meilenweit entfernt.

Beste Gruesse

Kurt

bojenberg,  2. Oktober 2009 um 10:47  

darueber hinaus wird es die gettoisierung weiter vorrantreiben, denn in diesem betrag ist alles enthalten. somit wird das gesochse von minderleistern in die ganz billigen wohngegenden abgedraengt und schoene buergerliche wohnungen werden frei. ein weiterer netter effekt, um sklavenarbeit den stempel der freiwilligkeit aufzudruecken!

Anonym,  19. Juni 2011 um 00:54  

Das BGE International hat noch einen anderen Hintergrund. Es wirkt solidarisierend und wäre gerade für die dritte Welt ein Segen. So könnte man allmählich Abrüstung erreichen. Da die Produktivkräfte ja sowieso immer weniger werden, aber immer mehr produziert wird, können sich die Bezieher von BGE eigene Tätigkeitsfelder suchen und sie ohne Zwang entwickeln. In Koppelung mit Eigentumswohnung für alle, ist es eine Möglichkeit, den schwindenden Recourcen gerecht zu werden. Wohnungen können alternativ Energie produzieren und sich nachhaltig in die Umwelt integrieren, was Gewinne durch Schonung der Umwelt erbringt. Durch die Entkoppelung der Grundexistentiellen Bedürfnisse, kann man der Deklaration der allgemeinen Menschenrechte erst Gerecht werden, da es dann erst die Möglichkeit gibt, sich individuell zu entfalten, niemand kennt ja die Menschenrechte. Und eine Antwort auf die tatsächliche totale Zerstörung der Umwelt ist nicht in Sicht. Nur durch intelligente, nachhaltige Sicherstellung der Grundbedürfnisse ist es möglich Kriege zu verhindern, abzurüsten, das Geld dann wiederum in Grundexistentielles zu investieren, Wohlstand auf vernünftiger Basis ist für alle möglich. Die, die heute Reich sind, konnten dies fast ausschliesslich durch Vetternwirtschaft und Korruption erreichen, und durch schlechte Eigenschaften, wie ja schon Jesus erkannte, also heisst es, was Vernünftiges dagegen zu halten.

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