Freitag, 16. Januar 2009

Wiedervorlagen: Volksbegehren pro-reli, Hartz IV Urteile

1. Volksentscheid vermutlich durchgesetzt

Wie es aussieht hat die Initiative "pro-reli" ihre Forderung nach einem Volksentscheid, den Status von "Religion" als Pflichtfach an Berliner Schulen betreffend, durchgesetzt. Laut Innensenator Körting sind inzwischen insgesamt rund 195.000 Unterschriften abgegeben worden. Sofern sich der Anteil ungültiger Unterschriften im üblichen Rahmen hält, sollte die erforderliche Zahl von 170.000 gültigen Unterschriften damit erreicht worden sein.

Zu diesem Thema gab es bereits gestern einen m. E. sehr lesenswerten Artikel in der F.A.Z.

Hier ein Auszug:

So, wie die Kirchen den Kampf für Volksbegehren und -entscheid führen, gewinnen sie selbst dann nicht, wenn am Ende das Wahlpflichtmodell verwirklicht wird.

Mit der Trägerschaft der laufenden Kampagne „Pro Reli“ haben sie auch deren Propaganda mit allen Verzerrungen, Entstellungen und Lügen übernommen. „Pro Reli“ erklärt, dass Berlin seine Bürger auf in Deutschland einzigartige Weise bevormunde, dass Ethikunterricht Zwangsunterricht sei, dass er ohne spezifische religiöse oder weltanschauliche Ausrichtung Werte überhaupt nicht vermitteln könne, dass er mit der Vermittlung von Werten das staatliche Neutralitätsgebot verletze, dass er den Fundamentalismus fördere - es sind Verzerrungen und Entstellungen, die sich jetzt auch die Kirchen zurechnen lassen müssen. Die Kampagne spielt mit der Angst vor fundamentalistischer Indoktrination im islamischen Religionsunterricht und behauptet, Religionsunterricht sei nur als ordentliches Lehrfach in einem Wahlpflichtbereich durch den Staat auf Lehrinhalte und -methoden zu überprüfen - es ist falsch, aber die Kirchen stellen es nicht richtig und distanzieren sich nicht davon. „Pro Reli“ behauptet, die Zahl der Schüler, die am Religionsunterricht teilnahmen, habe sich mit der Einführung des Ethikunterrichts um 25 Prozent verringert, und die Kirchen greifen die Behauptung auf - nach statistischen Angaben der Zeitung „Die Welt“ beträgt der Schwund zwei bis drei Prozent.
Angemerkt sein noch, dass die von pro-reli geforderte Regelung selbst innerhalb der Kirchen keineswegs ungeteilte Zustimmung erfährt. Diese Opposition scheint indes nicht besonders stark zu sein. Immerhin durfte aber gestern Abend am Ende eines Beitrags in der Berliner Abendschau ein Berliner Pfarrer seine Skepsis äußern.

2. Obskure Hartz IV Urteile
Zur Rechtsprechung deutscher Gerichte hinsichtlich der Frage, ob Steuererstattungen als Einkommen oder Vermögen anzusehen seien, hat mich gestern ein Leser in einem Kommentar auf ein bereits im Jahr 2005 ergangenes Urteil des BGH hingewiesen, in dem es heißt:

"(...) Im Fall einer Rückerstattung wird aus dem Steueranspruch des Staates der Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen (§ 37 Abs. 2 AO), ohne dabei seinen öffentlich-rechtlichen Charakter zu verlieren. Der an den Steuerpflichtigen zu erstattende Betrag erlangt, auch wenn er wirtschaftlich betrachtet das auf den Veranlagungszeitraum entfallende Einkommen erhöht, nicht wieder den Charakter eines Einkommens (...)"
BGH Urteil IX ZR 115/04 vom 21.07.2005

Im oben angeführten Fall ging es zwar nicht um eine Aufrechnung der Steuererstattung gegen ALG2 Zahlungen, dennoch sollte man meinen, dass damit eigentlich schon klar und allgemeinverbindlich (vor-)entschieden wurde, dass es sich bei solchen Zahlungen nicht um Einkommen handelt und es mithin keine Grundlage gibt, die es rechtfertigen würde, Empfängern solcher Erstattungen die ALG2-Bezüge zu kürzen.

3 Kommentare:

Anonym,  16. Januar 2009 um 15:24  

die definition des BGH hinsichtlich des charakters der steuerrückerstattung ist eigentlich klar, deutlich, logisch. man bekommt zurück, was man zuviel bezahlt. insofern gehört es allenfalls zum vermögen. und in den informationsbroschüren der arbeitsämter wurde im zusammenhang der arbeitslosenhilfe gesagt, daß steuerrückerstattungen anrechnungsfrei sind. also hat man die vermutlich schikanöseren bestimmungen der sozialhilfe für das übernommen, was ehemals ALHI hieß.
ein anderes beispiel: wenn mir das elektrizitätswerk eine bestimmte pauschale aufzwingt, ich dann ende des jahres geld zurückbekomme, müßte das auch angerechnet werden.
hartz iv ist pervers.

Rob 16. Januar 2009 um 21:32  

Was einen staatlich verordneten Pflichtethikunterricht besser machen soll als den herkömmlichen Religionsunterricht (wie es ihn in Baden-Württemberg und wohl auch fast allen anderen Bundesländern auch gibt) verstehe ich immer noch nicht! Wenn man schon eine "weltanschaulich neutrale" Schule haben will sollte man Fächer wie Ethik gefälligst komplett streichen.
Übrigens wurde wenigstens bei mir in der Schule im Geschichte- oder Gemeinschaftskundeunterricht mehr ideologische Bauernfängerei betrieben als in jedem Religionsunterricht den ich mir vorstellen kann! Da war ich froh dass wenigstens der Religionsunterricht von einer staatsunabhängigen Institution (nämlich der Kirche) mitgetragen wurde.

Kurt aka Roger Beathacker 16. Januar 2009 um 23:17  

Die Bauernfaengerei kannst Du ueberall haben - ausser vielleicht in Naturwissenschaften. Doch - halt! Stimmt nicht. Ich hatte am Kolleg einen - im Uebrigen ausserordentlich kompetenten - Physiklehrer, der es fertigbrachte sich selbst in Mathe und Physik breiten Raum zur Artikulation seiner strikt antikommunistischen Haltung zu verschaffen.

Ich finde das Konzept mit dem Ethik-Pflichtfach in Ordnung, obwohl es mir auch nicht weh taete, wenn man beide komplett streichen wuerde. Was am Ende inhaltlich draus gemacht wird steht eh auf einem ganz anderen Blatt. Immerhin ist Ethik ein relativ offenes Fach und die Lehrer duerfen einer beliebigen Glaubensgemeinschaft angehoeren - muessen es aber nicht.

In der Grundschulklasse meiner Tochter waren uebrigens aus allen drei Klassen ihres Jahrgangs insgesamt etwa sechs oder sieben Kinder (fast ausnahmslos Maedchen) zum evangelischen Religionsunterricht angemeldet und bei den Katholiken werden es vielleicht sieben oder acht gewesen sein. Insgesamt haben also vielleicht 15 von 75-80 Kindern ueberhaupt am Religionsunterricht teilgenommen. Das war zu einer Zeit, bevor das Fach Ethik (das zur Zeit ohnehin nur fuer die Mittelstufe angeboten wird) eingefuehrt wurde und noch verbindlich zwischen Religion und "Lebenskunde" gewaehlt werden musste. - Und spaeter am Gymnasium haben sich praktisch ausnahmslos alle Kinder vom Religionsunterricht abgemeldet.

Auch wenn diese Verhaeltnisse nicht die Situation an allen Berliner Schulen wiederspiegeln, um eine ausgesprochene Ausnahme handelt es sich dabei jedenfalls auch nicht.

170.000 Unterschriften zu sammeln und womoeglich die 600.000 Stimmen bei der Volksabstimmung zusammenzukriegen ist Eines. Auf der anderen Seite sollte man aber vielleicht auch mal fragen, wer hier ueber wessen "Freiheit" entscheidet. Jedenfalls bin ich mir ziemlich sicher, dass die Forderung nicht mehrheitsfaehig waere, wenn man ausschliesslich "Betroffene" abstimmen lassen wuerde; also Schueler und Eltern von Schuelern (um deren "Freiheit" man sich ja ach so grosse Sorgen macht). Und was ist das ueberhaupt fuer eine Wahlfreiheit um die es hier geht?

"Sie koennen den Teufel waehlen oder den Beelzebub, aber einen von beiden muessen sie nehmen."

Was mich besonders nervt an der ganzen Initiative- und das habe ich ja an anderer Stelle bereits kundgetan - sind ihre Propagandaphrasen wie: Es geht um die Freiheit!

-> "Wenn ihr Religion nicht zum Pflichtfach macht, kommt uebermorgen der Ivan und die Kinder werden alle gottlose Kommunisten."

Um die Freiheit ging es uebrigens auch anlaesslich der Schliessung des Flughafens Tempelhof. Um die geht es ueberhaupt immer, wenn hier die Linke etwas beschliesst, was der rechten bzw. der "Mitte" nicht schmecken will.

Naja - mit Speck faengt man Maeuse und mit der "bedrohten Freiheit" - so hofft man wohl - immer noch den bis 1989 vierzig Jahre lang von "leibhaftigen" Kommunisten umzingelten Berliner.

Im guten Schluss sei an Arthur Schopenhauer erinnert:

"Von der Genesis dieses Gottesbewusstseins haben wir kürzlich eine, in dieser Hinsicht merkwürdige bildliche Darstellung erhalten, nämlich einen Kupferstich, der uns eine Mutter zeigt, die ihr dreijaehriges, mit gefalteten Händen auf dem Bette knieendes Kind zum Beten abrichtet; gewiß ein häufiger Vorgang, der eben die Genesis des Gottesbewusstseins ausmacht; denn es ist nicht zu bezweifeln, daß nachdem, im zartesten Alter, das im ersten Wachstum begriffene Gehirn so zugerichtet worden, ihm das Gottesbewusstsein so fest eingewachsen ist, als wäre es wirklich angeboren."
Arthur Schopenhauer. Fragmente zur Geschichte der Philosophie.

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